••• Von Dinko Fejzuli
De facto wenige Tage vor der Wahl geriet die SPÖ durch eine öffentlich gewordene Facebook-Schmutzkübelkampagne gegen die ÖVP selbst in einen kommunikativen Super-GAU.
medianet hörte sich bei heimischen Krisen- und Polit-Kommunikationsexperten um, was denn überhaupt noch getan werden könne, um zumindest zu versuchen, das kommunikative Heft wieder in die eigenen Hände zu bekommen.
Eines vorweg: Angefragt haben wir bei deutlich mehr Auskennern der Branche, allein die meisten verwiesen auf den Umstand, dass sie selbst keine Politik-Beratung machen und sich schon deshalb nicht fachkundig zum konkreten Fall äußern können bzw. es schlicht nicht wollen.
Die einen oder anderen haben uns dann doch ein paar Tipps aus der Sicht von Politikberatern, aber auch ganz „normalen” PR- und Krisenkommunikationsexperten gegeben, wie jemand wie die SPÖ nun agieren sollte.
So meinte etwa Uniqe-GF und ehemaliger SPÖ-Kanzler-Sprecher Joe Kalina auf die Frage, was denn generell die ersten Schritte nach dem Aufbrechen so einer Krise seien: „Das Wichtigste ist, alle Fakten penibel auf den Tisch zu bekommen: wer hat wirklich was gemacht, wer war verantwortlich, wer weiß aller darüber, Kosten, Zahlen, Daten, Verantwortlichkeiten. Eine absolut wasserdichte Faktenbasis ist die Grundvoraussetzung für vernünftiges Krisenmanagement.”
Und damit unterscheidet er sich in seiner Expertise nicht von anderen Fachleuten in der Branche, die selbst sicherlich auch ab und zu einen Kunden durch eine Kommunikationskrise begleiten müssen.
Klare Worte finden
So plädiert etwa auch Saskia Wallner, GF Ketchum Publico, in Bezug auf die SPÖ vor allem für eines: klare Worte finden und alles auf den Tisch legen, denn: „Womit man noch am ehesten das Heft wieder in die Hand bekommen könnte, wäre schonungslose Aufklärung und das Ziehen von radikalen Konsequenzen – nach dem Motto ‚Kern räumt auf'.”
In der Praxis und im Hinblick auf die kurze verbleibende Zeit werde wohl nur übrig bleiben, konsequent auf den eigenen Themen und Botschaften draufzubleiben und mit der Krise selbst „extra dry” und prozessorientiert umzugehen, so Wallner.
Ins selbe Horn bläst auch Peter Sitte, Managing Partner com_unit: „Das Schlechteste wäre: abblocken. Und Lügen haben bekanntlich die kürzesten Beine.”
Und, so Sitte, es sei auch keine Schande, zu sagen, was man zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht wisse. Wichtig sei es vor allem, auch klar zu kommunizieren, was man vorhabe, um die Situation zu verbessern.
„Durchtauchen”, so Sitte „geht gar nicht! Ich würde zur äußersten Offenheit und Ehrlichkeit raten. Mit allen Konsequenzen. Klar sagen, was passiert ist und was man vorhat, um die offenen Punkte raschest zu beantworten. Offenes Visier, Fakten benennen, gemachte Fehler eingestehen…wieder Vertrauen aufbauen.” Letztlich wie eben in einer guten Beziehung, so Sitte.
Sylvia Grünberger, Managing Partner Rosam.Grünberger | Change Communications, und selbst einmal für die ÖVP im Parlament, nennt generell gleich mehrere „Todsünden”, die man in so einer Krise auf keinen Fall begehen dürfe, welche die SPÖ aber begangen habe: Eine sei, dass der Chef nicht sofort reagiert.
„Man stelle sich vor, ein Unternehmens-CEO verweist in so einer Krise auf den Abteilungsleiter”, so Grünberger mit Verweis auf Christian Kern, der genau das im ORF getan habe.
