••• Von Dinko Fejzuli
Seit 2016 gestaltete Silvia Grünberger als Partnerin das Beratungsunternehmen Rosam.Grünberger.Jarosch & Partner maßgeblich mit. Nun hat die gebürtige Burgenländerin die verbleibenden Anteile des Gründers Wolfgang Rosam übernommen und hält jetzt 70% des Unternehmens. medianet bat Grünberger anlässlich der Übernahme zum Interview.
medianet: Frau Grünberger, es gibt große Neuigkeiten in der Agentur, die bisher unter dem Namen Rosam.Grünberger.Jarosch & Partner firmierte.
Silvia Grünberger: So groß sind die Neuigkeiten eigentlich gar nicht – es ist vielmehr der Abschluss eines seit mehreren Jahren laufenden Transformationsprozesses. Ich bin nach meiner Zeit im Nationalrat in die Agentur eingestiegen, war zunächst Geschäftsführerin und wurde drei Jahre später Partnerin – nachdem mich Wolfgang Rosam gefragt hat, ob ich mich auch unternehmerisch beteiligen möchte. Das war für mich eine echte Lebensentscheidung.
medianet: Davor waren Sie in der Politik?
Grünberger: Genau, ich war insgesamt 13 Jahre in der Politik, elf davon Abgeordnete zum Nationalrat. Erstmals gewählt wurde ich mit 21 Jahren und halte damit, glaube ich, noch immer den Rekord als jüngste Abgeordnete. Damals hat mich Wolfgang Schüssel angesprochen – wir kannten uns aus meiner Zeit in der Schülervertretung. Dort war ich sehr aktiv: Schulsprecherin, Landesschulsprecherin und dann auch in der Bundeschülervertretung. Ich war zum Glück eine recht gute Schülerin – so konnte ich mir zur Matura hin einige Fehlstunden leisten und war öfter am Minoritenplatz als in der Klasse. Das hat mir damals gezeigt, wie viel man bewegen kann, wenn man Menschen für etwas begeistert.
medianet: Aber irgendwann kam der Schritt raus aus der Politik.
Grünberger: Ja, ich habe mir rund um meinen 30. Geburtstag sehr nüchtern die Frage gestellt, wo meine berufliche Reise hingehen soll. Ich war leidenschaftlich gern Politikerin, dann schon sehr erfahren, aber in der Wirtschaft tätig war ich bis zu dem Zeitpunkt noch nicht. Und Berufspolitikerin wollte ich eigentlich nie sein. Deshalb bin ich gesprungen. Ich dachte, mit 40 wäre es vielleicht zu spät für einen Neustart. So habe ich mich bewusst gegen eine politische Karriere entschieden und den Weg in die Wirtschaft eingeschlagen. Ganz kurz war das ein finanzieller Rückschritt und bedeutete anfangs auch einen Wechsel von der Sichtbarkeit in die zweite Reihe.
medianet: Ein doch eher untypischer Schritt in Österreich …
Grünberger: Ja, aber mir war klar, dass man anfangs vielleicht zwei Schritte zurück gehen muss, um dann drei nach vorne zu machen. So war es auch. Ich muss gestehen, dass ich zu Beginn meiner Überlegungen noch nicht genau wusste, wo in der Wirtschaft mein Platz sein könnte. Die Agentur war zunächst ein Feld, um viele Branchen und Unternehmen kennen zu lernen. Dass ich genau hier alle meine Talente und in der Politik erworbenen Kompetenzen perfekt zum Einsatz bringen konnte, war mir dann aber schnell klar: verhandeln, führen, kommunizieren, kampagnisieren und positionieren.
medianet: Und lobbyieren …?
Grünberger: Ja, ich weiß genau, wie man mit Politikerinnen und Politikern kommunizieren muss und was möglich ist und was nicht. Es ist ein Irrglaube, dass persönliche Freundschaften politische Entscheidungen beeinflussen. Letztlich zählen Argumente, Zahlen, Daten und Fakten. Sympathie kann helfen, eine Tür zu öffnen – aber mehr nicht.
medianet: Also hat sich auch das Lobbying verändert?
