Gefährliche Entwicklung
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MARKETING & MEDIA Redaktion 31.10.2025

Gefährliche Entwicklung

Die Medienkrise wird akuter, die Rufe nach Hilfe aus der Politik immer lauter, während die Werbegelder immer mehr zu den digitalen Giganten fließen.

Die jüngsten, negativen Entwicklungen im österreichischen Werbemarkt verdeutlichen eine strukturelle Krise, die sich in Wahrheit bereits seit Jahren zuspitzt. Die Werbeabgabe, die als Indikator für die Werbeerlöse klassischer Medien gilt, zeigt hier langfristig klar nach unten.  So wurden im Jahr 2006 in Österreich noch 109,3 Mio. € eingenommen, 2024 sind es nur noch 97,7 Mio. €. Besonders deutlich wird der Einbruch, wenn man die Inflation berücksichtigt. Friedrich Dungl, mit Jänner 2026 neuer Geschäftsführer des Verbands der Regionalmedien VRM, bringt dies klar auf den Punkt: „Rechnet man den Wert von 2006 mit dem Verbraucherpreisindex hoch, müssten wir heute bei fast 175 Millionen Euro liegen. Tatsächlich fehlen uns davon rund 77 Millionen. Real hat die österreichische Werbewirtschaft seit damals rund 44 Prozent verloren.“

Diese Entwicklung trifft eine Branche, deren Kostenstruktur in den vergangenen Jahren massiv gestiegen ist. Die Preise für Papier und Druck seien zuletzt ebenso stark nach oben gegangen wie jene für Postzustellung und Personal, erläutert Dungl: „Die Kosten steigen deutlich, die Einnahmen fallen – das ist eine Schere, die sich seit langem immer weiter öffnet. Viele Medienunternehmen arbeiten mittlerweile hart an der Grenze dessen, was betriebswirtschaftlich noch vertretbar ist.“

Neuer Wettbewerb
Gleichzeitig habe sich der Wettbewerb fundamental verändert. Durch die Einführung der Digitalsteuer im Jahr 2020 wurde erstmals transparent, welche Größenordnung die Umsätze internationaler Plattformen in Österreich angenommen haben.
Ein weiteres Problem formuliert Dungl so: „Wir sehen, dass Google und Facebook schon mehr einnehmen als das gesamte österreichische Mediensystem zusammen. Sie vereinnahmen mittlerweile über ein Viertel mehr als alle hiesigen Medien gemeinsam.“

Die Dynamik hat sich 2025 weiter beschleunigt. In den ersten acht Monaten dieses Jahres wurden 61,5 Mio. € an Werbeabgabe eingenommen, jedoch bereits 86,9 Mio. € an Digitalsteuer. Dungl warnt: „Die Kluft wächst von Monat zu Monat. Wir reden heuer über einen Vorsprung von über 40 Prozent zugunsten internationaler Plattformen. Das Kapital fließt weg aus Österreich.“ Für ihn steht außer Zweifel, dass dieser kontinuierliche Abfluss langfristig publizistische Substanz gefährdet: „Wenn Wertschöpfung in einer solchen Dimension abwandert, dann trifft das die journalistische Infrastruktur im Kern.“

„Systemische Umverteilung“
Als weiteren Risikofaktor nennt Dungl die jüngsten Rückgänge bei öffentlichen Werbe­ausgaben.  Diese hätten den Markt zusätzlich geschwächt: „Im ersten Halbjahr 2025 sind die gemeldeten Bundesmittel um rund 80 Prozent eingebrochen. Das allein hat dem Markt rund  15 Millionen Euro entzogen.“  Da viele Medienhäuser auf diese Einnahmen in Planung und ­Liquiditätssteuerung angewiesen seien, verstärke dies notwendige Sparmaßnahmen zusätzlich.

Die Entwicklung sei daher keineswegs ein normaler zyklischer Rückgang, sondern eine systemische Umverteilung, betont Dungl: „Der Gesamtmarkt wächst sogar. Nur profitieren österreichische Medien davon nicht. Das zusätzliche Geld im Markt landet fast ausschließlich bei internationalen Plattformen.“ Seine Bewertung fällt entsprechend klar aus: „Wir erleben eine echte Strukturkrise der medialen Finanzierung. Wenn wir weiterhin regionale Medienvielfalt, kulturelle Präsenz und kritischen Qualitätsjournalismus wollen, brauchen wir faire Wettbewerbsbedingungen.“

Politik ist gefordert
Aus seiner Sicht wird die Medienpolitik in den kommenden Jahren verstärkt gefordert sein. Dungl formuliert es als Appell: „Wir müssen Kapitalflüsse zurückholen, anstatt tatenlos zuzusehen, wie sie abwandern. Österreichische Qualitätsmedien dürfen nicht zum Kollateralschaden globaler Plattformökonomien werden.“ Maßnahmen müssten dabei sowohl wirtschaftlich als auch regulatorisch gedacht werden. Mit Blick nach vorne sagt er: „Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Innovation ermöglichen und die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Medien stärken. Wenn wir die Finanzierung der öffentlichen Kommunikation sichern wollen, dann müssen wir jetzt handeln.“

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