„Die Idee, ATV zu kaufen, gab es immer wieder”
© ProSiebenSat.1 Puls 4/Moni Fellner
PRIMENEWS Dinko Fejzuli 14.07.2017

„Die Idee, ATV zu kaufen, gab es immer wieder”

Michael Stix, Geschäftsführung ProSiebenSat.1 Puls 4, über die ersten 100 Tage nach der Übernahme.

••• Von Dinko Fejzuli

Dem Fernsehmanager Michael Stix wird nicht langweilig. Diese Gefahr hat bisher schon nicht bestanden, und seit der Übernahme der ATV-Sendergruppe hat sich die Schlagzahl der Geschäftsführung der österreichischen Privat-TV-Gruppe ProSiebenSat.1 Puls 4 nochmals erhöht.

Übernahmeidee reifte heran

Der Gedanke, ATV zu übernehmen war schon länger präsent, so Stix: „Wir haben schon seit langer Zeit mit der Überlegung gespielt, die ATV-Gruppe zu kaufen und haben das daher auch immer in unsere Überlegungen miteinbezogen. Es gab allerdings davor keinen guten Zeitpunkt dafür von Verkäuferseite. Wir sind sehr froh, dass das in diesem historischen Jahr funktioniert hat”, blickt Stix noch einmal auf die letzten Monate und Jahre zurück und begründet den Kauf wie folgt: „Wir haben ATV immer als ATV und ATV2 gesehen. Beide Sender haben jeweils eine starke Marke, daher gab es nie Zweifel daran, beide Marken fortzuführen, auch wenn es viele Gerüchte gab, dass wir andere Sender daraus machen würden. Unsere Analysen zeigen, dass beide Marken stark etabliert sind – die Kollegen bei ATV haben die letzten Jahre hervorragende Arbeit geleistet.” Doch gehen wir ins Detail. Was macht eigentlich die Integration von ATV und ATV2 so wertvoll, Herr Stix? „Die Distribution mit ATV auf Platz drei der Senderprogrammierung auf fast jedem Fernsehgerät ist klar von Vorteil. Auch ATV2 hat eine sehr gute technische Reichweite. Es gibt sehr viele Senderlisten, wo ATV und ATV2 sehr nah beieinander sind”, sagt Stix und ergänzt: ­„Zudem haben wir gesagt: Wenn wir die beiden Sender in unsere Infrastruktur integrieren, können wir mit einer ganz neuen Art der Abwicklung und vor allem mit der Änderung des bisher ja nur hochgerechneten HD-Signals bei ATV in ein Full-HD-Signal ein hohes Reichweitenpotenzial erschließen. Vor allem die redaktionelle Arbeit bei ATV hat bisher schon „eine hohe Reichweite etwa mit ‚ATV Aktuell' erreicht”. Dies soll auch weiterhin so möglich sein – mit weiterhin getrennten Redaktionen; Stix dazu: „Bei der Redaktion haben wir nichts verändert, die wird eigenständig weitergeführt.” Abgesehen von den Nachrichtenformaten hätten die Kollegen aber auch mit den Eigenformaten „gute Arbeit geleistet”, so Stix voll des Lobes für das ATV-Team.

Mehr Österreich-Programm

Ein weiteres Argument, ATV zu übernehmen, so Stix, war, dass man mit der Integration von ATV und ATV2 nun als Werbekunden mehrere, rein österreichische Sender zur Verfügung habe, die man ab sofort auch sehr gut komplementär aus einer Hand buchen könne. „Und als Sender muss man sich programmlich nicht gegenseitig wehtun ”, sagt Stix. Allein das sei ein zusätzliches Potenzial, „denn bisher haben wir als Gegner programmiert.”

Erste Quotenerfolge

Die wenigen Wochen unter der Führung von Thomas Gruber und Bernhard Albrecht haben bereits auch erste Quoten-Erfolge gebracht. Seit 8. Mai kann die Sendergruppe in das Programm von ATV eingreifen. „Einzelne Serienformate wurden zu ATV verlegt, zudem können wir aus dem großen Hollywood-Filmpool schöpfen. Das hat erfreuliche Veränderungen bei den Marktanteilen gebracht. Wenn man sich den Juni ansieht, sind wir bei der Gruppe der 12- bis 49-Jährigen um 16% gestiegen.”

Und wie schlägt sich diese Entwicklung auf die Buchungen durch Kunden nieder? Stix: „Wir arbeiten intensiv daran, um Kunden und Agenturen zu zeigen, dass der Turnaround kommt, damit sie dies in ihrer Planung berücksichtigen können. Wichtig dabei sei, so Stix, dass man, wenn man sich die Zahlen von ATV oder ATV2 ansieht, diese erst ab dem Zeitpunkt betrachtet, ab dem der neue Eigentümer eingreifen konnte.
Auch die Agenturen bekommen laut Stix zunehmend Vertrauen in das neue Angebot: „Wir hoffen, bereits im zweiten Halbjahr 2017 davon profitieren zu können. Der gesamtheitliche Vorteil wird aber erst 2018 zu spüren sein, wenn wir alles aus einer Hand anbieten können.”

