Chance für Immobilienwirtschaft
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Dachverband: „Differenzierung zwischen 3. und 4. Lebensabschnitt als Chance”.
FINANCENET REAL:ESTATE 10.07.2015

Chance für Immobilienwirtschaft

Betreutes Wohnen Neu gegründeter Dachverband hat erstmals eine quantitative Abschätzung des neuartigen „Immobilien-Produkts” versucht

Noch viel Luft für „hochaltriges Wohnen” mit sozialer Grundversorgung.

Wien. „Das Betreute Wohnen wird längerfristig zu einer eigenen Asset-Klasse”, waren die Redner bei einer Fachkonferenz zum Thema einig. Das Produkt brauche aber noch Schärfung, der Bedarf sei ja gegeben. Bisher mangelte es aber nicht nur an der Abgrenzung, sondern auch an statistischem Material.

Deutschland ist uns voraus

Der neu gegründete Dachverband Betreutes Wohnen will gebündelte Infos bieten – erstmals wurden nun Daten präsentiert. Demnach liegt die jährliche Bauleis­tung Betreuter Wohnungen österreichweit bei rund 1.300 Einheiten – das sind etwa 3% des gesamten Neubaus. Den 80.000 Heimplätzen stehen rund 11.000 Betreute Wohnungen (ca. 0,2% des Bestands) gegenüber.

Kein „Pflegeheim light”

Darin nicht enthalten ist die große Zahl an barrierefreien Wohnungen, die angesichts flächendeckend verfügbaren Sozialdienstleister ebenfalls gute Eignung für Wohnen im Alter hat („Betreubares Wohnen”). Allerdings sind erst knapp 40% des Wohnungsbestands barrierefrei. Eine vergleichsweise hohe Zahl an Betreuten Einheiten findet man in Niederösterreich, Salzburg und im Burgenland. Unter Betreutem Wohnen sei weder ein Pflegeheim noch ein „Pfegeheim light” zu verstehen, betonte Walter Eichinger, Geschäftsführer der Silver Living GmbH, die vor Kurzem das Projekt Werndlhof in Steyr eröffnet hat. Erstmals in einer privaten Seniorenresidenz leistet dort das Rote Kreuz die Betreuung der Bewohner.
Positioniert zwischen leistbarem Wohnen und sozialen Diensten, verbindet Betreutes Wohnen barrierefreies Wohnen und Gemeinschaftseinrichtungen mit sozialer Grundversorgung.
Angebote gibt es derzeit hauptsächlich von Gemeinnützigen: Bei ihnen liegt die Miete bei 6 bis 10 Euro m2, die nötigen Eigenmittel sind gering – dies ergibt eine Miete um die 500 Euro. Bei gewerblichen Angeboten liegt die Miete meist bei über 9 Euro/m2. Am oberen Ende der Fahnenstange sind die luxuriösen Seniorenresidenzen.

Chance für Developer

Ein wesentliches Motiv für das erstarkende Interesse an Betreutem Wohnen resultiert aus den demografischen Herausforderungen: In 15 Jahren gibt es in Österreich geschätzt mehr als drei Mio. Menschen über 60 Jahren.
Als Vorteile im ländlichen Raum führt Wolfgang Amann vom Ins­titut für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW) an, dass Betreutes Wohnen zu einer Belebung der Ortskerne führe, große Eigenheime durch den Wechsel in funktionale Kleinwohnungen für Familien frei werden sowie eine bessere Kostenstruktur als bei Pflegeheimen gegeben sei, die ja ein großes Einzugsgebiet brauchen. Im ländlichen Gebiet dürften vor allem Kombinationen mit gefördertem Geschoßwohnbau zum Tragen kommen.
Im urbanen Raum stehe mehr im Vordergrund, dass sich Menschen im Alter in Neigungsgruppen zusammenfinden, die von der Sicherheit und Leistbarkeit profitierten. „Lebenslanges Wohnen in den eigenen vier Wänden wird weniger attraktiv, die Lebensziele und die Strategien für den Lebensabend ändern sich”, meint Amann. „Junge Senioren” wollen zurück in die Städte. „Die Immobilienwirtschaft behandelt das Thema stiefmütterlich, dabei tun sich gute Chancen im mittleren Preissegment für gewerbliche Developer auf.”

Soziale Raumplanung

Über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Finanzierungsmöglichkeiten und Angebote der Betreuungsdienstleister herrscht ebenfalls vielfach noch Unklarheit. Mehr Klarheit soll die ÖNORM/CEN TS 11618 bieten, deren Leit-Autor Eichinger ist.
Alle Länder fördern senioren- oder behindertenbezogene Maßnahmen, aber mit unterschiedlichen Modellen und Definitionen. Geht es nach Christian Struber, Präsident des Hilfswerks Salzburg, sollte es so etwas wie eine soziale Raumplanung geben. Daher sollten Mittel aus der Wohnbauförderung für Betreutes Wohnen zweckgebunden werden. Auch das Betreuungsentgelt sollte förderungswürdig sein, meinte Eichinger. (lk)

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