Wir und das Diktat der Wenigen
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 14.09.2018

Wir und das Diktat der Wenigen

Nicht jede „Mehrheitsmeinung” muss ernst genommen werden. Aber sie prägt das Klima.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

DISKURS. Die EU-Kommission hat am Donnerstag in Brüssel ein Maßnahmenpaket präsentiert, um, wie es heißt, „die Manipulation von Wahlen künftig zu verhindern und die Cybersicherheit zu erhöhen”. „Offline-Regeln müssen künftig auch online gelten”, betonte EU-Justizkommissarin Vera Jourova bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Sicherheitskommissar Julian King und Digitalkommissarin Marija Gabriel.

Die mächtige Minderheit

Zeit wird’s: Was im Netz oftmals als Mehrheitsmeinung gilt, sind oft nur laute Rufe aus winzigen Nischen. Nur eine sehr kleine Minderheit der Nutzer etwa ist für die große Masse der Hasspostings auf Facebook verantwortlich, zitierte vor einiger Zeit die Presse aus einer Studie, die vom IT-Experten Philip Kreißel zusammen mit dem Institute for Strategic Dialogue in London erstellt wurde. Analysiert wurden 3.000 Veröffentlichungen und 18.000 Kommentare auf Facebook zu Beiträgen großer Internetmedien im deutschsprachigen Raum (u.a. auch die Krone online). Das Ergebnis: Fünf Prozent der Facebook-Accounts zeichnen verantwortlich für 50 Prozent der Likes bei Hasskommentaren, und ein Prozent der aktivsten Hasser vergibt 25 Prozent der Likes.

Auch mokant.at sammelte Millionen von Daten zum österreichischen Wahlkampf 2017 – und fand „eine mächtige Minderheit, die das auf Facebook vorherrschende Meinungsklima beeinflusst”. Insgesamt wurden 2,9 Mio. Kommentare von 400.000 Personen gepostet. Die Hälfte der Kommentare, 1,4 Mio., stammt von nur 8.900 Personen – zwei Prozent der User. Sieht man sich jene an, die mindestens 500 Kommentare gepostet haben, bleiben 400 Personen, von denen rund 360.000 der Kommentare stammen … Die Mehrheit diskutiert gar nicht mit. Was sich dennoch verfestigt, ist der Eindruck, damit die „Stimmung am Stammtisch” zu erkennen, die Einstellungen des „kleinen Mannes”. Der kleine Mann denkt sich das auch. Und der Teufelskreis dreht sich weiter.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL