WOLFSBURG. Was würden Sie machen, wenn Sie die Geschicke eines der größten Automobilherstellers der Welt leiten und Ihnen zuletzt der Ukrainekrieg, Lieferprobleme und die enorme Inflation Sand ins Getriebe gestreut hätten? Innehalten und versuchen, die Probleme strukturiert aus dem Weg zu räumen? Oder Geld in die Hand nehmen und mit Milliarden-Investitionen neue Geschäftsfelder erschließen?
Der VW-Konzern hat sich für den zweiten Weg entschieden, wie Vorstandschef Oliver Blume kürzlich verkündete: „Wir kommen aus einer Position der Stärke, ohne dabei die umfangreichen Handlungsfelder aus dem Blick zu verlieren.”
E-Mobilität & Vernetzung
In den kommenden fünf Jahren will die VW-Gruppe rund 180 Mrd. € investieren – mehr als zwei Drittel davon sollen in die E-Mobilität und digitale Vernetzung fließen.
Parallel dazu strebt Blume mehr Effizienz in der lange schleppenden Entwicklung eigener Auto-Software an. Nach der Ablösung von Herbert Diess habe es „eine Renovierung und einige Umbauarbeiten” gegeben, erklärte der Manager. Klarere Absprachen zwischen der IT-Sparte Cariad und den Marken sowie ein entzerrter Zeitplan seien „eines der dringendsten Themen” gewesen – mit dem Ziel einer realistischeren Planung und systematischen Schnittstellen. 2022 häufte Cariad einen Verlust von mehr als zwei Mrd. € an, VW wies auf hohe Anlaufkosten hin. 2023 werde ein „Jahr des Lieferns”, betonte Blume.
Elektroantriebe im Fokus
Viel Geld soll bis 2027 in sogenannte Zukunftstechnologien fließen. In der vorangegangenen großen Planungsrunde hatte VW hierfür rund 56% der gesamten Investitionsmittel von 159 Mrd. € veranschlagt. 2025 soll jedes fünfte weltweit verkaufte Fahrzeug einen reinen Elektroantrieb haben.
Bis zu 15 Mrd. € sind binnen fünf Jahren für den Aufbau weiterer Batteriezellfabriken und für die Rohstoffsicherung vorgesehen. Ob Volkswagen das zunächst schon fest eingeplante Extra-Werk für das künftige Kernmodell Trinity in Wolfsburg braucht, ist nach wie vor nicht abschließend entschieden.
Ab 2025 soll geerntet werden
Der Höhepunkt der Ausgaben werde voraussichtlich in zwei Jahren überschritten. „Nach 2025 können wir dann ernten”, sagte Finanzchef Arno Antlitz. Vorerst gebe es eine „hohe Doppelbelastung”, weil parallel zum Ausbau der E-Palette zunächst auch Verbrenner im Angebot bleiben sollen. Schärfere Abgasvorgaben der EU dürften dazu führen, dass die Reinigungstechnik für Benziner und Diesel teurer wird.
In Nordamerika will VW eine größere Rolle spielen, in China die Anstrengungen rund um die Digitalisierung im Auto stärken. Auf seinem wichtigsten Markt hatte VW Probleme, die Ansprüche junger chinesischer Kunden zu erfüllen. Für die USA kündigte der Konzern ein neues Werk in South Carolina an – dort sollen ab 2026 Pick-ups der Submarke Scout entstehen. In der südkanadischen Provinz Ontario plant VW außerdem seine erste Fabrik zur Fertigung eigener Batteriezellen für E-Autos außerhalb Europas. Produktionsstart soll 2027 sein.
Die wichtigsten Kennzahlen
Seine wichtigsten Zahlen hatte der Konzern bereits vorgelegt. Nachdem die Auslieferungen 2022 vor allem wegen der Zulieferprobleme um sieben Prozent auf knapp 8,3 Mio. Fahrzeuge abgerutscht waren, peilt VW für 2023 nun 9,5 Mio. Stück an. Der Umsatz soll um zehn bis 15% zulegen. Das Ergebnis nach Steuern verbesserte sich im Vergleich zu 2021 um knapp drei Prozent auf 15,84 Mrd. €. Die Erlöse stiegen auch aufgrund höhere Autopreise von 250,2 auf 279,2 Mrd. €. (red)