Gestern, am 9. Oktober bat die Mediengruppe Wiener Zeitung bereits zum dritten Mal als Veranstalter der jungen Medienkonferenz re:think media in das Museumsquartier Wien. Die Konferenz vernetzte auch heuer wieder journalistischen Nachwuchs, Medienhäuser und Medienmacherinnen und Medienmacher in Österreich. In diesem Jahr wurde einer der Schwerpunkte auf Krisenberichterstattung und AI gesetzt, wobei renommierte Außenpolitikjournalistinnen wie Rieke Havertz von Die Zeit dabei Einblicke in ihre Arbeit gaben. medianet bat aus gegebenem Anlass Martin Fleischhacker (CEO Wiener Zeitung Gruppe), Theresa Lambert (Projektleitung und Programmgestaltung bei re:think media ) und Markus Graf (Chief Commercial Officer Wiener Zeitung Gruppe) vorab zum Interview.
medianet : Der Medien-Kongress re:think media fand heuer bereits zum dritten Mal statt. Was war die ursprüngliche Idee hinter der Konferenz – und was hat sich seither entwickelt?
Martin Fleischhacker: Wir haben beim Besuch von etablierten Medienevents im In- und Ausland etwas festgestellt. Es fehlt oft an relevanten Beiträgen durch neue Medien, jüngere Menschen, operative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Influencer und Mediengründer. All das bilden wir in re:think media ab und haben damit ein Alleinstellungsmerkmal in Österreich.
medianet : Über 600 Menschen waren heuer dabei. Welche Zielgruppen wollten Sie in erster Linie ansprechen und sind diese auch dem Ruf gefolgt?
Fleischhacker: Einerseits junge Menschen, die Fuß fassen wollen in der Medienbranche. Also die am Ende des Studiums stehen oder erste Arbeitserfahrungen, z.B. in Praktika, gesammelt haben. Und andererseits erfahrende Professionals aus der Medienbranche, die sich mit den Jüngeren connecten wollen, um gemeinsam die Medienbranche nachhaltig innovativer und moderner zu gestalten. Beide Zielgruppen vereint ihr Mindset: Sie wollen verändern und nicht an Bestehendem festhalten.
medianet : Warum haben Sie sich heuer für die Schwerpunktthemen Krisenberichterstattung und künstliche Intelligenz im Journalismus entschieden?
Fleischhacker: re:think media in Wien hat drei Kernthemen: New Work, Future Skills im Journalismus und Medieninnovationen. Gleichzeitig legen wir jährlich einen Fokus auf aktuelle Themen. Vor dem Hintergrund der politischen Weltlage und dem Einzug von KI machen diese beiden Schwerpunkte für 2025 nur Sinn.
medianet : Welche Rolle spielt der internationale Input – etwa von Gästen wie Rieke Havertz von Die Zeit – für eine in Österreich verankerte Veranstaltung?
Fleischhacker: Teil unseres Auftrages ist es, der Medienbranche wertvolle Insights und Wissen bereitzustellen. Der Blick ins Ausland ist dabei unerlässlich. Auf Rieke Havertz haben wir uns besonders gefreut, weil sie uns live aus den USA Einblicke geben konnte, wie aktuelle US-Entwicklungen in ihrem Die Zeit-Podcast ‚Ok, America?‘ eingeordnet werden können.
medianet : Es wurde auch betont, dass Krisenberichterstattung eine junge Perspektive braucht. Was genau ist damit gemeint?
Theresa Lambert: Jedes Thema profitiert davon, wenn junge und erfahrene Journalistinnen und Journalisten zusammenarbeiten. Durch die weltweiten Entwicklungen liegt auf dem Thema Krisenberichterstattung leider wieder ein größeres Augenmerk. Dabei ist es wichtig auch die junge Zielgruppe mit komplexen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen zu erreichen und die Art der Berichterstattung zu hinterfragen. Um das zu gewährleisten, möchten wir den journalistischen Nachwuchs in diesen Bereichen fördern.
medianet : Was können erfahrene Journalistinnen und Journalisten von jungen Medienschaffenden lernen – und umgekehrt?
Lambert: Man kann in jedem Bereich von anderen Ansichten und Lebensrealitäten profitieren. Das betrifft nicht nur das Alter, sondern generell Diversität in Redaktionen und Medienhäusern. Gerade im Medienbereich ist das sehr wichtig. Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es daher glaube ich nicht. Ich würde aber sagen, dass junge Medienschaffende von der Erfahrung etablierter Kolleginnen und Kollegen profitieren können.
medianet : Wo etwa?
Lambert: Zum Beispiel, wenn es um Resilienz geht oder darum in Krisen Ruhe zu bewahren. Erfahrene Medienmacher wiederum profitieren von neuen Blickwinkeln und Arbeitsweisen der Jungen. Vor allem wichtig ist die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Sich gegenseitig ernst nehmen. Neugierig sein und Mut haben, Neues auszuprobieren. Wenn diese Faktoren stimmen, ist es egal, wie alt man ist.
medianet : Kommen wir zum Thema künstliche Intelligenz. Wie setzen Sie sich als Mediengruppe konkret mit Chancen und Risiken beim Thema AI auseinander?
