„So etwas Traditionsreiches wirft man nicht einfach weg”
© Martina Berger
MARKETING & MEDIA Redaktion 01.03.2024

„So etwas Traditionsreiches wirft man nicht einfach weg”

auto touring-Chefredakteur Peter Pisecker über ein Magazin im Wandel und warum man den Begriff „auto” nicht aus dem Titel streichen sollte.

••• Von Dinko Fejzuli

Mit fast zwei Mio. Exemplaren gehört der auto touring zu jener Gattung von Magazinen, die man früher „Reichweitenbomber” genannt hat. Viele gibt es nicht mehr davon und einem, dem Mitgliedermagazin des ÖAMTC, dem auto touring, steht Peter Pisecker seit gut 19 Jahren als Chefredakteur redaktionell vor, verabschiedet sich aber in Kürze in den wohlverdienten Ruhestand und übergibt an die nächste Generation. Zum Abschied bat medianet Pisecker noch um einige Antworten.


medianet:
Herr Pisecker, beim auto touring kommt es zu einem Wechsel in der Chefredaktion: Sie gehen von Bord, ein Neuer kommt. Rückblickend: In welcher Situation haben sie autotouring übernommen und wie übergeben Sie es nun?
Peter Pisecker: Als ich Anfang 2005 die Chefredaktion des auto touring übernommen habe, hatte er eine Druckauflage von rund 1,3 Millionen und war von der Aufmachung her recht altvaterisch. Es galt, daraus ein zeitgemäßes, attraktives Magazin zu machen. Das hat etwas gedauert, erste Konzepte wurden nicht angenommen, aber 2011 haben wir ein neues, moderneres Layout entwickelt, zudem das ganze Magazin neu ‚vom Mitglied her' gedacht und den Heftablauf gestrafft – ein großer Relaunch, erstmals erschienen mit der Jänner-Ausgabe 2012. Das ist nun auch schon wieder elf Jahre her, deshalb bringen wir im Mai eine Überarbeitung, einen Soft Relaunch, der unter der Federführung meines Nachfolgers Stephan Strzyzowski entsteht bzw. großteils schon steht.

medianet:
Ihr Medium ist etwas, was es heute in der Printlandschaft nicht mehr so oft gibt – ein sogenannter Reichweitenbomber. Wie erklären Sie den Erfolg beim auto touring, siehe etwa die Media Analyse-Zahlen. Der Umstand allein, dass es ein Gratis-Mitgliedermagazin einer mitgliederstarken Organisation ist, kann es ja nicht sein …
Pisecker: Nein, ist es auch nicht. Es liegt schon auch an den Themen. Mobilität ist etwas, das jeden und jede betrifft, und alles, was im auto touring steht und worüber wir berichten, hat mit Mobilität zu tun. Und nicht nur mit Autos, wie viele annehmen. Reisen ist Mobilität, Radfahren ist Mobilität, die Fliegerei, Seefahrt, Eisenbahn, Raumfahrt, all das hat mit Mobilität zu tun, das Autofahren auch, aber genauso auch das Zufußgehen.

Und was wir unseren Leserinnen und Lesern bieten wollen, ist quasi eine Grundinformation zu allem, was damit zu tun hat. Das kommt offenbar gut an, weil wir dadurch nah an deren alltäglichen Lebensumständen sind.


medianet:
Stichwort Mitgliedermedium – wo liegt für Sie der Unterscheid zu einem ‚normalen' Publikumsmagazin?
Pisecker: Ganz klar – ein ‚normales Publikumsmagazin' muss sich verkaufen, hat kommerzielle Interessen. Der auto touring ist im wahrsten Sinne des Wortes unabhängig, und zwar wirklich und vollständig, denn der ÖAMTC ist niemandem verpflichtet außer seinen Mitgliedern. Es gibt daher weder eine politische noch sonst irgendeine mögliche Einflussnahme auf die Inhalte des Magazins. Wir können auch Testergebnisse veröffentlichen, die den Herstellern nicht so recht sind, weil auch die Tests neutral und unbeeinflusst ablaufen. Und wie wir sehen, wird das respektiert.

medianet:
In den letzten Jahren wurde die digitale Schiene stark ausgebaut. Welche Rolle nehmen diese Kanäle redaktionell mittlerweile ein?
Pisecker: Eine immer größere. Erste ‚Gehversuche' mit einer auto touring-App haben wir nach einiger Zeit wieder bleiben lassen, aber heute ist die Redaktion für zwei Publikationen verantwortlich: für den Print-auto touring, der monatlich zu den Mitgliedern ins Haus geliefert wird, und das Online-Magazin gleichen Namens, in dem wir alle zwei bis drei Tage neue Geschichten veröffentlichen. Das ist keine 1:1-Entsprechung des gedruckten Hefts – manche Stories gibt’s nur online, manche nur auf Papier.

Für alle, die es interessiert: Ganz unten auf unserer Internetseite findet sich immer auch ein ePaper der aktuellen und früherer Ausgaben bis 2011 zurück.
Auch ‚auto touring online' wird überarbeitet werden, wird in höherer Frequenz neue interessante Artikel bringen, und zudem sind wir auf Instagram sehr aktiv und werden auch dort noch aktiver werden.

 

medianet: Eine Frage noch zum Titel – wie zeitgemäß ist der Begriff ‚auto' noch im Titel? Sowohl das Medium als auch der ÖAMTC sind ja weit mehr als nur Automobil-bezogen. Gab es irgendwann den Gedanken, hier Adaptionen vorzunehmen? Eine aktuelle Story etwa trägt den Titel ‚So schmeckt Slowenien – eine Tour für Feinspitze und Genießer'. Wie durchaus bezeichnend ist dieser Artikel für das, was auto touring mittlerweile ist?
Pisecker: Na ja, das ist aus der Entstehungsgeschichte zu verstehen – als der Österreichische Automobil-Club (ÖAC) und der Österreichische Touring Club (ÖTC) 1946 zum ÖAMTC fusionierten, wurden für die neue gemeinsame Publikation das ‚Auto' aus dem ÖAC und das ‚Touring' aus dem ÖTC genommen und zu ‚Auto-Touring' – damals noch groß geschrieben und mit Bindestrich – geformt. 2011, als wir das Magazin grundlegend reformierten, haben wir den Titel intensiv diskutiert.

Wir haben uns schließlich dafür entschieden, den Namen ‚auto touring' beizubehalten, weil es den Titel damals schon immerhin 64 Jahre lang gab – 2022 hatten wir 75-jähriges Jubiläum. So etwas Traditionsreiches wirft man nicht einfach weg.


medianet:
Und inhaltlich?
Pisecker: Inhaltlich spielen Autotests noch immer eine große Rolle, weil der auto touring einfach die vertrauenswürdigsten bringt; hier erfährt man wirklich, was ein neues Auto kann und vor allem: Was es auf der Straße wirklich verbraucht. Aber unsere Reisereportagen sind nicht weniger wichtig und prägend, ebenso wie die diversen Titelstories aus dem mobilen Alltag.

medianet:
Frage zum Schluss – was würden Sie Ihrem Nachfolger auf den Weg mitgeben?
Pisecker: Eines vor allem – ein hervorragendes, gut eingespieltes und harmonisch zusammenarbeitendes Redaktionsteam, wohl das Beste, das es für unsere Themen in Österreichs Medienlandschaft gibt.
www.oeamtc.at/autotouring

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