Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
PILOTPROJEKT. Das AMS Wien hat mit dem Pilotprojekt „Kompetenzcheck” die Ausbildung von rund 900 Asylberechtigten erhoben und am Dienstag erste Daten präsentiert. AMS-Chef Johannes Kopf ist, so heißt es, für die Integration von anerkannten Flüchtlingen in den heimischen Arbeitsmarkt „vorsichtig optimistisch”. Die Ergebnisse lassen auch keinen anderen Schluss zu: 61 Prozent der anerkannten Flüchtlinge, die am Kompetenzcheck teilgenommen haben – so die veröffentlichten Zahlen –, verfügen nämlich über Berufsausbildung, Matura oder Studium: 67 Prozent der Syrer, 90 Prozent der Teilnehmer aus dem Iran und 73 Prozent aus dem Irak. Zum Vergleich: 81 Prozent sind es laut Statistik Austria in Österreich. Allein die Asylberechtigten aus Afghanistan (26 Prozent) ruinierten die Bilanz.
Differenzen
Im Gegensatz dazu hatten laut einem AMS-Bericht aus September 2015 („Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte am Arbeitsmarkt”) nur 15 Prozent eine dem österreichischen Lehrabschluss vergleichbare Ausbildung oder darüber hinaus. Das ergibt in der Gruppe der Höhergebildeten im Vergleich zu den neuen Zahlen immerhin eine erstaunliche Differenz von 46 Prozentpunkten.
Die aktuellen Ergebnisse, das sei der Fairness halber angemerkt, wurden als „nicht repräsentativ” bezeichnet, das Sample ist klein, die Zusammensetzung nach Herkunftsnationen nur bedingt vergleichbar. Fragen wirft das dennoch auf.
Eine mögliche Erklärungsvariante wäre, dass nur die Ehrgeizigen und Gebildeten unter den Asylberechtigten sich überhaupt für Maßnahmen wie eine Erhebung der (Aus)Bildungskompetenz zur Verfügung stellen; eine andere, dass beim AMS abseits der Kompetenzchecks die Vorkenntnisse nur schlampig erhoben oder aber mangels einschlägiger Nachweise nicht veri-fiziert wurden. Daraus ergibt sich wiederum, dass die neue Form der Erhebung von Qualifikationen mittels Kompetenzcheck eine löbliche Initiative ist.
Was außerdem auffällt, ist, dass sich nur die Blaue Politriege, das ergab sich nach kurzer Recherche, tatsächlich mit den Zahlen auseinandergesetzt hat. Ansonsten wird hier mit viel Goodwill kommentiert. Skeptiker finden sich folgegemäß unvermittelt im rechten Eck wieder. Darum jetzt noch eine weitere Variante einer gutwilligen Beleuchtung: „Wirtschaft ist Psychologie” hatte kürzlich der Chef der Jungen Wirtschaft, Herbert Rohrmair-Lewis, bei einem Pressegespräch aus Anlass einer Jungunternehmerbefragung angemerkt. Die schlechte Stimmung, die seit Jahren wie ein düstere Wolke über der heimischen Wirtschaft schwebt, sei ebenso sehr durch Fakten wie durch Vorurteile begründet. Ein längst fälliges Hoch im Gemütsklima der Unternehmer könne Konjunkturimpulse schaffen.
Unter Umständen, so die zulässige Schlussfolgerung, braucht auch die durch die Flüchtlingsdiskussionen verunsicherte Gesamtbevölkerung dann und wann einen medialen „Stimmungsaufheller”, um – in diesem konkreten Fall – das Miteinander auf eine freundlichere Ebene zu heben … Dann gilt auf jeden Fall der gute Wille fürs Werk.