Kritischer Blick auf Digitalisierung
© Lenzing Papier
Ernst Brunbauer
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.04.2025

Kritischer Blick auf Digitalisierung

Lenzing Papier-Geschäftsführer Ernst Brunbauer: „Die neuen Technologien bringen nicht nur Vorteile.”

LENZING. „Wir sind als Papierproduzent natürlich besonders davon betroffen, wenn sich die weit verbreitete Fehlmeinung weiter verfestigt, dass der durch die Digitalisierung mögliche Verzicht auf Papier große Vorteile für die Umwelt bringt”, betont Ernst Brunbauer, Geschäftsführer von Lenzing Papier. Die Vorteile der digitalen Technologien will er nicht in Frage stellen, hält es aber auch für wichtig, die Nachteile nicht aus dem Blick zu verlieren.

Ökologischer Faktor

So verbraucht die IKT-Branche verschiedenen Studien zufolge derzeit rund vier bis sechs Prozent des weltweit produzierten Stroms und verursacht drei Prozent der weltweiten Treib-hausgas-Emissionen. Durch den KI-Hype wird der Energiebedarf außerdem drastisch ansteigen. „Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Durch den steigenden Energiebedarf wächst die Nachfrage nach den nicht erneuerbaren Seltenen Erden. Deren verstärkter Abbau sorgt für zunehmende Umwelt- und Sozialprobleme.”

Ein Faktor, der die Nachhaltigkeit des digitalen Sektors außerdem negativ beeinflusst, ist die wachsende Menge an Elektroschrott, von dem bisher nur ein kleiner Teil durch Recycling wieder in den Rohstoffkreislauf gelangt.

Digitale Hürden

Ein anderes Problem des Digital only-Credos liegt auf gesellschaftlicher Ebene. Brunbauer verweist auf jene sozialen Gruppen, denen die Erfahrung und das Know-how bzw. die technische Ausstattung fehlen, um die digitalen Angebote nutzen zu können: „Wenn gewisse Leistungen nur mehr digital angeboten werden, führt dies, etwa bei Bankgeschäften oder Behördengängen, zwangsweise zu einer klaren Benachteiligung.”

Die Umstellung der Kommunikation von analog auf digital mit Umweltschutz zu begründen, verfängt bei den Verbrauchern übrigens nur bedingt. Laut dem Two Sides Trend Tracker Report 2023 glauben 55% der europäischen Verbraucher, dass in Wahrheit der Wunsch nach Kosteneinsparung hinter digitalen Rechnungen, Kontoauszügen etc. steht. Gut zwei Drittel der Befragten (76%) wollen die Wahl haben, ob sie Mitteilungen von Unternehmen, Dienstleistern und Behörden in elektronischer oder gedruckter Form erhalten. Demgegenüber steht das Problem der „Überdigitalisierung” bei Kindern, die zu gravierenden Begleiterscheinungen wie verminderter Konzentrationsfähigkeit oder Abnahme von Gedächtnisleistung und selektiver Informationswahrnehmung führen
Für Brunbauer ist es daher nicht überraschend, dass in Schweden – seit 2018 Vorreiter im Bereich der Digitalisierung von Lehrplänen – das gedruckte Schulbuch ein Comeback feiert. Auch in Dänemark und Norwegen sollen analoge Unterrichtsmaterialien wieder stärker in den Fokus rücken.

Papier macht Schule

„Vergleichende Untersuchungen haben dort eindeutig belegt, dass Schülerinnen und Schüler, die gedruckte Schulbücher verwenden, Zusammenhänge besser verstehen als jene, die mit digitalen Inhalten arbeiten.”

Last but not least weist Brunbauer auf das allgegenwärtige Problem der Datensicherheit hin, das durch die neuen technologischen Möglichkeiten zusätzliche Herausforderungen bringt.
Als europäischer Marktführer im Bereich Recyclingpapiere hat Lenzing Papier ein hohes Eigeninteresse, dass die Vorteile von Papier in den unterschiedlichsten Anwendungsformen weiterhin am Markt erkannt werden. Brunbauer: „Es geht uns nicht darum, Digitalisierung per se zu kritisieren. Durchaus vorhandene Vorteile sind unbestritten, der Trend unumkehrbar. Aber eine kritische Auseinandersetzung in einzelnen Bereichen ist durchaus notwendig. Und hier kann Papier nach wie vor eine wichtige Rolle spielen.” (red)

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL