Eigentlich wollte Markus Mazuran eine längere Auszeit von der Werbebranche. Dass diese Pause vorzeitig unterbrochen wurde, lag am Angebot, die Führung von Scholz & Friends Wien zu übernehmen. Und an der Chance, die Agentur auf Künstliche Intelligenz auszurichten, möglich gemacht durch ein 250-Mio.-Pfund-Investment der Muttergesellschaft WPP in die Plattform WPP Open.
Mit medianet hat Mazuran über seinen Start bei Scholz & Friends gesprochen und darüber, welche Rolle der Mensch in einer von KI geprägten Agenturlandschaft künftig noch spielen wird.
medianet: Herr Mazuran, Sie waren eigentlich auf dem Weg, sich aus der Werbebranche zurückzuziehen. Was hat Sie dazu bewogen, stattdessen zu Scholz & Friends zu wechseln?
Markus Mazuran: Ich bin der Überzeugung, dass die gesamte Branche vor einer radikalen Veränderung steht – es war noch nie so disruptiv. Mein ursprünglicher Plan war auszusteigen, die Entwicklungen zu beobachten und dann mit einem neuen Ansatz einzusteigen. Ich hatte eine längere Pause geplant, es ergab sich aber dann ein Gespräch mit Vertretern von Scholz & Friends, die ich aus unserer damaligen Zusammenarbeit für den Kunden Opel gut kenne und schätze. Sie boten mir Gestaltungsspielraum und die Chance, Kunden in Österreich von WPP Open zu überzeugen.
medianet: Es hat viele überrascht, dass Sie zu einer Netzwerkagentur wie Scholz & Friends gehen. Wie erklären Sie diesen Schritt?
Mazuran: Ich wurde das oft gefragt in letzter Zeit und habe immer mit den Worten von Wayne Gretzky geantwortet: ‚Ich laufe nicht dorthin, wo der Puck war, sondern dorthin, wo der Puck sein wird.' Ich bin der Überzeugung, dass der Puck in Zukunft dort sein wird, wo wir uns jetzt positionieren. Hier habe ich den nötigen Gestaltungsspielraum bekommen, das umzusetzen und Dinge jetzt zu verändern, die wir sowieso früher oder später hätten verändern müssen. Meine Aufgabe ist es, die richtige Kultur dafür zu schaffen und diesen Change zu begleiten. Und natürlich brauchen wir Kunden, die diesen Weg gemeinsam mit uns gehen wollen.
medianet: Das Agenturnetzwerk hat massiv in Technologie investiert, insbesondere in die WPP Open-Plattform. Welche Visionen haben Sie diesbezüglich für Scholz & Friends Wien?
Mazuran: Wir sind natürlich am Anfang, aber es gibt eine klare Vision bis Jahresende: Die KI wird am Ende ein Teammitglied sein, das wir führen müssen. Das ist auch eine Führungsaufgabe, die vom Senior-Level wahrgenommen werden muss. Es geht dabei nicht nur um Bild- oder Textgenerierung, sondern um die gesamte Wertschöpfungskette von Ende zu Ende: vom Briefing, über Customer Journeys, die Identifikation von Personas, die gesamte Strategie und Projektmanagementprozesse bis hin zur Produktion.
medianet: Welche Rolle wird KI im Kernbereich Kreation übernehmen?
Mazuran: Im kreativen Prozess ist die KI bereits jetzt ein Teammitglied. Die KI beschleunigt die Ideenfindung, hilft bei der Strategie, der Zielgruppendefinition und massiv bei der Generierung von Layouts, die viel schneller gehen. Zusätzlich wird unsere Agentur sehr bald in der Lage sein, Produktion in einem Ausmaß zu übernehmen, wie es für eine Kreativagentur bisher nicht möglich war, mit echten Kostenvorteilen für unsere Kunden.
medianet: Wofür braucht es dann den Menschen noch?
Mazuran: Die braucht es mehr denn je, aber vermutlich nicht mehr so viele. Wichtig sind Relationship Champions, die gut mit Menschen können und denen Kunden vertrauen. Die Technologie ist wichtig, aber der Mensch steht immer in der Mitte. Daneben wird es talentierte Kreative geben, die durch gutes Prompting die Technologie ideal im Sinne der Aufgabenstellung nutzen und eine Kuratoren-Rolle einnehmen. Das sind die Berufsbilder, die in Zukunft eine Agentur prägen werden. Aktuell befinden wir uns in einer Übergangsphase, in der Hierarchie und Abläufe Schritt für Schritt neu gedacht werden.
medianet: Welche Vorteile haben Kunden von einer Netzwerkagentur wie Scholz & Friends?
Mazuran: Eine WPP-Open-Entwicklung in dieser Größenordnung wäre in einer kleineren Struktur nicht möglich gewesen – das ist ein entscheidender Vorteil. Innerhalb der WPP hat Scholz & Friends in der D-A-CH-Region einen wichtigen Stellenwert. Das gibt uns die Möglichkeit, mit Kolleginnen und Kollegen in Deutschland oder der Schweiz Kunden in einer Form zu betreuen, wie wir es in einer eigentümergeführten Struktur nicht könnten. Wir betreuen beispielsweise Mazda Europa aus Wien. Der Kunde sitzt in Leverkusen, und es ist ihm vollkommen egal, wo das Team sitzt, das ihn betreut. Nicht egal ist ihm, wie wir mit KI umgehen.
medianet: Beim Personal wollen Sie adaptieren – in welchen Bereichen?
Mazuran: Es sind viele Talente im Haus, wir werden aber vor Ort eine massive Expertise im Bereich KI aufbauen, mehr dazu schon bald. Das ist notwendig, um die Veränderung gut zu begleiten. Wir werden aber auch im Kreativbereich ein Zeichen setzen, denn wir glauben weiterhin an die Kraft der Idee. Ohne sie bringt uns die gesamte Technologie nichts. Darüber hinaus setzen wir Prozesse neu auf und hinterfragen etablierte Agenturstrukturen.
medianet: Wenn wir Ende des Jahres wieder hier sitzen, wie wird die Agentur dann aussehen?
Mazuran: Ich bin seit zwei Monaten hier und habe einiges vor. Bis Ende des Jahres haben wir eine funktionierende Arbeitsweise im Umgang mit KI etabliert und ein Earned-Media-Produkt im Kreativbereich entwickelt, das von Kunden erfolgsabhängig entlohnt wird. Aktuell geht es zu oft um Stundensätze, das belohnt die Langsamen.
medianet: Welche Ziele haben Sie sich persönlich gesetzt?
Mazuran: Mein Ziel ist, gemeinsam mit Kunden Vorreiter zu sein und Kostenpotentiale zu heben. Parallel möchte ich eine Kultur etablieren, in der sich Mitarbeiter am Sonntagabend auf Montag freuen, weil sie ein Umfeld haben, wo sie gefordert werden und ein offener Austausch mit Talenten aus unterschiedlichen Bereichen gelebt wird. Gelingt es, haben wir viel erreicht. (fej/sha)