••• Von Dinko Fejzuli
Sie dauern lange, kosten ein Vermögen und bringen, wenn sie einmal fertig sind, weniger als versprochen – so ein gängiges Vorurteil über große Infrastrukturprojekte. Für die Marketingagentur P8 liegt die Ursache dafür aber oft nicht in der Planung, sondern in der fehlenden oder zu späten Kommunikation. medianet hat mit Benjamin Rohrer, Consultant und stellvertretender Standortleiter von P8 in Innsbruck, über die Bedeutung frühzeitiger Kommunikation und den Umgang mit emotionalen Reaktionen und Unsicherheiten bei Infrastrukturprojekten gesprochen.
medianet: Herr Rohrer, betrachtet man so manche bedeutsame Infrastrukturprojekte, so scheiterten diese trotz guter Planung und politischem Rückhalt. Woran liegt das oftmals aus Ihrer Sicht?
Benjamin Rohrer: Oft liegt es nicht am Projekt, sondern an der Kommunikation. Projekte können technisch durchdacht, politisch beschlossen und wirtschaftlich sinnvoll sein – und dennoch am Widerstand der Bevölkerung scheitern. Wird die öffentliche Kommunikation zu spät geführt, kippt die Debatte und das gesamte Vorhaben.
medianet: Was passiert, wenn sich die öffentliche Debatte von den Projektinhalten entfernt und stattdessen emotionale oder gesellschaftliche Themen überwiegen?
Rohrer: Dann wird das Projekt zum Ventil für eine allgemeine gesellschaftliche Grundstimmung. Die Diskussion dreht sich nicht mehr um sachliche Inhalte, sondern um Haltungen, Protest oder ein Zeichen gegen politische Institutionen. In solchen Fällen ist die eigentliche Debatte meist schon verloren.
medianet: Warum ist der Zeitpunkt der Kommunikation so entscheidend – und was passiert, wenn man zu spät dran ist?
Rohrer: Wird Kommunikation erst begonnen, wenn der Widerstand laut wird, ist es häufig zu spät. Frühzeitige, strategisch gedachte Kommunikation ist essenziell – sie muss beginnen, wenn noch Raum für Vertrauen, Beteiligung und echte Überzeugungsarbeit besteht.
medianet: Sie sagen: ‚Kommunikation ist das Fundament jedes Projekts.' Was verstehen Sie darunter konkret?
Rohrer: Kommunikation darf nicht als Begleitmaßnahme am Ende verstanden werden, sondern muss von Anfang an ein integraler Bestandteil der Projektplanung sein. Sie schafft das Fundament für Akzeptanz und Umsetzung.
medianet: Wie unterstützt das Project Communication System (PCS) von P8 Marketing die Umsetzung von Infrastrukturprojekten?
Rohrer: PCS bietet einen systematischen Zugang zur strategischen Projektkommunikation. Ziel ist es, Konflikte zu vermeiden, Vertrauen aufzubauen und gesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen. Dadurch wird die Umsetzung von Projekten überhaupt erst möglich.
medianet: Was sind aus ihrer Sicht die zentralen Bausteine einer erfolgreichen Projektkommunikation?
Rohrer: Das PCS basiert auf fünf Bausteinen: der Projekterfolgsanalyse, dem Stakeholder-Planquadrat, der Entwicklung von Narrativen und Botschaften, einer strukturierten Kommunikationsplanung sowie der laufenden Begleitung über alle Projektphasen hinweg.
medianet: Wie läuft eine Projekterfolgsanalyse bei Ihnen ab – worauf schauen Sie besonders?
Rohrer: Am Anfang steht eine fundierte Analyse: Welche gesellschaftlichen Themen sind mit dem Projekt verknüpft? Welche kritischen Gruppen gibt es? Welche Chancen und Risiken bestehen kommunikativ? Eine gute Kommunikation beginnt nicht mit einer Broschüre, sondern mit einem ehrlichen Blick auf das Umfeld.
medianet: Wie identifizieren und priorisieren Sie Stakeholder, und warum ist dieser Schritt so wichtig?
