••• Von Dinko Fejzuli und Petra Stückler
Nach fünf erfolgreichen Jahren in der Funktion des ATV-Geschäftsführers hat Thomas Gruber im Jänner auch die Programmleitung von Puls 4 übernommen und wird damit neuer TV-Chef der beiden größten österreichischen Privat-Fernsehsender.
medianet hat den Medienmacher getroffen und mit ihm über Synergien, die unmittelbaren Pläne und die nächsten Herausforderungen gesprochen.
medianet: Herr Gruber, ein Senderchef für ATV, ATV2 und Puls 4 – wo liegen Synergien, die sich daraus ergeben?
Thomas Gruber: Mit Ende der Auflagen mit 1. Jänner können wir uns synergietechnisch viel breiter aufstellen, was Themenspektren angeht. Das ist darin begründet, weil es früher sehr viele Doppelgleisigkeiten gab, die halt regulatorisch vorgegeben waren. Zum Beispiel mussten Pressekonferenzen doppelt belegt werden. Dadurch, dass Ressourcen jetzt anders verteilt werden können in Bezug auf die Info-Redaktion, können weitere Formate produziert werden.
medianet: Wie wirkt sich das auf das Profil der einzelnen Sender aus? Wie wird sich das jetzt bemerkbar machen?
Gruber: Im klassischen Nachrichtensendungsbereich ist es jetzt möglich, dass ich die Nachrichten pro Sender viel zielgruppenspezifischer gestalten kann. Wir haben ja auf vielen Sendern News, nicht nur auf ATV, ATV2, so wie bisher, sondern auch auf Puls 4, Puls 24 und Sat1 Austria. Auf Pro7 wird es für die jüngere Zielgruppe aufbereitet werden, weil das Vorprogramm entsprechend ist.
Für Sat1 Österreich sind die Nachrichten vor allem für älteres Zielpublikum ansprechend, ATV wird sich jetzt nicht markant ändern, aber was früher nicht möglich war, nämlich ein bisschen feinzutunen, ist jetzt möglich.
Und genauso machen wir es auch bei Puls 24 und ATV2.
medianet: Wofür steht Puls 4, wofür steht ATV? Wie ist der Content auf Pro7 und Sat1 Österreich ausgerichtet und wo geht die Reise hin?
Gruber: Pro7 ist eher für die jüngere männliche Zielgruppe. ATV2 ist als Fiction- und Serien-Sender erfolgreich positioniert mit der Zielgruppe 25 bis 59. Wenn man es im Hinblick auf das Markenbild sagt, hat ATV wahrscheinlich die klarste Positionierung.
Wir haben vier Eigenproduktionstage, und der Zuseher weiß, wofür ATV steht. Man macht klassische Underdogs oder Antihelden zu Helden der Formate. Das über Jahre und es zieht sich durch. Ob das jetzt ‚Mei potschertes Leben' oder ‚Mein Gemeindebau' ist – der Zuseher weiß, welche Sprache und Tonalität er erwarten kann. Das ist auch ein Unikat, dass ATV hier eine klare Sprache hat.
medianet: Und Puls 4, wohin soll sich der Sender jetzt unter Thomas Gruber als Senderchef entwickeln?
Gruber: Bei Puls 4 entwickeln wir gerade weiter. Puls 4 ist auch bekannt gewesen für die großen Shows, ob es ‚The Masked Singer Austria' oder ‚Ninja Warrior Austria' war. Diese Formate schließen wir kategorisch nicht aus, aber es geht eher in die Richtung, dass man etwas kostengünstigere Formate produziert. Dadurch kann man letztendlich viel mehr produzieren. Mein Ansatz ist immer, das zur Verfügung stehende Budget in die Prime-Time zu investieren und vor allem in lokale österreichische Produktionen. ATV hat mit vier Eigenproduktionstagen eine ganz gute Anzahl erreicht, da sind wir schon sehr weit gekommen.