Grünberger: Wenn jemand glaubt, dass es so etwas wie ‚Lobbying by Wining and Dining' gibt bzw. das ausreicht, dann ja. Natürlich ist es wichtig, gute Beziehungen aufzubauen und dafür entsprechende Rahmen zu schaffen, aber das ersetzt keine Argumente. In der Public-Affairs-Arbeit geht es um Vertrauen, Reputation und Diskretion. Nur wenn man auf Augenhöhe und respektvoll miteinander sprechen kann, entsteht auch die Chance, etwas zu bewirken.
medianet: Das ist heute wichtiger denn je.
Grünberger: Druck oder persönliche Seilschaften sind keine Erfolgsfaktoren. Integrität, Professionalität und Diskretion stehen für mich im Vordergrund. Trotz aller Digitalisierung und KI zählt am Ende der Mensch – und genau das ist mein Ansatz.
medianet: Ein Punkt, in dem Sie sich von anderen Beraterinnen und Beratern unterscheiden?
Grünberger: Bei mir steht immer der Mensch im Mittelpunkt – ob es nun ein CEO oder ein Politiker ist. Ich glaube fest daran, dass Haltung, Werte und Führungsqualität entscheidend sind. Man kann vieles trainieren – Rhetorik, Tools, Auftritt – aber die Haltung muss echt sein. Deshalb bin ich in der Beratung oft auch Coach und Sparringspartner für CEOs, die in ihrer Rolle kaum mehr jemanden haben, mit dem sie sich offen austauschen können.
medianet: Ein Bereich, der stark gewachsen ist …
Grünberger: Absolut. Hier bringe ich meine psychologischen Ausbildungen zum Einsatz. Der Druck, dem CEOs ausgesetzt sind, ist enorm. Und das Tempo wird auch immer höher. Zwar haben CEOs mehr Schonfrist und müssen Journalisten nicht gleich am ersten Tag Rede und Antwort auf alles geben, meist haben sie auch ab ihrer Bestellung mehr Vorbereitungszeit, aber wenn sie dann auf der Bühne stehen, sind die Scheinwerfer innen wie außen auch stets auf sie gerichtet.
Deshalb ist CEO-Positioning so wichtig. Das macht mir in der Beratung auch besonders viel Spaß. In der PR begleiten wir sie in guten und in schwierigen Zeiten. Was wir besonders gut können: Themen groß machen, die kaum Relevanz haben – und scheinbare Skandale auf ihre tatsächliche Bedeutung herunterbrechen. Das ist eine Kunst, die eine gute Agentur auf jeden Fall beherrschen muss.
medianet: Also die richtige Einordnung in der öffentlichen Wahrnehmung?
Grünberger: Ganz genau. Bei all den technologischen Neuerungen und Einsatz von KI hat sich der Umgang mit Medien komplett verändert – das wissen Sie besser als ich. Niemand hat mehr die Zeit für lange Hintergrundgespräche. Deshalb ist es heute entscheidend, schnell, präzise und relevant zu kommunizieren – so, dass Journalistinnen und Journalisten gut damit arbeiten können.
medianet: Mit welchen Problemstellungen kommen Kundinnen und Kunden – egal ob Wirtschaftstreibende, Personen aus der Politik oder andere – aktuell zu Ihnen? Gibt es derzeit Themen, bei denen Ihre Unterstützung besonders gefragt ist?
Grünberger: Im politischen Bereich geht es stark um die Themen Regulatorik, gesetzliche Hürden oder bürokratische Aufwände. Oft spielt hier auch die Schnelllebigkeit eine Rolle – man hört einander oft gar nicht mehr richtig zu. Es ist ein Teufelskreis: Ein Politiker tritt sein Amt an und sitzt am nächsten Tag bei Armin Wolf oder in der ‚Pressestunde' und wird von oben bis unten durchgecheckt. Da bleibt kaum Zeit, sich im Detail mit allem auseinanderzusetzen.
medianet: Wo sehen sie hier etwaige Fallstricke?
