„Ohne Frauen geht’s nicht“
© Sabine Hauswirth
Kristin Hanusch-Linser
MARKETING & MEDIA Redaktion 30.08.2024

„Ohne Frauen geht’s nicht“

Die Kommunikationsexpertin Kristin Hanusch-Linser über aktuelle Chancen und Risiken für Frauen im Berufsleben und die Notwendigkeit der Plattform Sheconomy.

Seit mehr als 35 Jahren arbeitet Kristin Hanusch-Linser in kommunikationsintensiven Change-Prozessen und verantwortete dabei unter anderem den ÖBB-Imagewandel, die Fusion der Regionalmedien oder die Digitalisierung der Verlagsgruppe Manz. Sie ist Präsidentin der IAA, Lektorin an der WU Executive Academy und Gründungsmitglied des Uni-Lehrgangs für Informations- und Medienrecht an der juridischen Fakultät Wien. Nun hat sich ihr Portfolio um eine weitere Rolle vergrößert: Seit Kurzem ist Hanusch-Linser Geschäftsführende Gesellschafterin und Herausgeberin bei Sheconomy Media. Im medianet-Interview erzählt sie, was sie zu diesem Schritt bewogen hat und warum eine Plattform wie Sheconomy immer noch notwendig und wichtig ist.

medianet: Wie kam es dazu, dass Sie sich bei Sheconomy eingekauft haben?
Kristin Hanusch-Linser: Als Change und Transformations-expertin wurde ich von den Eigentümern gefragt, ob ich mir die Weiterentwicklung von Sheconomy vom Start-up zur Medienplattform vorstellen könnte. Bei Sheconomy habe ich ein klares Zukunftsbild vor Augen und spüre Thema, Menschen und das Momentum. Mir persönlich liegen Krise, Übergang und Veränderung. Ich sehe darin Spannung, Energie und Chancen.
Wir befinden uns gerade im Übergang von Industriegesellschaft zur Netzwerkökonomie. Da haben Frauen besonders viele Chancen, weil sie die Regeln des Netzwerks besser beherrschen als jene der Hierarchie. Frauen haben zum Bespiel höhere kollaborative Fähigkeiten, die besonders in Krisenzeiten systemrelevant sind und in einer digital vernetzten Welt stabilisierend wirken können. Wir nutzen diese Fähigkeiten nur noch nicht optimal: Warum wohl ist TikTok weiblich und LinkedIn männlich?

medianet: Was war denn die Motivation, sich bei Sheconomy einzukaufen?
Hanusch-Linser: Ich kann es mir leisten, Nein zu sagen und ich will schneller werden. Eine persönliche Beteiligung ist auch mit Risiko verbunden und somit ein sehr starkes Commitment. Für gutes Geld, Ruhm und Ehre habe ich lange genug meine Energie investiert.
Jetzt geht es auch um Emotion und Engagement für das Richtige und mir Wichtige. Wichtig ist mir das Thema ‚Female Engagement und Diversity‘. Wir, damit meine ich Frauen und alle innovativen Männer, haben nicht sehr viel Zeit, das historische Momentum der Transformation positiv zu nutzen. Da draußen baut sich gerade eine Welle retrograder Ansichten auf, die uns Frauen sehr schaden. Wenn der orangefarbene Mann mit schlechten Manieren in den USA gerade zum Rolemodel für den politischen Wandel wird, müssen wir uns sehr, sehr ernsthaft sorgen machen um uns, unsere Töchter und Enkeltöchter.

medianet: In welche Richtung soll sich die Plattform und das Magazin entwickeln? Haben Sie da Ideen und Ziele?
Hanusch-Linser: Sheconomy ist ein einzigartiges mediales Phänomen, das seiner Zeit voraus ist. Hermann Sporrer als Geschäftsführer Verkauf und Michaela Ernst als Chefredakteurin haben bei der Gründung schon einen richtigen Riecher für die wirtschaftliche Dimension von Diversity und Female Empowerment gehabt. Das erklärt auch den Reichweitenerfolg und die Nachfrage von Kooperationen mit Unternehmen, die auf das Thema setzen. Das Zauberwort heißt ‚Employer Branding‘ und in dieser Disziplin ist das Team wirklich gut.

