••• Von Dinko Fejzuli
Gerade noch wie ein Pop-Phönix dank seines ESC-Siegs für Österreich aus dem Nichts zum neuen Star aufgestiegen, hat sich Eurovision-Gewinner JJ mit israelkritischen Aussagen in einem Interview quasi ins Out gestellt.
medianet fragte bei Carola Purtscher, Geschäftsführerin und Inhaberin der PR-Agentur Purtscher Relations PR, und dem ehemaligen TV-Journalisten und erfahrenen Medientrainer Gerald Groß, die oft gemeinsam Kunden in einem Medientraining begleiten, nach, welche Dinge man unter Umständen als Person, die im öffentlichen Licht steht, in Interviews eher vermeiden sollte – vor allem, wenn sie mit dem eigenen Genre nichts zu tun haben.
medianet: Frau Purtscher, Herr Groß, aktuell zeigt der Fall von Österreichs ESC-Sieger JJ, wie schnell ein medialer Triumph durch öffentliche Äußerungen ins Gegenteil kippen kann. Wie verhindert man so eine Situation und wie kommt man da wieder raus?
Carola Purtscher: In offiziellen Gesprächssituationen – und ein Interview zählt zweifellos dazu – sollte man heikle Themen wie Politik, Religion oder Sexualität meiden. Der Leitsatz ‚Anything you say can and will be used' ist in diesem Kontext keine leere Floskel, sondern ein zentraler Hinweis. Das ist einer der wichtigen Tipps im Umgang mit Medien.
JJ ist ein außergewöhnlich sympathischer und erfolgreicher Künstler, der bislang offenbar weder ein Medientraining absolvieren konnte noch gezielt auf den Umgang mit Journalistinnen und Journalisten vorbereitet wurde. Gleichzeitig steht er massiv im Fokus der Öffentlichkeit – und hatte kaum Gelegenheit, sich darauf einzustellen.
Jetzt, nach so einem öffentlich gewordenen Fehler, ist klassische Krisenkommunikation angesagt: zunächst eine klare Stellungnahme und Entschuldigung – wie es JJ schon gemacht hat, und ein zumindest halbtägiges Medientraining. Seine Positionierung sollte unterstützt werden mit dem Ausarbeiten einer klaren Kommunikationsstrategie. Dabei werden klare Ziele und Themenfelder, die relevanten Zielgruppen und proaktive Kommunikationsmaßnahmen ausgearbeitet.
Gerald Groß: Österreichs ESC-Sieger JJ zeigt, wie schnell ein Triumph durch unbedachte Aussagen zum Shitstorm werden kann. Wer im Rampenlicht steht, braucht Fingerspitzengefühl: Klare Kommunikation, professionelle Beratung und Zurückhaltung bei heiklen Themen sind der beste Schutz. Gerät man dennoch in die Kritik, helfen nur Transparenz, Dialogbereitschaft und glaubwürdige Entschuldigungen, um das Vertrauen zurückzugewinnen.
medianet: Und wenn wir schon beim Thema sind: Wie läuft ein klassisches Medientraining ab – und was ist das ideale Ziel?
Purtscher: Wir bereiten alle unsere Kunden gezielt auf den öffentlichen Auftritt vor – mit maßgeschneiderten Medientrainings in Kooperation mit Gerald, die wirken. Die Zusammenarbeit mit ihm bewährt sich seit vielen Jahren: Wir kennen den Kunden, können daher Gerald präzise briefen und stellen im Training genau die Fragen, die wirklich weiterbringen. Gemeinsam erarbeiten wir klare Botschaften, wirkungsvolle Formulierungen und ein souveränes Auftreten vor Mikrofon und Kamera. Was mir dabei sehr wichtig ist: Authentizität. Wer nicht glaubwürdig wirkt, verliert Vertrauen – egal, wie gut die Message ist. Deshalb gestalten wir jedes Training individuell, praxisnah und intensiv.