Grünberger: Die Gefahr, sich dann nur mit Oberflächlichkeiten zu befassen, ist enorm hoch. Aus diesem Teufelskreis wieder rauszukommen, ist gar nicht so einfach. Stellen Sie sich vor, ein Politiker sitzt in der ZiB 2 und sagt: ‚Das habe ich mir so genau noch gar nicht überlegt, da muss ich mir erst Gedanken machen.' Das ist ein No-Go.
medianet: Sie betreuen Ihre Kundinnen und Kunden offensichtlich sehr persönlich, besonders auf diesem hohen Niveau. Erwarten sich Kundinnen und Kunden dann, dass Sie rund um die Uhr verfügbar sind?
Grünberger: Meine Unternehmensphilosophie ist: Ich leiste mir die besten Köpfe und die gehen dafür wirklich ins Bergwerk, inklusive mir selbst. Natürlich sieht man mich auf Fotos von hochkarätigen Veranstaltungen und Networking-Events – das gehört dazu. Was man aber nicht sieht: Wenn ein Event um 23 Uhr endet, sitze ich manchmal bis 2 Uhr in der Früh im Büro und das mache ich aus Überzeugung.
medianet: Klingt nach fast mehr als einem 24/7-Engagement?
Grünberger: Ja, ich bin für meine Kundinnen und Kunden rund um die Uhr verfügbar. Das ist manchmal schwierig, denn auch mein Tag hat nur 24 Stunden – aber das ist mein Qualitätsversprechen. Man sieht mich nicht nur bei der Vertragsunterzeichnung, sondern auch im operativen Geschäft. Wir sind jetzt fünf Gesellschafter und auch sie handeln so. Das ist meine Erwartungshaltung.
medianet: Sie halten nun 70 Prozent der Agentur und haben die letzten 19 Prozent von Wolfgang Rosam übernommen. Wie blicken Sie auf die gemeinsame Zeit mit ihm zurück?
Grünberger: Wir hatten zwölf wunderbare und erfolgreiche Jahre, auch wenn wir teilweise ganz unterschiedliche Stile hatten. Aber unternehmerisch hatten wir immer denselben Zug zum Tor, denn sich auf Erfolgen auszuruhen, war für uns nie ein Thema. Wolfgang ist seit zweieinhalb Jahren operativ nicht mehr im Unternehmen. Jetzt hat er sich auch als Gesellschafter zurückgezogen. Mit Falstaff hat er noch viel vor und mit 68 Jahren ist es legitim, sich auf ein Unternehmen zu konzentrieren.
medianet: Ihre Agentur hat nun einen neuen Namen. Stehen darüber hinaus Änderungen an, etwa bei der Gesellschaftsstruktur?
Grünberger: Der neue Name ist Grünberger und Partner, die Gesellschaftsstruktur bleibt unverändert. Ich war immer eine Teamplayerin, weil ich es sehr schätze, von meinen Partnern inspiriert zu werden. Einer dieser Partner ist seit drei Jahren Wolfgang Hesoun, der frühere CEO von Siemens Österreich.
medianet: Mit welchem Anteil?
Grünberger: Mit fünf Prozent. Er ist für mich eine enorme Bereicherung, da er bei zahlreichen internationalen Delegationen dabei ist und viel Erfahrung aus verschiedenen Märkten mitbringt, etwa aus den USA, China oder Indien. Er engagiert sich außerdem im Bereich der Industriekooperationen, einer Branche, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wir stehen in engem Austausch, befruchten uns gegenseitig mit unseren Perspektiven, und er bringt sich in die Beratung ein, wenn das für Kundinnen und Kunden relevant ist, etwa bei bilateralen Auslandsbeziehungen und Positionierungen auf Topmanagement-Ebene – insbesondere dort, wo Entscheidungen nicht in Österreich, sondern international getroffen werden. In erster Linie nimmt er jedoch eine gesellschaftsrechtliche Rolle ein.
medianet: Und die restlichen Partner?
