WIEN. Politik und Medien pflegen in Österreich eine „ungesunde Beziehung”, geprägt von Abhängigkeit und Abneigung, hat die Neue Zürcher Zeitung angesichts der Ermittlungen zu Inseratenkorruption bei ÖVP und der Mediengruppe „Österreich” festgestellt.
Mehr Transparenz
Tatsächlich sei die Nähe zwischen Medien und Politik hierzulande besonders ausgeprägt, bestätigen Daniela Kraus vom Presseclub Concordia und Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien. Die ökonomische Krise der Medien verstärke das noch.
„Würden wir alles öffentliche Geld aus Inseraten und Förderungen aus dem Markt ziehen, würde ein großer Teil der österreichischen Medienunternehmen mit deutlich roten Zahlen bilanzieren. Das ist natürlich kein gesunder Zustand”, betont Medienhaus Wien-Geschäftsführer Kaltenbrunner. Es gebe zwar die staatliche Aufgabe, Information weiterzugeben. Kaltenbrunners Ansicht nach gehörten allerdings die (zuletzt massiv gestiegenen) Inseratenbudgets deutlich gekürzt und mit transparenten Regeln versehen; gleichzeitig müsse die Medienförderung deutlich erhöht und ebenfalls an klare Kriterien geknüpft werden.
Für Concordia-Generalsekretärin Kraus ist klar, dass Geldflüsse in dieser Höhe Abhängigkeiten herstellen. In den Redaktionen seien sehr viele sehr redliche Journalistinnen und Journalisten tätig, die im Sinne einer Trennung von Geldflüssen und Berichterstattung professionell arbeiten.
„Schleißige Handhabung”
Kraus weiter: „Die Verantwortung liegt da ganz klar bei den Medieneigentümern und den Chefredaktionen, dafür zu sorgen, dass solche Vermischungen nicht stattfinden.” Auch die Medienpolitik nimmt Kraus in die Pflicht: „Das strukturelle Grundproblem ist, dass die Vergabe öffentlicher Gelder sehr schleißig gehandhabt wird.” Dazu kommt für sie in Österreich noch ein weiteres Problem: Die Konzentration von Medien- und Politbranche auf sehr engem Raum mache Distanz schwierig.
Die aktuellen Vorwürfe zu möglicherweise gekaufter Berichterstattung in der Mediengruppe „Österreich” ist für Kraus dennoch ein Spezialfall. „Egal ob das zu einer Verurteilung führt oder nicht, man sieht, dass hier ein sehr legerer Umgang gepflogen wird, und die Vermutung liegt nahe, dass man dort tatsächlich etwas Redaktionelles bestellen kann.” Der Grund dafür ist für Kaltenbrunner „ganz banal”: Bei einer Gratis-Tageszeitung sei die Abhängigkeit von Inseraten sehr viel größer.
Politische Unbildung
Gegen einen Generalverdacht gegen die Medienhäuser wehrt sich Kraus jedoch: „Vom Grundprinzip bekommt man für ein Inserat ein Inserat.”
Dass der nunmehrige Ex-Kanzler Sebastian Kurz („Ich hoffe sehr, dass es eine Gegenleistung gab, nämlich Berichterstattung und ein Inserat”) oder auch ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka („Fürs Inserat gibt’s ein Gegengeschäft, natürlich”) hier von der möglichen Praxis in einem Medienhaus auf alle schließen, halte sie schlicht für „demokratiepolitische Unbildung”. „Da besteht gar kein Bewusstsein, dass das falsch ist. Und wenn Politik mit dieser Haltung an die Medien herantritt, macht es das natürlich schon schwierig.”
Inserate als Gegenleistung
In anderen Medienhäusern sei es jedenfalls keineswegs Praxis, dass man sich eine Geschichte oder Umfragen bestellt, betont Kraus. Auch im Verein der Chefredakteure hatten diese Aussagen für massive Verstimmungen gesorgt. Es sei eine Irrmeinung, dass es für Inserate Gegenleistung in Form von redaktioneller Berichterstattung gebe.
Ein Spezifikum der ÖVP sei der Versuch, Medienberichterstattung finanziell zu beeinflussen, übrigens „leider” nicht, so Kraus. „In Österreich steckt das tief in den Köpfen der Politiker, dass man sich doch irgendwie Wohlwollen kaufen kann, wenn man Medien insbesondere Geld gibt”, glaubt auch Kaltenbrunner. Die Volkspartei hat diese Haltung nach Kraus’ Ansicht allerdings im Rahmen ihrer Medienpolitik der vergangenen beiden Regierungen auf die Spitze getrieben – mit mehr Geld, noch direkteren Interventionen und einer Aufstockung der Medienabteilungen. Diesen stehen gleichzeitig immer kleinere Redaktionen gegenüber. Und dieses zunehmende Missverhältnis von immer kleineren Redaktionen und wachsenden Kommunikationsabteilungen, die ihre Geschichten unterbringen wollen, biete auch viel subtilere Möglichkeiten der Manipulation, so Kraus. (APA/red)