•• Von Oliver Jonke/Elisabeth Schmoller-Schmidbauer
Wie lässt sich Künstliche Intelligenz so einsetzen, dass sie Kundinnen und Kunden eine möglichst positive Customer Experience bietet? Hyperpersonalisierung gilt dabei als Schlüssel, um Kundenerlebnisse gezielter, relevanter und wirkungsvoller zu gestalten – doch sie verlangt weit mehr als leistungsfähige Algorithmen. Im Gespräch mit medianet erklären Lisa Reith, Director Market Retail bei Premedia GmbH, und Andreas Heiz, Senior Director Customer Intelligence Solutions bei SAS, warum Datenqualität, Vertrauen und klare Strukturen wichtiger sind als technischer Aktionismus – und weshalb der Mensch trotz „Agentic AI“ unverzichtbar bleibt. Ihr Fazit: Technologie ist nur die halbe Miete – entscheidend sind Daten, Prozesse und vor allem Vertrauen.
Reith beschreibt Hyperpersonalisierung als kontinuierlichen, datengetriebenen Prozess entlang der gesamten Customer Journey. Ziel sei es, nicht nur zu wissen, was jemand kauft, sondern auch, wie er angesprochen werden möchte – ob per Newsletter, WhatsApp oder über spielerische Elemente. Nur wer diese individuellen Vorlieben berücksichtigt, kann Relevanz schaffen. Voraussetzung dafür ist eine konsistente Datenbasis über alle Kanäle hinweg. „Man muss verstehen, wie Daten strukturiert und zugänglich gemacht werden“, betont Reith. „Und ein Wow-Effekt bei der Customer Experience entsteht nur, wenn die aus den Daten abgeleitete Technologie und der Mensch nahtlos zusammenwirken.“
Endlos viele Ansprachen
Für Heiz spielt vor allem der technologische Wandel von generativer zu sogenannter Agentic AI eine wichtige Rolle. Gemeint sind KI-Systeme, die zunehmend selbstständig handeln und Aufgaben übernehmen. „Hyperpersonalisierung bedeutet ja, dass Millionen und Abermillionen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie man den Mensch individuell anspricht“, sagt er. „Im Fall von Push Notifications möchte man dann nicht nur 56 verschiedene Ansprachen haben, sondern endlos viele – und das funktioniert nun einmal nur mit Automatisierung.“
Damit Hyperpersonalisierung mehr ist als ein „Edge Case“, braucht es laut Reith ein stabiles Fundament: eine „Single Source of Truth“ für Content und eine leistungsfähige Customer Data Platform (CDP), die Datensilos auflöst. Erst wenn Marketing, Vertrieb und Service auf dieselbe Informationsbasis zugreifen, lasse sich Personalisierung skalieren. Andernfalls bleibe sie ein isoliertes Experiment: „Man muss Use Cases gemeinsam definieren und von vorne bis Ende durchdenken, wie sie operationalisiert werden sollen. Nicht alles auf einmal, sondern Schritt für Schritt.“
„Verbessert Erlebnis enorm“
Beispiele aus der Praxis zeigen, wie groß der organisatorische und technische Aufwand ist. Bei vielen Unternehmen befindet man sich noch im Aufbau – die Grundlagen werden gelegt, echte Hyperpersonalisierung stehe laut Reith allerdings erst bevor. Andere Branchen sind weiter: Eine große Bank, so Heiz, habe es geschafft, die Aktivitäten ihrer Kundinnen und Kunden über Website, App und Callcenter hinweg zu verknüpfen. „Wenn der Kunde im Callcenter anruft, sieht der Mitarbeiter sofort, was die Person zuvor online gemacht hat. Das vermeidet Wiederholungen und verbessert das Erlebnis enorm.“
Doch mit der technischen Machbarkeit wächst auch die Verantwortung. Reith und Heiz betonen, dass Personalisierung nur funktioniert, wenn sie als vertrauenswürdiger Service empfunden wird. „Kein Kunde hat ein Problem mit personalisierten Angeboten, wenn er versteht, warum er sie erhält“, sagt Heiz. Transparenz darüber, welche Daten genutzt werden und zu welchem Zweck, sei deshalb zentral. Unklare oder zu aufdringliche Kommunikation könne schnell Misstrauen erzeugen.
Mensch ist entscheidend
Neben Technologie und Datenmanagement bleibt der Mensch ein entscheidender Faktor. Mitarbeitende müssen verstehen, wie Personalisierungssysteme arbeiten und welchen Mehrwert sie bieten. Nur wenn sie den Prozess aktiv mitgestalten, lässt sich KI sinnvoll integrieren. „Was bringt dem Kunden das schönste und beste Angebot, wenn es dann beim realen Erlebnis einen Bruch gibt, weil beispielsweise beim Ticket-Schalter niemand davon weiß.“ Wichtig sei also auch, dass hier die interne Kommunikation funktioniere.
Ethische Ansprüche zentral
Im Kern, so die beiden Experten, bedeutet Hyperpersonalisierung keine totale Automatisierung, sondern ein intelligentes Zusammenspiel von Daten, Prozessen und menschlichem Urteilsvermögen. Sie verlangt klare Ziele, saubere Strukturen und ein Verständnis für Datenschutz und Ethik. „Am Ende sind Vertrauen und Transparenz die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Hyperpersonalisierung“, sagt Heiz. „Und der Mensch, der als Kontrollorgan agiert, um die ethischen Ansprüche auch sicher abdecken zu können.“ Denn dazu sei KI allein derzeit noch nicht in der Lage.
