Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
VERQUER. Manchmal ist es entspannend, sich abseits tages- und wirtschaftspolitischer Themen mit etwas exotischeren Materien zu beschäftigen. Wobei grade in diesem Fall die Definition von „Exotik” nicht eben auf der Hand liegt. Spielen sich doch die fremdartigsten Dinge in nächster Nähe ab. Oder ist Ihnen die Quantenelektrodynamik, die M-Theorie, die im mathematischen Modell prächtig funktionierende Annahme multipler Dimensionen und Universen tatsächlich a) ein Begriff und b) irgendwie verständlich kommuniziert worden? So viel also zu „Exotik” …
Dazu – und um wieder zur mentalen Wellness zurückzukehren – eine, leger übersetzte, Passage aus Stephen Hawkings neuestem Werk (das allerdings auch schon fünf, sechs Jahre auf dem Buckel hat): „Wie weiß ich, dass ein Tisch immer noch existiert, wenn ich das Zimmer verlassen habe und ihn nicht mehr sehe? Was bedeutet es ergo, zu behaupten, dass Dinge, die man gar nicht sieht – oder sehen kann –, Elektronen, Protonen, Neutronen, Quarks, dennoch existieren? Man könnte etwa eine Theorie aufstellen, die festlegt, dass ein Tisch verschwindet, sobald man einen Raum verlässt, und an der gleichen Stelle wieder auftaucht, wenn man das Zimmer wieder betritt. Und was wäre, wenn die Decke einstürzt, während ich draußen bin? Wie könnte ich mein Tisch-verschwindet-und-taucht-wieder-auf-Modell damit in Einklang bringen, dass der wiedererschienene Tisch unter Geröll begraben ist?” So beschreibt der Ausnahmewissenschaftler die wissenschaftliche Tätigkeit en gros – und insbesondere jene an aktuellen Modellen der (theoretischen) Physik, die schon seit Langem die Grenzen dessen, was uns intuitiv als noch halbwegs vernünftig erscheint, überschritten haben.
Wobei dieser Grenzübertritt wahrscheinlich nicht erst seit den Diskussionen um Stringtheorie und Gottesteilchen vollzogen wurde. Das passierte schon vor hundert Jahren, als Einstein zuerst die Schwerkraft als in diesem Sinne nichtexistent und als bloßen Nebeneffekt einer Verzerrung in einer Dimension darstellte, die es im Alltagsempfinden schlicht nicht gibt – und dann auch noch die Zeit als eher situationselastisch beschrieb.
Interessant ist auch, dass die populärwissenschaftlichen Werke der größten Denker unserer Zeit – und das sind längst nicht mehr die Philosophen – immer mit Humor gewürzt und mit der Aufforderung verknüpft sind, doch („Traut's euch!”) bitte die letztgültigen Theorien gefälligst zu widerlegen. Im Gegensatz dazu betoniert sich die Politik, die derzeit – so die Annahme – die wichtigeren Entscheidungen zu treffen hätte, in Wortgeklaube fest („Obergrenze”) statt Lösungsszenarien zumindest anzubieten. Auch durchaus exotische – von mir aus …
Und warum gehören nicht einmal fünf Dutzend Menschen die Vermögenswerte der halben Welt, wenn es genügend Möglichkeiten gäbe, eben jene Welt mit ein bissl finanzieller Unterstützung zu einem besseren Ort zu machen? Und wie kann Bill Gates gleichzeitig seine Platzierungen im Forbes-Reichen-Ranking halten und Unsummen in die Charitys seiner Frau stecken? Und: Falls das aber funktioniert, warum bietet der Mann nicht längst eine Finanzoptimierungssoftware an und wird noch viel reicher? Fertig für heute. Auch entspannt jetzt?