Grünberger: Ähnliches gilt für Gerhard Jarosch, früher Staatsanwalt und Sprecher der Staatsanwältevereinigung. In der Zusammenarbeit mit ihm habe ich schon sehr viel über die Justiz gelernt und wir können stundenlang über rechtliche Sachverhalte diskutieren.
Im Bereich der Litigation-PR sind wir ein Dreamteam. Er kennt die Justiz, ich die Politik und wir beide die Medien. Die zwei meistgestellten Fragen zwischen uns: Sind die rechtlichen Argumente verständlich und halten die PR-Argumente rechtlich?
medianet: Und das restliche Führungsteam?
Grünberger: Meine beiden Geschäftsführer-Kollegen Peter Schiefer, Cathleen Völkel und ich verantworten gemeinsam die klassischen Kommunikationsbereiche von Corporate-, über Change- bis hin zu Digital-Communications. Wobei Peter Schiefer als früherer Journalist bei der Tageszeitung Die Presse und später Pressesprecher in zwei namhaften Telekommunikationsunternehmen insbesondere auch den Bereich Finanzkommunikation stark vorantreibt und einen Fokus auf Technologieunternehmen legt. Cathleen Völkel hat durch ihre langjährige Agenturerfahrung hohe Expertise in den Bereichen Handel, Tourismus und Gastronomie.
medianet: Sie reden mit Menschen auf Augenhöhe, die hunderte Millionen oder sogar Milliarden bewegen. Wie wichtig ist es für Sie, diesen Menschen auch klar zu widersprechen, wenn Sie anderer Meinung sind? Viele Agenturen scheuen sich vielleicht davor, weil sie den wichtigen Kunden nicht verlieren wollen.
Grünberger: Sehr wichtig und ich traue mir das zu, weil ich das schon in jungen Jahren gelernt habe – und zwar von Wolfgang Schüssel. Der konnte es nicht leiden, wenn ihm Leute nach dem Mund geredet haben. Er hat es geschätzt, wenn man Paroli geboten und Argumente geliefert hat. Wenn man wie ich mit 21 Jahren regelmäßig mit so jemandem in Ministerrats-Vorbesprechungen sitzt, lernt man das. Deshalb war dann auch Wolfgang Rosam für mich nie ein ‚Übervater', sondern ein Partner auf Augenhöhe. Genauso sehe ich meine Kunden heute, denn die bezahlen mich nicht dafür, dass ich ‚Ja' sage. Natürlich braucht es manchmal auch Bestärkung, besonders für das Selbstbewusstsein.
medianet: Woher weiß man, wann was gefragt ist?
Grünberger: Ich kann gut einschätzen, wann Unterstützung gefragt ist – und wann es wichtig ist, auch Kritik zu üben. Dabei ist es mir wichtig, auf allen Ebenen zu kommunizieren, auf der CEO-Ebene genauso wie auf der operativen Ebene mit Public-Affairs- oder PR-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern. Der Preis dafür ist, dass man rund um die Uhr arbeitet. Das ist zwar für meine Work-Life-Balance nicht ideal, aber ich mache es mit Leidenschaft. Denn der Erfolg von Projekten gibt mir mehr als zwei Wochen Urlaub in der Sonne.
medianet: Bleiben wir kurz bei Wolfgang Rosam: Der war oder ist jemand, der sehr exponiert und öffentlich präsent auftritt – auch in der Verteidigung seiner Kundinnen und Kunden oder in politischen Zusammenhängen. Sie sind ebenfalls sehr stark öffentlich präsent, viel mehr als viele andere in der Branche. Wie wichtig ist es für Sie, als Person die Marke seines Unternehmens nach außen zu transportieren?
