Haben’ schon gewählt? Mit oder ohne Cookies?
© APA / dpa / Lino Mirgeler
MARKETING & MEDIA Redaktion 19.08.2022

Haben’ schon gewählt? Mit oder ohne Cookies?

Google muss die Idee, Chrome ohne Drittanbieter-Cookies umzusetzen, abermals schieben – über Folgen klärt Daniel Pfeffer, Digital Director Havas Village Wien, auf.

WIEN. Am 27. Juli 2022 kündigte Google eine weitere Verzögerung bei der Einstellung von Cookies von Drittanbietern des Chrome-Webbrowsers bis zum Jahr 2024 an.

Die Verzögerung soll der Branche zusätzliche Informationen bieten, Cookie-Alternativen von Drittanbietern in der Privacy Sandbox von Google zu testen.
Eine Strategie, die in der Werbebranche nicht unumstritten ist und nach alternativen Lösungsansätzen verlangt. Denn: Bereits im vergangenen Juni hat Google die geplante Abschaltung von 2022 auf Ende 2023 verschoben, nun kam es zur neuerlichen Verzögerung. Grund dafür sei laut Google das überwältigende Feedback aus der Branche, mehr Zeit zu benötigen, um die Datenschutz-Sandbox-Angebote von Google zu testen, die ja als Cookie-Alternative gedacht sind, bevor die Cookies von Drittanbietern bei Chrome gar nicht mehr zum Einsatz kommen.
Bemerkenswert ist allerdings, dass Cookies in anderen globalen Browsern wie Safari und Firefox und mobile IDs in den meisten Versionen von iOS bereits jetzt begrenzt oder gar nicht mehr verfügbar sind.

Die Hintergründe

Die Datenschutz-Sandbox ist eigentlich jene Alternative, in der Google und Industriepartner derzeit gemeinsam an Cookie-basierten Funktionsalternativen für etwa Targeting und Erfolgsmessungen arbeiten.

Laut Google bestehe aber ein immenser Wunsch der Indus­trie nach mehr Zeit, um die neuen Technologien zum Schutz der Privatsphäre zu testen und die neuen Lösungen zu übernehmen. Google hat die erneuerte Verzögerung nun eben damit gerechtfertigt, Testfenster für die Datenschutz-Angebot in den Sandbox-APIs zu verlängern, bevor die bestehenden Cookies in Chrome deaktiviert werden.
Allerdings ist Google ohnehin anderweitig von einer Reihe von Regierungsgremien unter Beobachtung – sei es, was die Datenerhebung und den Datenschutz in Google Analytics betrifft, Fragen der Marktbeherrschung oder auch potenziell wettbewerbsrechtliches Verhalten. Ganz unerwartet kommt die neuerliche Verzögerung innerhalb der Branche jedenfalls nicht. „Google hat zugesichert, dass Cookies erst mit funktionierenden, alternativen Lösungen deaktiviert werden; das ist bis jetzt nicht der Fall”, so Daniel Pfeffer, Digital Director im Havas Village Wien.

Folgen für die Werbebranche

Die Verzögerung bringt natürlich mehr Zeit für die Branche, um Cookie-Alternativen von Drittanbietern zu finden, mehr Testzeit vor der Einstellung und mehr Zeit für Google, um seine neuen Datenschutz-Sandbox-Technologien zu testen. Insgesamt also weniger Druck innerhalb der Branche. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass die Verzögerung auch zu Unmut in der Branche führt, da noch nicht geklärt ist, welche alternativen Technologien schlussendlich bei Chrome zum Einsatz kommen werden.

Auch die internationalen Experten im Havas-Netzwerk sehen in der weiteren Verzögerung nicht den richtigen Weg. „Schließlich gibt es in anderen relevanten Browsern wie Safari oder Firefox, aber auch in iOS und bald in Android schon jetzt keine Cookies mehr”, so Pfeffer.
Intern diskutiert man auch darüber, dass die angekündigte Performance von Cookies wohl auch vor Jahren überzogen war – und nun zu enttäuschten Kunden und Usern führt: Während individuelle Personalisierungsstrategien den Bedürfnissen von Usern entgegenkommen hätten sollen, haben sie diese vielmehr verärgert. „Man denke daran, dass man etwa ein Produkt online bestellt, die Werbung dafür aber noch Monate nach dem Kauf weiter eingespielt bekommt, wenn das Produkt vielleicht gar nicht mehr in Gebrauch ist. Das sind letztendlich ungelöste Trackingstrategien”, so Pfeffer.

Mögliche Lösungsstrategien

Für Agenturen und Werbetreibende schlagen die Experten des Havas Network zwei parallele Wege vor: „Erstens intensiv neue Lösungen mit Partnern in bereits cookielosen Browsern testen und step-by-step lernen und zweitens parallel beobachten, welche neuen Umsetzungsmöglichkeiten Google in Chrome nach und nach bereitstellt”, so Pfeffer.

Gesucht: Mehrwert

Der Digitalexperte empfiehlt, „jedenfalls alternative Cookie-Lösungen von Drittanbietern zu testen, welche die lokalen Daten- und Datenschutzbestimmungen einhalten und Mehrwert für den Werbetreibenden bieten, egal ob in der Google Privacy Sandbox-APIs oder in Angeboten aus der gesamten Branche, die nicht mit Google verknüpft sind.” Dass andere Browser bereits cookielos seien, biete Vorteile für diese Anbieter, schlägt sich aber im Nutzungsverhalten der User bei den führenden Browsern noch nicht durch, so Pfeffer.

Wobei bei all diesen Strategien durchaus die Gefahr von Fragmentierung bestehe: „Wenn jeder Publisher seine eigenen Datensets aufbaut und beim Tracking darauf zurückgreift, dann ist man als Werbungtreibender gezwungen, diese individuellen Angebote bei verschiedenen Anbietern individuell anzunehmen. Das wäre eigentlich ein Rückschritt für die digitalisierte, plattformübergreifende Werbung, da reichweitenstarke Kampagnen nicht mehr so einfach umfassend getargeted werden könnten.”
Denn bei einzelnen Publishern würden „walled gardens”, also Datensilos, entstehen. Hier kommt natürlich auch der Konkurrent Meta mit seinen Sozialen Netzwerken ins Spiel, wo User ihre Vorlieben sogar freiwillig bekanntgeben, und die schon seit jeher ganz ohne Cookies performen.

Zusätzliche Daten helfen

„Umso mehr wird es künftig wichtig sein, relevante Insights der Kunden mit den Bedürfnissen von Usern zu matchen, wie das etwa in den Meaningful Brands-Analysen der Havas Group bereits erfolgt”, erläutert der Digitalexperte.

Darüber hinaus arbeitet das Havas Global Data & Platforms-Team weiterhin daran, die Havas-Zielgruppenplanungs- und Datenplattform Converged zukunftssicher zu machen und zu verbessern. Die Plattform wird unter anderem dadurch optimiert, dass zusätzliche Daten-Integrationen zur Identitätsverfeinerung eingebaut werden. Weiters führt Havas laufend End-to-End-Tests mit mehreren cookielosen Lösungen durch.
„Die kommenden Monate und Jahre bleiben jedenfalls spannend”, resümiert Pfeffer. (red/fej)

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