Groß: Üben, üben, üben! Sind die Inhalte der Botschaften einmal geklärt, geht’s an die praktische Vermittlung in unterschiedlichen Settings und Formaten. Dabei gilt: ‚The proof of the pudding is in the eating.' Die besten Wordings nutzen nichts, wenn sie nicht authentisch rüberkommen. Dafür ist die maximale Übereinstimmung von Inhalten, Körpersprache und Mimik sowie Stimme Voraussetzung. Das kann man üben, vor allem aber an sich selber studieren: durch Video-Analyse. Perfektion ist dabei ganz sicher kein Ziel, sehr wohl aber Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Und noch etwas: was beim Publikum einen Aha-Effekt auslöst, wird gemerkt und weitergetragen.
medianet: Gibt es klassische Fallstricke bei öffentlichen Auftritten, gerade in Live-Interviews, die man durch gute Vorbereitung umgehen kann?
Groß: Im Live-Interview lauern die Fallen: Ein unbedachtes Wort – und schon ist der Shitstorm da. Wer ohne Plan ins Rampenlicht stolpert, riskiert Missverständnisse, peinliche Versprecher oder einen Hintergrund, der mehr Aufmerksamkeit bekommt als die eigenen Aussagen. Die Lösung? Gut vorbereiten, Kernbotschaften parat haben und lieber einmal eine Sekunde länger nachdenken, bevor man spricht, wenn das Mikro an ist. Was es noch braucht: Klarheit über die eigene Rolle! Wer Privates und Öffentliches vermischt, riskiert, missverstanden zu werden.
medianet: Apropos Klarheit: Bei manchen Politiker-Interviews hat man eher den Eindruck, der Interviewte spricht nach dem Motto: Hier sind meine Antworten, stellen sie mir die dazu passenden Fragen. Wäre es nicht ratsamer, manchmal, statt herumzureden, schlicht mal zu sagen: Es tut mir leid, darauf kann ich ihnen derzeit keine Antwort geben.
Groß: Absolut – manchmal ist Ehrlichkeit die beste Strategie, denn heiße Luft schafft Frust. Das heißt, statt sich in ausweichenden Phrasen zu verlieren, wirkt ein klares ‚Dazu kann ich aus diesen und jenen Gründen aktuell nichts sagen' oft glaubwürdiger und sympathischer. Wer offen zugibt, dass er (noch) keine Antwort hat, zeigt Haltung – und gewinnt am Ende oft mehr Vertrauen als mit jeder Ausrede.
Purtscher: Ich fände das großartig. Gerade am Anfang muss doch nicht jede Antwort sitzen wie aus dem Lehrbuch. Wer in den ersten 100 Tagen mal sagt ‚Weiß ich gerade nicht, aber ich finde es raus', wirkt nicht schwach – sondern menschlich. Und genau das macht Politikerinnen und Politiker oft glaubwürdiger als jeder gestochen formulierte Satz.
medianet: Aber wie trainiert man den Umgang mit sogenannten ‚kritischen Fragen', die provozieren oder eine Polarisierung anstoßen sollen?
Groß: Exit-Strategien im Interview-Kontext sind Techniken, um elegant aus einer unangenehmen oder festgefahrenen Situation herauszukommen, ohne sich zu verrennen oder angreifbar zu machen. Ehrlich zugeben, wenn man auf eine Frage keine Antwort geben kann oder darf, das Gespräch gezielt auf einen anderen, sachlich verwandten Aspekt lenken, der weniger brisant ist, die eigenen Hauptaussagen betonen, statt sich auf Nebenschauplätze einzulassen. ‚Bridging' ist dabei eine bewährte Interview-Technik. Sie bedeutet, eine kritische oder provokante Frage höflich beiseite zuschieben und dann gezielt zur eigenen Kernbotschaft überzuleiten.
medianet: Oft geht es gar nicht um das Gesagte, sondern das, was nicht gesagt wird: Welche Rolle spielt nonverbale Kommunikation im Medientraining – und wie wird sie konkret geübt?