Grünberger: Manchmal ist es wichtig und notwendig, sich zu exponieren, oft arbeite ich aber ausschließlich diskret im Hintergrund. Mir liegen beide Rollen, weil ich glaube, ein gutes Gespür dafür zu haben, was es braucht und was geht und was nicht. Erstens nehme ich im Fernsehen gern an politischen Diskussionen und Analysen teil, weil ich nach wie vor ein politischer Mensch bin und mir der politische Diskurs wichtig ist. Dabei nehme ich auf Parteibücher keine Rücksicht und bin mit allen kritisch, wenn es sein muss.
medianet: Und zweites?
Grünberger: Und zweitens möchte ich meinen Kundinnen und Kunden auch ein Vorbild sein – gerade für jene, die regelmäßig Medienauftritte haben. Wir bieten dazu auch Medientrainings an. Ich finde es wichtig, nicht nur theoretisch darüber zu sprechen, sondern auch zu zeigen, dass ich selbst weiß, wovon ich rede.
medianet: Kommen wir zu einem aktuellen Thema: Der sogenannte ‚Grasser-Prozess' ist nach jahrelanger Dauer nun mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossen worden – mitverurteilt wurde unter anderem auch Peter Hochegger. Er hat unter dem Titel ‚PR' Dinge gemacht, die mit klassischer PR nichts zu tun haben. Wie weh tut es Ihnen als PR-Beraterin, die versucht seriös zu arbeiten, wenn solche Fälle den Ruf der gesamten Branche beschädigen?
Grünberger: Der Ruf unserer Branche ist mir extrem wichtig. Gleichzeitig ist mir klar: Dafür braucht es einen Schulterschluss aller Agenturen. Es gibt einige Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich eng im Austausch und auch freundschaftlich verbunden bin. Es gibt aber auch welche, von denen mich einiges unterscheidet. Den Markt sehe ich grundsätzlich sportlich: Leben und leben lassen. Ich war nie jemand, der anderen etwas neidet. Wenn jemand einen Auftrag bekommt, sage ich: Chapeau, gratuliere – und streng mich doppelt an, um selbst zu überzeugen. Denn ich glaube, nicht jeder Berater passt zu jedem Unternehmer. Es muss ein Match sein – auch in Bezug auf Persönlichkeit und Werte.
medianet: Was treibt sie generell an?
Grünberger: Was mich besonders begeistert – und worin ich mich vielleicht auch von anderen unterscheide – ist, Synergien zwischen Unternehmen herzustellen. Wenn ich sehe, dass zwei Kunden an ähnlichen Themen arbeiten, bringe ich sie in Kontakt – diskret, aber mit dem Ziel, dass beide davon profitieren.
medianet: Das ist interessant. Viele Beraterinnen und Berater behalten ihr Netzwerk ja lieber für sich – aus Angst, überflüssig zu werden.
Grünberger: Das ist ein Zugang, den ich überhaupt nicht teile. Für mich funktioniert Networking immer als ein Dreieck aus Geben, Nehmen und jemandem, der profitiert – und diese Rollen wechseln ständig. Ich habe überhaupt keine Sorge, überflüssig zu werden, selbst wenn ich mein Netzwerk öffne. Im Gegenteil: Oft entstehen Gespräche, in denen mir Dinge anvertraut werden, die ich dann so übersetzen und kommunizieren soll, dass sie beim Gegenüber gut ankommen. Das inspiriert mich.
medianet: Vielleicht auch ein sehr österreichisches Phänomen – wir betreiben eher ‚Information Holding' als ‚Information Spreading'.
Grünberger: Was mich in Österreich am meisten stört – und womit ich wirklich kämpfe, weil ich so nicht bin – ist Neid. Ich bin nicht neidig, aber ich merke, wenn mir jemand etwas neidet, und damit umzugehen fällt mir schwer.
medianet: Gerade auf Ihrer Position sieht man nicht viele Frauen. Vielleicht noch Heidi Glück – aber sonst wird es schon dünn. Wie ist das für Sie? Wird Ihr Geschlecht ein Thema – oder geht es rein um Ihre Rolle als Sparringpartnerin?
