WIEN. Vor kurzem lud der Verband der Marktforschung Österreich (VMÖ) im Rahmen seiner Schwerpunktreihe „KI in der Marktforschung“ zu einem Webinar ein. Im Fokus der Veranstaltung stand die Präsentation des digitalen Interviewers, vorgestellt von Robert Sobotka, Geschäftsführer von Telemark Marketing und Experte für Marktforschung.
Herkömmlichen Voicebots überlegen
Der digitale Interviewer unterscheidet sich grundlegend von den traditionellen Voicebots, die bislang hauptsächlich in Inbound-Call-Centern eingesetzt werden. Während Voicebots darauf abzielen, häufig gestellte Fragen zu beantworten und Call-Center zu entlasten, übernimmt der digitale Interviewer eine weitaus komplexere und aktivere Rolle: Er ruft an, stellt gezielt Fragen und verarbeitet die Antworten auf eine präzise und effiziente Weise.
Die Vorteile des digitalen Interviewers in der Marktforschung sind zahlreich: KI-basierte Interviewer senken die Kosten deutlich, da sie keine Sozialabgaben, Zuschläge oder Ausfallzeiten verursachen. Gleichzeitig sorgen sie für hohe Qualität, denn Fragen werden stets präzise, objektiv und in gleichbleibender Form gestellt, ganz ohne Interviewer-Bias. Auch Mehrsprachigkeit lässt sich einfach umsetzen, aufwendige Supervision und Qualitätskontrollen entfallen.
Erfolgreicher Live-Testlauf
Im Rahmen der diesjährigen Recommender-Umfrage des Finanz-Marketing Verbandes Österreich (FMVÖ) setzte Robert Sobotka mit seinem Institut, Telemark Marketing, erstmals einen digitalen Interviewer für einen Teil der Umfragen ein. Ziel war es, die Praxistauglichkeit und Qualität des digitalen Ansatzes zu evaluieren und die Ergebnisse waren vielversprechend. Die im Webinar vorgespielten Aufnahmen zeigen, dass die Umfragen nicht nur effizient und präzise durchführt wurden, sondern auch menschliche Eigenschaften wie Tonalität und Flexibilität im Gespräch wiedergeben. Besonders beeindruckend war die Fähigkeit des Systems, auch bei Unterbrechungen im Gespräch den Dialog fortzusetzen. Die Interviews verliefen insgesamt reibungslos, und der digitale Interviewer konnte eine hohe Qualität der gesammelten Daten gewährleisten.
Ergänzung, nicht Ersatz
Trotz aller Fortschritte bleibt eine zentrale Herausforderung bestehen: die Teilnahmebereitschaft der Befragten. Auch der beste digitale Interviewer kann allein keine höheren Rücklaufquoten garantieren, hier bleibt die richtige Kontaktstrategie entscheidend. Mit der neuen Methode CAVI (Computer Assisted Voicebot Interview) wird der digitale Interviewer systematisch in den klassischen CATI-Prozess (Computer Assisted Telephone Interviewing) eingebunden. Dabei übernimmt der Voicebot vorab definierte Aufgaben – etwa Wiederanrufe, Zweitinterviews, Quotenprüfungen, Zielgruppen-Screenings oder die Identifikation relevanter Ansprechpartner in der B2B-Kommunikation. Erst danach übernimmt ein menschlicher Interviewer das Gespräch. Diese Kombination erhöht die Effizienz, spart Ressourcen und sorgt für eine gezieltere Datenerhebung. Auch Follow-up-Interviews und Touchpoint-Befragungen nach Kundenkontakten können Einsatzfelder sein.
„CAVI ist keine Ablöse für den menschlichen Interviewer – sondern eine gezielte Erweiterung. Die Technologie übernimmt dort, wo sie stark ist, und übergibt dort, wo Empathie und situative Flexibilität gefragt sind“, so Sobotka.
Chancen und Herausforderungen
Die Technologie des digitalen Interviewers birgt große Chancen für die Marktforschung, muss allerdings sorgfältig implementiert werden. Besonders wichtig ist die Wahl des richtigen Technologiepartners, die Kombination aus Sprachmodellen und empathischer KI sowie die kontinuierliche Qualitätskontrolle. Auch Herausforderungen wie Datenauswertung, Datenschutz, technologische Unreife und mögliche Missbrauchsrisiken durch Offshore-Anbieter müssen in der Branche berücksichtigt werden.