••• Von Dinko Fejzuli
Während die Werbewirtschaft nach Effizienz und Transparenz strebt, fließt ein wachsender Teil der heimischen Werbegelder an internationale Online-Plattformen – mit ungewissem Ergebnis. Walter Zinggl, Geschäftsführer der IP Österreich, mahnt: Ein nicht unbedeutender Anteil dieser Investitionen werde womöglich von der Zielgruppe gar nicht wahrgenommen – etwa weil er von Bots gesehen oder auf unseriösen Seiten wie Pornoplattformen ausgespielt wird.
Unerfreuliche Entwicklung
Ein Blick auf die Steuereinnahmen des Finanzministeriums illustriert diese Entwicklung deutlich: Die Einnahmen aus der Digitalsteuer, die sehr große Online-Plattformen mit fünf Prozent auf ihre Werbeumsätze betrifft, steigen seit ihrer Einführung im März 2020 stetig an. Im Jahr 2024 verzeichnete das BMF Einnahmen in Höhe von 124,1 Mio. € – ein Plus von 20% gegenüber 2023 (103,3 Mio. €). Diese Summe lässt auf ein geschätztes Bruttowerbevolumen von rund 2,48 Mrd. € schließen, das in diesem Jahr an internationale Plattformen abgeflossen ist.
Digitalsteuer vs. Werbeabgabe
Auch in den Vorjahren war die Dynamik deutlich: Von 2021 (80,3 Mio. €) auf 2022 (96,2 Mio. €) stieg die Digitalsteuer um ebenfalls 20%. Einzige Ausnahme war das Jahr 2023, in dem das Wachstum mit 7,4% (103,3 Mio. €) etwas moderater ausfiel.
Im direkten Vergleich dazu zeigt sich bei der klassischen Werbeabgabe – die auf traditionelle Medien wie Print, TV oder Radio entfällt – ein gegenläufiger Trend. Lagen die Einnahmen daraus im Jahr 2020 noch bei 93,6 Mio. € und damit mehr also doppelt so hoch wie jene aus der Digitalsteuer mit 43 Mio. €, stieg sie im Jahr 2021 auf immerhin 101 Mio. €, doch die Digitalsteuer robbte sich mit 80,3 Mio. € heran und hatte sich allein zwischen 2020 und 2021 damit fast verdoppelt.
Seit dem stiegen die Einnahmen aus der Digitalsteuer weiter deutlich an und lagen laut Finanzministerium in 2024 bei 124 Mio. €, während die Werbeabgabe auf 97,7 Mio. € kam.
Damit kommt im Jahr 2024 das Bruttowerbevolumen im klassischen Bereich, auf das die Werbeabgabe erhoben wurde, auf rund 1,95 Mrd. €. Dem gegenüber steht ein deutlich höheres digitales Bruttowerbevolumen von etwa 2,48 Mrd. €, das über internationale Online-Plattformen abgewickelt wurde und der Digitalsteuer unterlag. Die Zahlen deuten auf eine weitere Verschiebung der Werbegelder hin – weg von regulierten nationalen Medien und hin zu globalen Tech-Konzernen.
Welche Risiken damit verbunden sind und welche Verantwortung die Branche und die Politik übernehmen müssten, erläutert Walter Zinggl im ausführlichen medianet-Interview.
medianet: Herr Zinggl, Sie gelten als einer der Mahner der Branche gegen Ad Fraud – also die absichtliche Manipulation digitaler Werbemetriken wie Impressions, Clicks oder Conversions. Das Phänomen ist mittlerweile von zahlreichen Studien belegt. Warum schalten dann viele Unternehmen immer noch bei Plattformen, die kein sicheres Werbeumfeld bieten und mutmaßlich Ad Fraud betreiben, Werbungen?
Walter Zinggl: Aus meiner Sicht spielen hier zwei Faktoren eine Rolle: Das eine ist, dass häufig der Preis als wichtigster und einziger Parameter bei der Auftragsvergabe gesehen wird, gerade im programmatischen Bereich. Denn ob eine Kampagne für ein Produkt, dass sich zum Beispiel an die Zielgruppe der 10- bis 14-Jährigen richtet, auf einer Seite ausgespielt wird, auf der keine jugendfreien Inhalte veröffentlicht werden, ist den ‚Maschinen' bei der programmatischen Buchung egal, solange der Preis stimmt.
medianet: Und was noch?