Grünberger: Ich habe mir diese Frage selbst oft gestellt – auch im Zuge der Übernahme: ‚Schaffe ich das als relativ junge Frau genauso wie mein Vorgänger?' Und ja, ich habe es geschafft. Aber natürlich ist es ein männerdominiertes Geschäft. Es gibt zwar einen Generationenwechsel in vielen Unternehmen, und damit kommen auch neue Haltungen zu Geschlechterrollen. Aber selbst bei älteren Herren mit tradierten Rollenbildern bin ich nie auf Konfrontation gegangen. Mein größtes Talent ist es, Menschen dort abzuholen, wo sie stehen.
medianet: Gibt es auch einen Vorteil, den Sie als Frau in dieser Position haben?
Grünberger: Ja. Wenn ich an meine Rolle als Coach oder Sparringpartnerin denke: Männer erzählen mir mehr.
medianet: Weil Männer Sie unterschätzen?
Grünberger: Nein, weil ein gewisses Gockelgehabe wegfällt. Man muss sich nichts beweisen, sondern kommt auf eine menschlichere Ebene. Da werden dann Themen auf den Tisch gelegt, über die Männer untereinander nicht sprechen würden: Schwierigkeiten im Vorstand, Konflikte mit dem Aufsichtsrat, Herausforderungen in der Führung mit Mitarbeitenden. Das erzählen sie mir, und darauf kann ich gezielt reagieren.
Trotzdem haben es Frauen immer noch schwerer und ich mache mir auch keine Illusionen, dass sich das von heute auf morgen ändern wird. Aber wenn ich für andere Unternehmerinnen ein kleines Vorbild sein kann, dann habe ich meinen Beitrag geleistet. Und: Wir haben in Österreich keine Kultur des Scheiterns – auch das gehört dazu.
medianet: Fehlerkultur also?
Grünberger: Absolut. Wenn unternehmerische Entscheidungen nur dann getroffen würden, wenn man sich zu 100 Prozent sicher ist, dass nichts schiefgehen kann, wäre vieles gar nicht möglich. Ich bin in meinem Leben schon mehrfach zwei Schritte zurückgegangen, um dann drei nach vorne zu machen. Davor habe ich keine Angst, weil ich mir zutraue, mit meinem großartigen Team alles zu schaffen.
medianet: Wie groß ist Ihr Team insgesamt?
Grünberger: Wir sind 15 Personen. Vielleicht kleiner als andere, aber wir wollen ja auch nicht die größten sein, sondern die besten.
medianet: Auf Fotos wirkt es weiblich dominiert.
Grünberger: In der Gesellschaft sind wir fünf Partner– zwei Frauen und drei Männer. Im Beraterkreis gibt es einen leichten Frauenüberhang, was auch daran liegt, dass die Kommunikationsbranche generell eher weiblich geprägt ist.
medianet: Die Führungsebene ist aber oft noch männlich dominiert …
Grünberger: Bei uns in der operativen Geschäftsführung sind wir zu dritt: Peter Schiefer, Cathleen Völkel und ich. Zwei Frauen, ein Mann.
medianet: Lassen Sie uns zum Abschluss noch einen Blick in die Zukunft werfen: Welche Themen sehen Sie auf die Branche zukommen?
Grünberger: Ich sehe zwei große Themen: Zum einen den Einsatz von Ressourcen – also sowohl von Manpower als auch von neuen Technologien und den wirksamen Umgang damit.
medianet: Und was wäre das zweite Thema?
Grünberger: Leadership. Ich glaube an Wachstum durch gute Führung. Dabei schafft Kommunikation Klarheit.
Und gerade in Zeiten wie diesen geht es darum, mit Ressourcen sorgsam umzugehen, Fake News zu vermeiden, authentisch zu kommunizieren und den eigenen USP klar zu positionieren. Es zählt die Konzentration auf das Wesentliche – nicht das Gockelgehabe oder die Nudel in jeder Suppe.