Aber bitte mit Schlagobers
PRIMENEWS sabine bretschneider 25.03.2016

Aber bitte mit Schlagobers

Ein Beitrag zur kulturgeografischen Komplexität der deutschen ­Sprache – inklusive ostösterreichzentrierter Wirrungen.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


PARADEISISCH. Kürzlich im „ORF Dialog­forum”: Eine Diskussion zum Thema „Wie lecker ist Österreichisch?”. Ein Kurzanriss: „Sprache prägt Identität. Die Frage ist jedoch: Wer oder was prägt angesichts der Globalisierung der Medienwelt unsere Sprachkultur? Geraten nationale und regionale Sprachidentitäten wie das österreichische Deutsch unter Druck? Soll die Sprache der Journalistinnen und Journalisten dem Geschmack des Publikums oder den Vorgaben einer ‚Political Correctness' folgen?” Laut Nachbericht im Standard plädierte der Germanist Rudolf Muhr von der Uni Graz klugerweise für eine Bewusstmachung dessen, was überhaupt „Österreichisches Deutsch” sei: „Die Einstellung ‚Man kann ja eh beides verwenden' führt dazu, dass Austriazismen verschwinden.” Dabei seien „bundesdeutsche” Ausdrücke ja nicht schlecht. Diese sollten „wie eine Art Sprache ins Repertoire aufgenommen werden”.

Ja, stimmt, alles wird gut. Allerdings sind Ausdrücke wie das teuflische „Lecker? Nein, superlecker!” ja nicht dem „Bundesdeutschen” geschuldet – was auch immer das beschreiben mag –, sondern vielmehr den paar Synchronfirmen am zugegegebenermaßen bundesdeutschen TV-Markt, die uns den ganzen Schmarrn eingebrockt haben. Oder ist der Schmarrn schon boarisch? Und der Ansatz der Soap-Übersetzer ist ja weniger das Abbilden des State-of-the-Art des bundesdeutschen Standardidioms, sondern vielmehr die lippensynchrone Adaptierung englisch-deutsch.
Und jetzt eine kleine Fleißaufgabe: Überlegen Sie sich bitte ein Dutzend Adjektiva, die wohlschmeckende Nahrungsmittel beschreiben könnten. Schwierig (bzw.: schwer, wie das heute heißt)? Dann sind wir schon näher dran am eigentlichen Problem. Vor „der Eins”, „der Cola”, „der Mail” und „an Ostern” mag es einen ekeln, aber so richtig schad ist es um die Vielfalt in der Sprache, die durch diverse Trendvokabeln dermaßen eingeengt wird, dass einem schwindlig werden könnte. In Österreich scheint das dazu zu führen, dass die Menschen, werden sie etwa mit dem Mikro auf der Straße überfallen, nicht mehr imstande sind, in ordentlicher österreichischer Umgangssprache zu antworten. Weil das so schlampert klingt. Das Vorabendserienhochdeutsch wiederum sitzt auch nicht. Sie kennen diese böse Form der Stellvertreterpeinlichkeit? Wenn es einem beim Zuhören richtiggehend die Ohren verschlägt? Ich denke, genau dieses Schicksal erwartet die Super-Lecker-Generation, Sprachlosigkeit. Aber ich kann mich irren.

Pfui, Golatschen!

Ah ja, und ein Nachtrag: Im Standard wird die Vorsitzende des ORF-Publikumsrats, Ilse Brandner-Radinger, dahingehend zitiert, es vergehe keine Gremiumssitzung ohne Diskussion über die „leckere Sahne” im ORF. Größter Anstoß für vor allem ältere Seher seien aber weniger „bundesdeutsche” als englische Ausdrücke. Diese hätten weniger Probleme mit „Tomaten” und „Kartoffeln”, sondern mit der „Prime Time” und „Great Moments”.

Hm. Im Westen, aber auch im Süden Österreichs klingen „Paradeiser” ein bissl ekelhaft – so wie die „Golatschen”, die etwa in Oberösterreich meines Wissens „Tascherl” heißen. Ein Hoch auf die kulturgeografische Komplexität.

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