Rohrer: Wir clustern Stakeholder systematisch in relevante Gruppen: Wer ist direkt oder indirekt betroffen? Wer hat politischen oder gesellschaftlichen Einfluss? Dazu zählen nicht nur Behörden, sondern auch NGOs, lokale Initiativen oder Einzelpersonen. Nur mit dieser Differenzierung ist zielgerichtete Kommunikation möglich.
medianet: Wie entwickelt man ein glaubwürdiges Narrativ für ein technisches Projekt – und welche Rolle spielen dabei Emotionen?
Rohrer: Ein gutes Narrativ vermittelt mehr als nur technische Informationen – es transportiert Sinn, Nutzen und Haltung. Vertrauen entsteht nicht nur aus Fakten, sondern auch aus einer Geschichte, die berührt. Die Sprache und die emotionalen Botschaften sind entscheidend für Zustimmung.
medianet: Warum ist laufende Begleitung so wichtig – und wie gehen Sie mit dynamischen Entwicklungen um?
Rohrer: Infrastrukturprojekte laufen oft über Jahre. Kommunikationsstrategien müssen deshalb regelmäßig überprüft und angepasst werden. Politische Veränderungen oder mediale Dynamiken erfordern Aufmerksamkeit und Flexibilität. Viele Informationsveranstaltungen kommen zu spät – dann ist die Debatte oft schon emotional aufgeladen. Kommunikation muss vorausdenken.
medianet: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, bei dem Ihr Ansatz in der Praxis erfolgreich war?
Rohrer: Beim Bau des Gemeinschaftskraftwerks Inn (GKI) konnte durch langjährige, transparente Kommunikation große Akzeptanz erreicht werden – trotz sensibler Eingriffe in die Umwelt. Auch bei Projekten wie den Tunnelbaustellen auf der A10 oder dem Neubau der Luegbrücke auf der A13 begleitet P8 Marketing die Asfinag bei strategischer Kommunikation und Stakeholder-Management.
medianet: Was empfehlen Sie Projektträgern, um frühzeitig für Akzeptanz zu sorgen?
Rohrer: Der öffentliche Diskurs muss frühzeitig eröffnet werden – bevor Gerüchte, Unklarheiten oder gezielte Stimmungsmache aufkommen. So kann der Informationsfluss aktiv gestaltet werden.
medianet: Wie geht man kommunikativ mit Unsicherheit und emotionalen Reaktionen um, ohne selbst emotionalisierend zu wirken?
Rohrer: Veränderungen lösen Unsicherheit aus. Diese Emotionen sollten ernst genommen, aber nicht zusätzlich befeuert werden. Wer einfühlsam, aber klar kommuniziert, kann Vertrauen aufbauen und Eskalationen vermeiden.
medianet: Wie lassen sich kritische Fragen vorausschauend erkennen und bearbeiten?
Rohrer: Viele Widerstände entstehen im Alltag – nicht auf Podien. Wer aktiv zuhört, erkennt frühzeitig, welche Themen kommunikativ oder inhaltlich bearbeitet werden müssen. Fragen dürfen nicht ausgesessen, sondern müssen antizipiert werden.
medianet: Volksbefragungen sind ein wichtiges demokratisches Mittel – wie kann gute Kommunikation helfen, dass es gar nicht erst zu einer Eskalation kommt?
Rohrer: Volksbefragungen sind demokratisch legitim. Noch besser ist es aber aus Sicht des Projektkommunikators, wenn sie nicht notwendig werden – weil entscheidende Fragen bereits im Vorfeld offen und nachvollziehbar diskutiert wurden. Kommunikation ersetzt keine Beteiligung, sie ermöglicht sie.
medianet: Wenn ein Unternehmen oder eine Behörde heute ein großes Infrastrukturprojekt plant – was würden Sie ihm raten?
Rohrer: Sprechen Sie frühzeitig über das Projekt – intern bei relevanten Stakeholdern aber auch extern in der Öffentlichkeit. Nur so kann Kommunikation vom Reaktionsmodus zur strategischen Steuerung werden. Das schafft die Grundlage dafür, dass Projekte nicht nur geplant, sondern auch tatsächlich umgesetzt werden können.
