Neue Wege in der  Zielgruppenansprache
© Energie AG/Mathias Lauringer
Karin Strobl
MARKETING & MEDIA Redaktion 14.11.2025

Neue Wege in der Zielgruppenansprache

Karin Strobl, Energie AG, über die erfolgreiche Kampagne zur Einführung eines eigenen Stromtarifs für Junge.

Die Energie AG hat als erster Energieversorger im deutschsprachigen Raum einen Stromtarif speziell für 18- bis 28-Jährige eingeführt und die ersten Wochen fallen noch besser aus als geplant. „Wir haben jetzt schon jenes Pensum erreicht, das wir erst bis Jahresende eingeplant hatten“, sagt Karin Strobl, Leiterin Konzern- und Marketingkommunikation.

Leichtigkeit und Humor
Der Tarif „Feel Good Energie“ kostet national 12 Cent pro Kilowattstunde und ist der Kern einer Kampagne – konzipiert und umgesetzt von Studio Sonntag, die bewusst mit Leichtigkeit und Humor arbeitet: Singende Steckdosen performen „Feeling Good“, in Kurz- und Langfassungen für unterschiedliche Zielgruppen. Der Weg dorthin begann mit einer simplen Frage im eigenen Kommunikationsteam: Warum gibt es – anders als bei Banken oder Versicherungen – eigentlich keinen Jugendtarif bei Strom? Eine Marktrecherche ergab: Es gibt kein vergleichbares Angebot. Parallel ließ die Energie AG österreichweit Fokusgruppen durchführen. „Wir haben eine sehr anspruchsvolle, problembewusste Generation erlebt, deren Alltag von Krieg, Klimakrise und Desinformation überlagert ist“, so Strobl.

Nachdenkliche Zielgruppe
Erschütternd sei, als ein Beispiel, auch gewesen, „dass junge Männer offen sagen, sie fürchten, in ihrem Leben noch einmal in den Krieg ziehen zu müssen“. Gleichzeitig verbringen viele Junge täglich acht bis zehn Stunden auf Social Media. Aus dieser Gemengelage habe man zwei Schlüsse gezogen: faire Preise für eine Zielgruppe mit wenig Einkommen und eine Tonalität, die spürbar Leichtigkeit zurückgibt.

Die Preisdebatte, gerade wenn es um Energiepreise als Kostentreiber geht, adressiert Strobl sachlich und mit Fakten. Der Eindruck, Energie sei Haupttreiber der Teuerung, greife zu kurz. „Der vom Energieversorger verrechnete Energiepreis ist nur ein Drittel der Gesamtrechnung; Netzgebühren sowie Abgaben und Steuern legt der Staat fest.“
Diesen reinen Energiepreis habe die Energie AG „in den vergangenen zwei Jahren viermal gesenkt“. Vor der Krise habe man bei neun Cent gelegen, zwischenzeitlich bei rund 32 Cent, aktuell bei etwa 14 Cent pro Kilowattstunde. Für die Gen Z sind es sogar nur 12 Cent. Dass Rechnungen dennoch höher wirken, hänge auch daran, „dass staatliche Entlastungen ausgelaufen sind und Netzgebühren erhöht wurden“.

Kreativ wählte man bewusst keinen prominenten Werbeträger. Es gab Überlegungen, „aber das hätte das Budget gesprengt“. Ausschlaggebend sei der Song gewesen: „‚Feeling Good‘ passt thematisch zu Erneuerbaren – ‚New day, new dawn‘ – und ist in der Zielgruppe präsent.“ Die „singenden Steckdosen“ böten zudem Wiederverwendung für kommende Produktwelten wie Wallboxen.

Vielschichtige Strategie
Für die Elterngeneration gibt es einen 45-Sekünder, für die Gen Z kürzere, stärker auf den Tarif getrimmte Assets. Im Bewegtbild arbeitet die Energie AG klassisch mit real gedrehten Szenen; im Print- und OOH-Bereich setzt sie – ungewöhnlich offen – auf KI-Visuals. „Wir haben viel ausprobiert und die Motive anschließend grafisch so verfeinert, dass sie menschlich wirken. Es ging um einen Moment völliger Unbeschwertheit“, sagt Strobl über die Figuren „Pixie“, „Maurice“ und „Kai“. Eine Kennzeichnung sei rechtlich nicht erforderlich gewesen.

Einfache Customer Journey
Medial wurde national gedacht und dort verdichtet, wo junge Menschen sind: Unis, FHs, Hotspots in Wien, Graz und anderen großen Städten – mit Social Assets, OOH und einer unerwartet starken Radio-Komponente. „Radio war in unseren Messungen einer der stärksten Kanäle – auch wegen der Pendelzeiten. Der Spot mit dem Begriff ‚slay‘ wurde zum generationsübergreifenden Gesprächsthema.“ Abschlüsse laufen digital, die gesamte Customer Journey ist bewusst einfach gehalten, soweit es das regulierte Umfeld zulässt. „Wir arbeiten innerhalb der Vorgaben der E-Control. Die Kunst ist, alles rechtlich korrekt und trotzdem verständlich zu formulieren.“ Für die ersten 300 Neuabschlüsse gab es einen „Weekender“ samt persönlicher Karte; auf der Hotline bietet eine eigene „Du-Linie“ gezielt Ansprache auf Augenhöhe.

Strategisch zahlt „Feel Good Energie“ auf die Neuausrichtung der Energie AG seit 2023 ein. Mit dem neuen CEO Leonhard Schitter wurde der neue Nordstern „klimaneutral und unabhängig bis 2035“ definiert; der Marken-Purpose lautet „Wir erschaffen eine fossilfreie Zukunft für unsere Kinder“. Der neue Claim „Energie. Aber Gut.“ bringt die Haltung auf den Punkt. „Wenn viele auf die Branche schimpfen, zeigen wir, was sich tatsächlich verändert – im Unternehmen und im Auftritt“, sagt Strobl. Der Fokus auf die Gen Z sei folgerichtig: „Das ist oft der erste Stromvertrag, die erste Wohnung, die erste WG. Wir wollen von Beginn an eine langfristige Partnerschaft aufbauen.“

Sorge vor Kannibalisierung im Kernmarkt habe man adressiert, betont Strobl. „Es ist ein eigener Tarif, keine Rabattierung. Die Verlagerung aus bestehenden Produkten blieb überschaubar.“ Zugleich zeige die Nutzung des Online-Tarifrechners, wie preisbewusst die Zielgruppe entscheidet: „Mehr als die Hälfte hat nach dem Rechnen abgeschlossen, das ist eine sehr gute Quote.“

Die nächsten Pläne
Wie geht es weiter? Die Kampagne läuft bis Jahresende in Wellen, Retargeting wird jetzt hochgefahren. Ein zweiter Flight im ersten Halbjahr ist möglich, abhängig von den Ergebnissen; über eine Erweiterung des Angebots will Strobl aus Wettbewerbsgründen nicht spekulieren. Sicher ist für sie nur eines: „Zuhören wird belohnt. ‚Feel Good Energie‘ verbindet Purpose, Produkt und Emotion und gibt jungen Menschen ein Stück Leichtigkeit zurück.“

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