Groß: Nonverbale Kommunikation ist das Fundament eines überzeugenden Medienauftritts. Mimik, Gestik, Haltung und Stimme entscheiden maßgeblich darüber, wie glaubwürdig, souverän und sympathisch eine Person auf das Publikum wirkt. Studien zufolge werden 65 bis 90 Prozent der Informationen über Körpersprache und nicht über Worte vermittelt. Wer seine nonverbalen Signale gezielt einsetzt, baut schneller Vertrauen auf und unterstreicht die eigenen Botschaften wirkungsvoll. Nonverbale Kommunikation wird im Medientraining gezielt durch Videoanalysen, Rollenspiele, Spiegelarbeit und individuelles Feedback trainiert – für mehr Präsenz, Glaubwürdigkeit und Wirkung vor Mikrofon und Kamera.
medianet: Und wie wichtig ist es, im Vorfeld eigene Haltungen und Grenzen zu definieren – also zu wissen, was man sagen will und was nicht?
Purtscher: Das ist sogar entscheidend wichtig. Ein souveräner Auftritt braucht mehr als Spontanität – nämlich eine klare Strategie, definierte Ziele und gezielte Maßnahmen. Wer sich professionell positionieren will, darf nichts dem Zufall überlassen und muss proaktiv daran arbeiten.
medianet: Aber gibt es konkrete Dos and Don’ts, die für jede Medienbegegnung gelten – egal ob für Künstler, Manager oder Politiker?
Purtscher: Wir haben sogar die zehn Gebote für den Umgang mit Medien ausgearbeitet (lacht). Kurz zusammengefasst: bereite dich auf jedes Interview vor, bleib authentisch und fokussiert. Formuliere deine drei Kernbotschaften – und halte dich an sie. Spontane Aussagen ohne Reflexion? Besser vermeiden. Denn: Alles Gesagte kann – und wird – verwendet werden.
Groß: Oh ja! Das ist wirklich ein weites Feld – aber um es kurz zu machen: Wer sich vorbereitet, authentisch bleibt, Respekt zeigt und auf Augenhöhe kommuniziert, macht in jeder Medienbegegnung einen souveränen Eindruck – egal ob als Künstler, Manager oder Politiker. Was den Umgang mit Journalistinnen und Journalisten betrifft, nie vergessen: Sie sind weder Freunde noch Feinde. Sie haben schlicht einen anderen Beruf und daher auch oft eine andere Agenda. Aber oft genug ist eine Win-win-Situation möglich.
medianet: Die zwei wichtigsten Fragen zum Schluss: Wenn Sie an gelungene Medienauftritte denken: Was machen die richtig, die souverän und authentisch wirken. Und auf der anderen Seite der Skala: Wer ist immer ihr Lehrbeispiel im Training, wenn sie auf besonders desaströse Medienauftritte hinweisen wollen?
Purtscher: Perfekt wirkt es immer dann, wenn der Auftritt, die Stimme, die Körperhaltung und auch die Mimik den Inhalt unterstreichen. Und die Person dabei authentisch rüber kommt.
Groß: Weil ich selber als Journalist dabei war, erinnere ich mich noch sehr gut an den frühmorgendlichen Auftritt von FPÖ-Spitzenpolitikern nach einer langen nächtlichen Krisensitzung im Jahr 2002. Kurz vor dem berüchtigten Delegiertentreffen in Knittelfeld, bei dem die Partei faktisch implodierte und Susanne Riess-Passer, Karl-Heinz Grasser sowie Peter Westenthaler zurücktraten, fiel bei einer Pressekonferenz mit diesen Spitzenpolitikern ein FPÖ-Plakat am Podium um. Dieses Bild wurde damals vielfach als Sinnbild für das politische Chaos und den drohenden Zusammenbruch der Partei interpretiert. Der Vorfall ist zwar nicht das zentrale Ereignis der Krise, blieb aber als mediales Symbol für die ‚blauen Chaostage' und das politische Beben rund um Riess-Passer, Grasser und Westenthaler im kollektiven Gedächtnis haften.