Zinggl: Der zweite Faktor ist, dass digitale Plattformen wie Google oder Facebook nie oder nur in den seltensten Fällen von unabhängigen Stellen geprüfte Reportings an Auftraggeber ausliefern. Dadurch wird verschleiert, dass es auf diesen Plattformen kein kuratiertes Werbeumfeld gibt und sie sich nicht an rechtliche Rahmenbedingungen, die in der Europäischen Union oder in Österreich für Medien gelten, halten.
medianet: Digitale Plattformen argumentieren hier dagegen und sagen, sie seien keine Medien, weil sie nicht in den Content eingreifen würden, sondern nur der Ausspielungskanal seien.
Zinggl: Das Argument gilt aus meiner Sicht nicht, denn schon die Algorithmen, die auf den Plattformen zum Einsatz kommen und aufgrund des Verhaltens und der Verweildauer ähnliche Inhalte vorschlagen, sind per se nichts anderes als Eingriffe in den Content der Plattformen.
Was Hoffnung schafft ist, dass die Europäische Union mit dem Digital Service Act richtig erkannt hat, dass es spezifische Regelungen für diese Plattformen braucht.
medianet: Sind aber nicht vor allem die Auftraggeber verantwortlich für die aktuelle Situation?
Zinggl: Natürlich, denn die Werbetreibenden sind letztlich dafür verantwortlich, wo ihre Werbebotschaft auftaucht. Viele große und auch kleine Unternehmen haben in ihren Unternehmenszielen gesellschaftliche Verantwortung festgeschrieben. Sie sollten konsequenterweise auch dafür stehen, was sie sagen.
medianet: Sehen Sie eine Chance, dass sich die Situation in naher Zukunft verbessern kann?
Zinggl: Ich glaube, die einzige Hoffnung die wir haben, sind die Konsumentinnen und Konsumenten. Denn die auftraggebenden Unternehmen sind zwar für ihre Botschaften verantwortlich, aber schauen im Endeffekt nur auf die Zahlen. Erst wenn die Konsumentinnen und Konsumenten ihre Macht nützen und ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht mehr nachfragen, kann bei den Werbetreibenden ein Umdenken stattfinden.
medianet: Können denn Werbetreibende in Österreich heutzutage überhaupt noch eine wirksame Kampagne schalten, ohne auf Online-Plattformen wie Google oder Facebook angewiesen zu sein?
Zinggl: Durch einen klugen Media Mix geht das sehr wohl. Wir wissen durch unsere Marktforschung, dass Fernsehen in Österreich genügend Reichweite für wirksame Kampagnen bietet. Das Problem ist, dass die Verantwortlichen für Mediabudgets mittlerweile schon in einer ‚Facebook- oder Google-Welt' groß geworden sind und eine Fernseh-, Print- oder Hörfunkkampagne in Österreich daher gar nicht mehr in Betracht ziehen.
medianet: Sie sind lange genug im Geschäft um Entwicklungen einschätzen zu können. Was hat sich denn aus Ihrer Sicht auch positiv verändert?
Zinggl: Das Positive ist, dass unsere Medienlandschaft wesentlich vielfältiger und bunter geworden ist, und, aus Sicht der Werbetreibenden, für unterschiedliche Aufgabenstellungen passendere Ausspielungskanäle als früher zur Verfügung stehen.
medianet: Streaming bringt die Menschen wieder weg von den mobilen Endgeräten hin zum großen Bildschirm. Ist das eine Chance, die klassische Fernsehanbieter nutzen können?
Zinggl: Selbstverständlich, denn Streaming-Anbieter wie Netflix, Paramount oder Disney Plus produzieren qualitativen Content, für den Menschen bereit sind zu zahlen – und sitzen damit im selben Boot wie klassische Fernsehanbieter. Es muss nur sichergestellt werden, dass die Streaming-Anbieter ihre Nutzungszahlen nicht selber ausschmücken, sondern dass die von unabhängigen Stellen geprüft werden. Ich bin diesbezüglich aber optimistisch und stelle mir eine Medienwelt, in der dieser Schulterschluss stattfindet, sehr positiv vor.