Aber bei Puls 4 werden wir auch Richtung vier Eigenproduktionstage gehen und wir wollen Österreich in den Vordergrund stellen – mehr das reale Leben, weg vom Inszenierten. Shows spielen noch immer eine Rolle, aber nicht in der Kostendimension. Bei Puls 4 begleitet man vielleicht Protagonisten, die dem Leben positiv und aktiver gegenüberstehen. Wie beispielsweise Auswandererformate, oder auch Lifestyle-Formate. Und wir werden Mitte März mit Holly Wilkinson ein Ernährungsformat starten.
medianet: Welche Gedanken spinnt man da im Hinterstübchen, wenn man solche Formate konzipiert; wie weit das dann auch tauglich ist für das Strea-ming-Publikum und vor allem für das jüngere Publikum, das ein anderes Sehverhalten hat, Welche Rolle spielt das?
Gruber: Im Vergleich zu vor zehn Jahren spielt das eine immer bedeutendere Rolle. Im Hinblick darauf, und so ehrlich muss man sein, dass der lineare TV-Konsum vor allem bei der jüngeren Generation rückläufig ist.
Wir sind noch immer ein werbefinanziertes Medium, ich brauche einen weiteren Erlösstrom, und da bietet sich unsere Streaming-Plattform Zappn an, diese Reichweitenverluste einerseits zu kompensieren und vor allem auch gewisse Umsatzverluste.
Und das gelingt uns mit den ATV-Formaten schon sehr gut. Und auch die letzte Konzeption und der Erfolg ‚Forsthaus Rampensau' ist ein gutes Beispiel, wo man sieht, das funktioniert im TV sehr gut, aber auch sehr stark im digitalen Bereich.
Natürlich muss man bei der Konzeption und bei der Evaluierung eines Formats oder von Formatideen auch berücksichtigen, ob es im Digitalbereich funktionieren kann.
medianet: Ich würde gern nochmal über Kosten und Synergien sprechen. Die Kosten steigen in vielen Bereichen. Welche Probleme verursacht dies?
Gruber: Natürlich muss man kostengünstiger produzieren. Also sind solche Formate zu wählen, die wir uns auch leisten können. Das ist die zukünftige Strategie von Puls 4, ATV fährt ja schon jahrelang in diese Richtung. Plus: Ein Erfolgskonzept von ATV ist es, dass der Content ReRun-fähig ist. Sprich, dass wir es dem Publikum noch ein weiteres Mal bieten können. Das ist vor allem im Reportage-Bereich sehr gut. Da setzt Puls 4 seit letztem Herbst auch auf Dokus, die natürlich auch eine ReRun-Fähigkeit haben, auch ein zweites Mal gespielt zu werden.
medianet: Was sind die größten Herausforderungen, falls es überhaupt welche gibt, im Rahmen der Neustrukturierung?
Gruber: Bei Puls 4 ist die größte Herausforderung, den Anteil an Eigenproduktionen zu steigern. Das ist für mich ein Wunsch: Wir wollen hier so wie bei ATV österreichischer werden und mehr lokale Eigenproduktionen haben. Aus persönlicher Sicht ist ein gewisses Zeitmanagement die Herausforderung.
medianet: Wie kann man die jüngeren Zielgruppen, die dem linearen TV den Rücken kehren, in Zukunft erreichen?
Gruber: Die Big Screen-Nutzung ist ja tatsächlich stabil geblieben über die Jahre, die Menschen sitzen ja nach wie vor dem großen Gerät.
Die Frage ist jetzt: Wie kriege ich sie eine App weiter, überspitzt formuliert, auf unsere Streaming-Plattform Zappn. Dadurch, dass wir österreichischen, lokalen Content herstellen, ist das das große Unterscheidungsmerkmal zu globalen Anbietern wie Netflix und Amazon.
Eine große Stärke von uns ist auch der Infobereich.
medianet: Etwas, womit viele Branchen derzeit kämpfen, ist der Nachwuchs, bzw. qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Wie geht es Ihnen damit?
Gruber: Da geht es uns momentan nicht anders als anderen Firmen. Weil natürlich die Pandemie dazu beigetragen hat, dass viele Leute sich anders orientieren.
Der Medienbereich ist natürlich im Vergleich zu anderen Branchen spannend, weil es viele Entwicklungsmöglichkeiten gibt, wie bei unserem Streamingprodukt Zappn.
Wo wir aber als Sender aktiv werden müssen, ist im Gestalterbereich. Da müssen wir junge Talente gemeinsam mit den Produzenten fördern. Da gibt es irrsinnigen Nachholbedarf.