Eine fehlende Entschuldigung oder der Ausdruck des Bedauerns sei ebenfalls ein No-Go.
Und: Der Verweis der SPÖ zu möglichen Querverbindungen der Beteiligten zu anderen Parteien ginge gar nicht. Hier würden nur Schuldige woanders gesucht oder „Verschwörungstheorien inszeniert”, so Grünberger gegenüber medianet.
Auch Sitte meint hier: „Die ‚Täter-Opfer-Karte’ würde ich anderen überlassen.”
Und im Hinblick, wie sich denn die ÖVP verhalten solle, meint Sitte, sie solle dem Prinzip der Fairness folgen: Kein Anpatzen des politischen Gegenübers, sondern noch deutlicher die eigene Haltung hervorheben.
Diese Frage sieht Wallner genau so. Die Gegner sollten sich möglichst souverän verhalten und nicht weiter Öl ins Feuer gießen, „denn der Brand ist ohnehin schon groß genug”.
Hier mache die ÖVP einiges falsch, denn: „Die ÖVP und ihr Spitzenkandidat machen den Fehler, sich selbst intensiv dazu zu äußern. Das zieht sie in die Schlammschlacht mit hinein. Sie sollten Schmutzarbeit ausschließlich den Journalisten überlassen.”
Strategiekrise
Bei der Frage, ob denn die aktuelle Causa „nur” eine Kommunikationskrise oder eher eine Strukturkrise sei, waren sich die Experten einig. Es sei eindeutig Letzteres: „Es ist klarerweise auch eine Strategiekrise. Bundeskanzler Kern trat als Wirtschaftsmann und Politik-erneuerer an. Jetzt ist er mit dieser Affäre konfrontiert, die den Erneuerungsanspruch infrage stellt”, so Joe Kalina.
Und Wallner meint, ebenfalls ähnlich: „Dass im SPÖ-Wahlkampfteam offenbar zu viele Köpfe am Werk waren und es keinen stringenten Kampagnenlead gegeben hat, ist sicher auch ein Teil des Problems, das definitiv über reine Kommunikationsfragen hinausgeht.”
Für Sitte ist es auch eine „veritable Kommunikationskrise”. Eine Strukturkrise sei es dann, „wenn die SPÖ als Auftraggeber bewusst und taktisch auf Dirty Campaigning gesetzt hat bzw. keine Kontrolle über die Verhinderung bzw. Verselbständigung von diesen Maßnahmen hatte”.
Die Frage, wer denn nach der Kündigung von Silberstein durch die SPÖ die Kampagne im Web weiterbetrieben hätte, beschäftigt auch alle: Hier sei es, so die Beteiligten, noch etwas schwierig, die Urheber bzw. die Administratoren hinter den Facebook-Seiten zu eruieren.
Dazu meint Alexis Johann, CEO styria digital one: „Menschen mit Admin-Rechten sind nicht zwingend Urheber. Es gibt den Facebook-Business-Manager, mit dem Agenturen auch mehrere Accounts verwalten können. Nicht zwingend ist darin erkennbar, wer zu welchem Zeitpunkt welche Veröffentlichungsrechte hatte. Allerdings ist die Grundeinstellung bei Facebook so, dass es im Backend ersichtlich ist, wer die Redakteure welcher Posts sind – außer es wurde bewusst anonymisiert, was bei dieser Kampagne durchaus denkbar ist. Wenn allerdings eine Agentur beauftragt wurde und nicht dokumentiert hat, scheint Vorsatz gegeben zu sein. Social Media- Agenturen dokumentieren daher alle Aktivitäten im Auftrag der Kunden. Und normalerweise wird laufend die Kampagne abgestimmt. Selbstläufer-Aufträge mit Verschleierung gibt es de facto in der Branche nicht – weil sie sowohl gegen das Mediengesetz als auch die eCommerce-Richtlinie der EU verstoßen”, so Johann abschließend.