In meinem Metier – der Kommunikation – ist Kontextualisierung das wichtigste Arbeitsinstrument überhaupt. Wir schauen auf Variablen und Dynamiken der Veränderung. Dabei entschlüsseln wir Muster und erkennen mentale Modelle, die Menschen bewegen. Wenn wir von den falschen Mustern ausgehen, kommt die Botschaft nicht an, das Produkt wird nicht gekauft …

Die Muster verändern sich gerade und die mentalen Modelle mit ihnen. So sehen wir eine gewisse Diversity-Erschöpfung bei den Unternehmen. Die Wokeness-Debatte hat ihren Zenit längst erreicht, und Gender-Equality überfordert den Arbeitsmarkt. Was also tun, damit wir weiterhin am Thema bleiben? In der Aufbauphase ging es sehr stark um die Themen Empowerment und Vernetzung.

In Zukunft wird es mehr um Impact und Engagement gehen. Also von Female Empowerment zu Female Engagement. Damit meine ich mehr ‚Wir‘ als ‚Ich‘ und mehr Kraft und Wirkung.

medianet: Warum ist diese Plattform und das Magazin überhaupt wichtig und notwendig?
Hanusch-Linser: Sheconomy hat eine riesige Community von großartigen Frauen und Role Models aufgebaut. In Zukunft geht es darum, die Vernetzung und den wirtschaftlichen Impact zu gestalten. Frauen sind schlichtweg der Wirtschaftsfaktor der Zukunft. Ohne den ‚Faktor Frau‘ wird es keine Transformation geben. Frauen sind konjunkturbestimmend. Ohne Frauen bricht der Konsum ein, ist der Arbeitsmarkt tot, funktioniert der Generationenwandel nicht und kollabiert das Pensionssystem. Mich wundert im Übrigen sehr, dass diese Themen im Wahlkampf von keiner Partei aufgegriffen werden.

medianet: Sie haben geschrieben, Sie sehen heute mehr Chancen für junge Frauen im beruflichen Kontext, aber auch mehr Gefahren – inwiefern?
Hanusch-Linser: Die Konjunktur ist hervorragend für junge Frauen. Sie sind bestens ausgebildet und treffen auf einen ausgetrockneten Arbeitsmarkt, der sie braucht und will. Sie müssen auch nicht mehr so hart kämpfen wie wir Frauen aus dem vorherigen Jahrhundert. Wir hatten damals keine Role Models und haben uns bei den Männern abschauen müssen, wie es geht, um in der Wirtschaft zu überleben – nicht immer zu unserem Vorteil. Die gläserne Decke gab es wirklich und sie war sehr dick. Die neuen Gefahren sind ganz andere: Die Verstrickung in einer ultrasensitiven Wokeness-Debatte und Cancel-Culture-Wachsamkeit richtet sich in Wahrheit gegen uns Frauen. Während wir uns im Arbeitsalltag mit Sternchen, Binnen-i und genderneutralen Toiletten auseinandersetzen, übersehen wir leicht, dass währenddessen an anderer Stelle ganz ungeniert althergebrachte männliche Machtstrukturen wiedererstarken. Anders gesagt: Der Regenbogen ist wunderbar und wichtig, aber er überstrahlt auch, dass wir Gender Equality noch lange nicht erreicht haben. Das macht mir große Sorgen.

medianet: Wenn Sie mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung zurückblicken – über welchen Rat wären Sie als junge Frau dankbar gewesen?
Hanusch-Linser: Nicht zu viel warten, fragen, absichern, sondern machen, entscheiden, riskieren. Chefs lieben Mitarbeiterinnen, die ihnen die Arbeit abnehmen. Chef sein, heißt in erster Linie Entscheidungen treffen. Wenn wir Mitarbeiterinnen haben, die uns dabei unterstützen, gute Entscheidungen zu treffen oder sie uns sogar abnehmen, macht uns das effektiver und besser.

Und vor allem: verstehen, wie Verhaltensökonomie funktioniert. Ein paar Regeln sollte man kennen und beherrschen: etwa Signale und Codes verstehen. Wir senden alle Signale, und Frauen ganz besonders, zum Beispiel über Verhalten, Stimme und Stil. Wenn wir da mehr verstehen, gäbe es auch weit weniger Bedarf an Woker-Abgrenzung und Aufklärung. Was ich Frauen auch rate, ist, Energieräuber schnell zu erkennen und davon fernzuhalten. Narzissten und selbstverliebte Zeiträuber schaffen es oft bis in die Chefetagen. Und viele ‚tüchtige und fleißige Bienen‘ werden dann mit Honig angelockt. Achtung Frauen, da wird nichts draus! Fleiß hat einen hohen Preis: Man bleibt picken, weiter kommt man dadurch aber nicht. (esch)

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