Markus Graf: Wir betrachten KI aus einer ganzheitlichen Perspektive: Im Media Innovation Lab unterstützen wir Start-ups mit Workshops, Vernetzung und Finanzierung, um innovative KI-Lösungen verantwortungsvoll erproben zu können. Im Zentrum für Medienwissen bieten wir Workshops und Informationen an, die Medienschaffenden den bewussten Umgang mit KI vermitteln. Intern setzen wir KI ein, um Abläufe zu verbessern und den Mitarbeitenden mehr Zeit für kreative Aufgaben zu verschaffen. Dabei ist es uns wichtig, im Sinne des Public Value unsere Erfahrungen mit allen Marktteilnehmern zu teilen.
medianet : Und wie können Qualitätsstandards und ethische Leitlinien im Journalismus auch im KI-Zeitalter verteidigt werden?
Fleischhacker: Qualitätsstandards wie Unabhängigkeit, Sorgfalt und transparente Korrekturprozesse bleiben auch im KI-Zeitalter unverrückbar. Die Redaktion der Wiener Zeitung arbeitet nach dem Redaktionsstatut sowie den Vorgaben der Journalism Trust Initiative. KI kann diese Arbeit unterstützen, ersetzt aber niemals den journalistischen Entscheidungsprozess. Gleichzeitig gehört es zu unserem Selbstverständnis, offen und neugierig zu bleiben: Seit der Transformation 2023 wird im 360° Journalisten Traineeship auch der gezielte Umgang mit KI erlernt und vor allem praktisch angewendet. Das Feedback der Teilnehmenden ist dabei besonders wertvoll, da sie selbst zur digitalen Zielgruppe gehören. So stellen wir sicher, dass Innovation und journalistische Qualität Hand in Hand gehen.
medianet : Wo sehen Sie für die WZ selbst sinnvolle Einsatzfelder für KI – und wo ziehen Sie bewusst Grenzen?
Fleischhacker: KI setzen wir dort ein, wo sie unsere Teams entlastet und Raum für kreativen, journalistischen Kern schafft. Zum Beispiel bei Transkriptionen, Datenanalysen oder Services für unsere Leserinnen und Leser wie Audioangebote, Beschreibungen oder intelligente Suchfunktionen. Solche Anwendungen werden transparent gekennzeichnet.
Ziel ist immer, konkrete Bedürfnisse zu befriedigen – wie etwa die KI-basierte Zusammenfassung von Artikeln auf unserer Website. Wir wollen Qualitätsjournalismus relevanter, verständlicher und zugänglicher machen, ohne Glaubwürdigkeit einzubüßen. Grenzen ziehen wir dort, wo Automatisierung menschliches Urteilsvermögen verdrängt oder das Vertrauen unserer Nutzer gefährdet.
medianet : Nochmals zurück zum Event an sich; Welche Funktion erfüllt re:think media für die Wiener Zeitung Group – reine Branchenkonferenz oder auch strategisches Instrument für die eigene Positionierung?
Graf: Wir sind die Konferenz für junge, innovative Medienschaffende. Nach der Transformation zu einem digitalen Medienhaus, das die junge Generation erfolgreich anspricht, können wir die Veranstaltung authentisch durchführen. Die Themen der Veranstaltung überschneiden sich perfekt mit den Themen der neuen WZ und der Labs des Media Hub Austria. Das hilft uns bei der Erfüllung unserer Ziele der Förderung von Kooperationen und der Stärkung des Medienstandorts.
medianet : Die Konferenz soll Nachwuchs, Medienhäuser und etablierte Medienschaffende vernetzen. Welche langfristigen Effekte erhoffen Sie sich von dieser Plattform?
Graf: Es soll ein Netzwerk für junge Medienmacher entstehen, das alte Strukturen challengt. Bei re:think trifft man nicht nur klassische Journalist, sondern auch Influencer, Content Creator, Social Media Experten, Start-up-Gründer und alle, die etwas mit Medien machen. Langfristig glauben wir, dass wir damit die notwendige Veränderung des Medienmarktes beschleunigen können.
medianet : Wie fügt sich re:think media in Ihre anderen Tätigkeitsfelder – etwa den Media Hub Austria oder die WZ oder das Traineeship [MG1] – ein?
Graf: re:think media ist organisatorisch Teil des Media Hub Austria. Alle Zielgruppen des Media Hub Austria werden mit der Veranstaltung adressiert und tragen zum Erfolg bei. Es kommen Jungjournalisten vom Traineeship, Medien-Gründern vom Media Innovation Lab und Medien-Partner des Zentrum für Medienwissen.
medianet : Wenn wir am Ende einen Ausblick wagen: welche Themen sehen Sie für künftige Ausgaben als besonders relevant – über KI und Krisenberichterstattung hinaus?
Graf: Lokaljournalismus, Menschen auch außerhalb des Gürtels mit zeitgemäßem Qualitätsjournalismus begeistern, Menschen verbinden und objektiv ein breites Meinungsspektrum zulassen.
Lesen Sie zum Event selbst einen ausführlichen Nachbericht in der medianet-Printausgabe am 17. Oktober 2025.
