••• Von Dinko Fejzuli und Petra Stückler
WIEN. Kunst und Kulturschaffende mussten während der Pandemie seit Beginn 2020 besonders leiden. Was es braucht, um trotz aller Widrigkeiten erfolgreich zu sein, haben sich Jana David-Wiedemann (Präsidentin Strategie Austria und CEO BBDO Wien) und Saskia Wallner (CEO Ketchum Publico) genau angesehen und sprechen im Interview mit medianet über den Einsatz von Strategie in der Kunst- und Kulturbranche.
medianet: Wo stehen Kunst und Kultur in dieser herausfordernden Zeit? Wie verortet sich Strategie bei Kunstschaffenden und in Kulturbetrieben?
Jana David-Wiedemann: Als Strategie Austria wollten wir uns des Gesamtthemas in Österreich annehmen. Je mehr Dinge sich verändern, ob es pandemisch, oder wirtschaftlich bedingt ist, umso wichtiger ist es, auch kommunikativ dranzubleiben. Kunst- und Kulturinstitutionen sind auch Unternehmen, jedes Unternehmen braucht eine strategische Ausrichtung, entweder zur Unternehmensführung oder für die Markenbildung, letztendlich für beides.
medianet: Wie kann strategische Kommunikation in Kunst und Kultur funktionieren?
David-Wiedemann: So wie in anderen Branchen auch. Weil die strategischen Eckpfeiler die gleichen sind – es geht immer um Ziele, es geht um Leitlinien, es geht um meine Bedeutsamkeit für Menschen, es geht um den Markt und um Differenzierung. Es geht um Perspektiven. Künstlerische Institutionen, Theater, Museen, die Oper sind Unternehmen, und Strategie braucht man überall, wo Entscheidungen getroffen werden. Die Entscheidung gibt die Richtung vor, wie es weitergehen kann – als Unternehmen, als Mensch, letztendlich mit der Gesellschaft.
Und damit wir uns in die richtige Richtung und gut entwickeln, ist die Auseinandersetzung mit Wünschen, Zielen und Werten wichtig – damit man wachsen kann, damit man sich bedeutsam und angemessen verhalten kann. Denn nur dann kann man wirkungsvoll gestalten. Das gilt für jedes Unternehmen, das gilt für jede Marke, das gilt für jeden Menschen.
Und schlussendlich braucht auch Kunst und Kultur einen Plan, an dem sie ihr Handeln ausrichten kann. Die Grundregeln der Strategie ändern sie nicht; sie haben nur andere Inhalte und einen anderen Ausgangspunkt, weil es branchenspezifisch betrachtet werden muss.
medianet: Wen kann Kunst und Kultur erreichen? Muss man alle erreichen?
Saskia Wallner: Bei diesem Thema gehen die Wogen hoch. Inwiefern muss ein Museum, eine Kulturinstitution sich für alle öffnen? Klaus Albrecht Schröder hat in der kürzlich von uns initiierten Podiumsdiskussion dazu deutlich gesagt: ‚So leid es mir tut, mir wäre es auch lieber, es wäre anders. Aber ein Museum ist keine Bildungsinstitution sondern eine Institution für Gebildete.' Er habe das schon seit Jahrzehnten bemerkt, man kann die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen, jeden interessiert etwas anderes.
Ein Museum wie die Albertina hat nicht den Reach, in alle Gesellschaftsschichten hineinzugehen, wie das durchaus wünschenswert wäre. Seine Botschaft war mehr oder weniger: ‚Das kann man nicht den Museen umhängen.' Die Politik ist eigentlich aufgefordert, für alle Gesellschaftsschichten auch andere Kultur- und Kunstangebote zu schaffen. Das ist ein hochanspruchsvolles und kontroverses Thema.
medianet: Haben Kunstschaffende und Kulturinstitutionen automatisch eine kleinere Zielgruppe?
Wallner: Es geht hier um einen riesengroßen, diversen Bereich. Hier findet jeder sein Angebot nach seinem Interesse.
Man kann für ganz Österreich, für alle Menschen oder nur in Wien etwas schaffen. Im Spannungsfeld zwischen Wiener Grätzeltheater und der internationalen Kunstszene liegen so viele Möglichkeiten. Jedes Haus, jedes Unternehmen, jede Marke sucht sich genau dort ihr Territorium, wo sie am meisten ihrer Rolle und ihrer Kraft gerecht werden kann.
Diese Differenzierung und der Fokus helfen ja, bei den Entscheidungen von innen heraus zu wissen, wofür man steht, wofür man sich entscheidet. Das hilft auch den Menschen, herauszufinden, was interessiert mich und was interessiert mich nicht. Das Schönste ist ja wohl auch für eine Institution im Kultur- und Kunstbereich, wenn Besucher höchst involviert sind. Und das ist man, je konkreter, bedeutsamer und näher etwas ist. Dazu braucht es aber auch Einzigartigkeit, inhaltlich oder formal. Jeder hat seinen eigenen Auftrag und richtet sich daran aus, einen Beitrag zu leisten, der aus dem Wunsch nach einer Zielgruppe kommt oder wofür man stehen will. Diese Entscheidung muss jeder treffen.
medianet: Strategische Kommunikation in Kunst und Kultur ist also kein Spannungsfeld, sondern jeder Kunstschaffende, jede Kulturinstitution folgt einer Strategie?
David-Wiedemann: Ich glaube, das jeder, der etwas tut, grundsätzlich ein Animo, eine Motivation hat, warum er das tun möchte. Er stellt es dann in den relevanten Kontext, weil er diese eine spezielle Zielgruppe oder eine größere Gruppe erreichen will. Ob es Einzelkünstler sind oder große Unternehmen, es arbeitet jeder grundsätzlich strategisch. Manchen ist es vielleicht bewusster, manchen unbewusster, die Orientierung nach vorne, warum ich etwas mache, ist die strategische Entscheidung, die man trifft. Man kann das natürlich operationalisieren, je komplexer eine Institution wird, je größer sie wird, je vernetzter sie wird. Im Grunde geht es darum, die Vorhaben bestmöglich zu managen.
medianet: Bedingen Strategie und Kunst und Kultur einander auch?
Wallner: Jede kulturelle Einrichtung und jede Kunstinstitution hat sicherlich eine Strategie. Strategisches Denken hat auch immer etwas mit Neudenken, Vorausdenken, inspirativ sein, mit kreativ sein zu tun. Dort entstehen auch die Verbindungslinien dieser beiden großen Themenbereiche.
Strategische Arbeit ist Offenheit, hinhören, Dinge nehmen, wie sie sind; natürlich ist es auch immer ein Hinterfragen und damit arbeiten. Das ist ein wesentlicher Grundzugang, um nach vorn zu schauen.