Intensive Wochen und Monate

In den kommenden Wochen und Monaten werde intensiv daran gearbeitet, die Vermarktung aus einer Hand anbieten zu können. Zuvor braucht es aber noch einiges an Vorarbeit.

„Wir haben in den vergangenen Monaten viele, sehr motivierte Mitarbeiter bei ATV kennengelernt”, so Stix. Zunächst mussten beide Standorte perfekt synchronisiert bzw. muss diese Synchronisation noch abgeschlossen werden. „Die ­Sales-Teams machen jetzt bereits gemeinsame, wöchentliche Meetings. ATV-Sales-Chefin Julia Loibner ist bei unseren Board-Meetings bereits vollständig integriert. Unser Ziel ist es, dass wir die Buchungssysteme bis zum vierten Quartal zusammenführen, damit unsere Kunden ab 2018 alles aus einer Hand buchen können. Auch räumlich wollen wir bis zum vierten Quartal alles am gemeinsamen Standort in Neu Marx haben.”
Zudem gibt es im Sommer Workshops, in denen die interne Aufteilung der Kunden neu geordnet wird. In Zukunft wird es drei TV-Sales Teams unter der Führung der Sales-Direktoren Marco Glöckl, Stefanie Merta und Julia Loibner geben. Die genaue neue Aufteilung der Agenturen und Kunden wird gerade von uns entwickelt. „So sind wir dann im Herbst, wenn die Budgets vergeben werden, bestmöglich aufgestellt”, ist Stix zuversichtlich.

Synergie-Effekte

Abgesehen von der Umsatzsteigerung durch die Vermarktung sieht die Sendergruppe rund um Stix natürlich auch Einsparungseffekte durch die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten: „Wir sehen in den Bereichen Distribution, Programmeinkauf und Produktion ganz klare Synergie-Effekte. Die gesamte Technik, die sehr teuer ist, können wir bei uns integrieren.” Die gesamte Senderabwicklung soll bis zum Ende des Jahres integriert werden, weitere Räumlichkeiten in Neu Marx werden extra dafür neu angemietet.

Dass bei ATV nicht alles am Stand der neuesten Technik ist, war Stix bewusst: „Es ist kein Geheimnis, dass bei ATV in den letzten Jahren nicht besonders viel investiert wurde; darauf haben wir uns aber gut vorbereitet.”
Bleibt noch die Frage, wie sich der Preis für Werbung mit der Zusammenlegung entwickeln wird. Zur generellen Situation sagt Stix: „Grundsätzlich bestimmt immer die Nachfrage den Preis. Wir beobachten weiterhin einen starken Budget Shift weg von Print Richtung TV und digitalem Bewegtbild. Zusätzlich investieren besonders Online- bzw. eCommerce-lastige Firmen den Großteil ihrer Budgets in TV, da das Zusammenspiel von TV und Online sich als das zentrale ‚Werbeerfolgs-Couple' immer mehr herauskristallisiert. Für 2018 werden wir je nach Nachfrage unsere Preisgestaltung anpassen.”
Anpassen? Stix ergänzt: „Unser Preisniveau ist deutlich unter jenem des ORF, obwohl wir bei der Gruppe der unter 50-Jährigen andere Mitbewerber überholt haben. Wir müssen uns aber nun als neue und größere Gruppe zuerst ansehen, welche Preisanpassung möglich ist. Wir adaptieren die Tarife jedes Jahr leicht nach oben und das werden wir auch 2018 machen.”

Positionierung

Die Programmchefs der einzelnen Sender werden sich künftig jedenfalls sehr eng abstimmen. Stix schwebt eine klare Rollenverteilung für die künftigen Sender vor: „Wir sehen mit Puls 4 gute Chancen, Zusehern vom ORF eine Alternative bei uns zu bieten: Public Value, Sport, Comedy, Filme. Mit der Positionierung von ATV zielen wir eher auf Zusehergewinne von RTL und Vox ab: Dokusoaps, Reportagen und Crime, etc. Zudem wandert das Puls 4-Erfolgsformat ‚Austria’s Next Topmodel' zu ATV und startet im Herbst 2018 mit der achten Staffel unter dem Motto #BEaBRAND. Darüber hinaus haben wir die großen Hollywood-Deals, die ab 2018 greifen. 50% des Hollywood-Contents haben wir dann exklusiv – für die gesamte Gruppe und somit auch für ATV.”

Live-Rechte

Mit Interesse hat Stix auch die Vergabe der Champions League komplett ins Pay-TV verfolgt: „Das ist schon ein Game-Changer. Man muss als Rechtehalter wie die UEFA überlegen, ob man die Einbrüche der Reichweite kompensieren kann”, so Stix. Jede Veränderung bietet aber auch Chancen, zum Beispiel für die UEFA Europa League: „Für dieses Recht bedeutet das potenziell eine hohe Aufwertung im Free-TV. Vor allem für die sport­relevanten Werbekunden wird das Produkt natürlich umso attraktiver, wenn es weniger UEFA Club-Fußball im Free-TV gibt.” Bei Live-Rechten abseits des Sports wie politischen Wahlduellen sei es für Stix aber extrem hart, es hinter der Payschranke zu veranstalten: „Das ist ein gesellschaftliches Thema, da braucht man die breite Masse.”

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