••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. „Wir brauchen den Wandel von einer Erfolgskultur hin zu einer Leistungskultur, in der mehr Aufmerksamkeit auf teamorientierte Prozesse und Abläufe gelegt wird – das gilt für den Sport ebenso wie für die Wirtschaft und die Bauwirtschaft”, zeigte sich Olympiasieger Toni Innauer, heute Trainer und Sportmanager, bei seiner Keynote im Rahmen des 5. Kongresses der IG Lebenszyklus Hochbau überzeugt. Der Verein definierte 2015 die Kultur neben Organisation und Prozessen als dritte Säule erfolgreicher Bauprojekte. „Weder Auftraggeber noch Branchenvertreter können es sich leisten, so weiter- zu machen wie bisher. Eine Kultur des Miteinanders ist der Schlüssel für neue Prozesse”, betonte Karl Friedl, Sprecher der IG Lebenszyklus Hochbau, M.O.O.CON.
Ein entsprechender Fachleitfaden mit einem „Code of Culture” unterstützt Bauherren ab sofort dabei, entsprechende kulturelle Grundlagen für ihre Bauprojekte zu schaffen. Präsentiert wurden bei der Veranstaltung am 4.11. zudem die Leistungsbilder „Inbetriebnahmemanager” sowie „Kaufmännische Bauherrenvertretung”. 2016 sollen der neue Lebenszyklus-Award sowie eine E-Learning-Plattform unter der Leitung von Prof. Christoph Achammer, ATP architekten ingenieure, sicherstellen, dass sich die bisher erarbeiteten Grundlagen des Ver eins als Standard für erfolgreiche Bauprojekte etablieren.
CFO für Bauprojekte
In dem unter der Leitung von Erich Thewanger (KPMG) erstellten „Leistungsbild Kaufmännische Bauherrenvertretung” stehen die zentralen kaufmännischen Fragestellungen im Gebäudelebenszyklus im Mittelpunkt. Dabei wurden die bestehenden Leistungsbilder, die dem Kosten-, Zeit- und Qualitätscontrolling der Projekte dienen, um die jedem Bauprojekt immanenten kaufmännischen Organisations- und Prozesserfordernisse ergänzt.
Thewanger: „Wir haben den Chief Financial Officer (CFO) des Bauprojekts als Unternehmen auf Zeit definiert. Dieser ist organisatorisch direkt in der Projektleitung verankert. Nur so kann den zentralen kaufmännischen Zielsetzungen über den Gebäudelebenszyklus hinweg entsprochen und damit auch der kaufmännischen Unternehmensführung des Bauherrn die nötige Sicherheit in der Projektumsetzung gegeben werden.”
Inbetriebnahmemanagement
Gebäude haben oft höhere Bewirtschaftungskosten (u.a. Energie-, Wartungskosten) als geplant, und wichtige gebäudetechnische Anlagen funktionieren nicht so, wie sie geplant wurden. Einen Verursacher ausmachen zu können, ist oftmals nicht möglich, da es unklar ist, wo Fehler passiert sind: Der Bauherr vermutet Abweichungen der Planung von seinen Anforderungen, der Planer verweist auf fehlerhafte Umsetzung seiner Planung, der Errichter ortet aber genau dort Mängel. Der Bewirtschafter wiederum bemängelt die unzureichende Dokumentation für einen effizienten Betrieb, und am Ende ist der Nutzer schuld, der mit seinem ineffizienten Nutzerverhalten die höheren Kosten selbst verursacht.
Das Leistungsbild „Inbetriebnahmemanager” wurde unter der Leitung von Margot Grim, e7, entwickelt und soll obige Problematik bereits zu Beginn des Projekts vermeiden.
Grim: „Der Inbetriebnahmemanager begleitet im Idealfall den gesamten Projektentwicklungsprozess und achtet darauf, dass die notwendigen Unterlagen für eine optimierte Inbetriebnahme überhaupt vorhanden sind. Aus unserer Sicht ist das ein Thema, das nicht nur langfristig denkende Bauherren, sondern auch Investoren anspricht, da es sich direkt und positiv auf die Gewährleistung, Mängelbehebung und die Betriebskosten auswirkt.”
Vergaberecht
Bereits im Vorjahr veröffentlichte die IG Lebenszyklus Hochbau den Fachleitfaden „Lebenszykluskostenrechnung in der Vergabe”. Dieser enthält allgemeine Erläuterungen zum Artikel 68 der EU-Richtlinie 2014/24/EU vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und wurde 2015 an das Bundeskanzleramt als Unterstützung zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht übergeben.
Das Thema wurde auch 2015 unter der Leitung von Helmut Floegl von der Donau-Universität-Krems bearbeitet. „Unter Mitwirkung zahlreicher Bauherren und gesetzgebender Stellen haben wir 2015 wesentliche Vorleistungen für ein 2016 geplantes Forschungsprojekt erbracht. Im Rahmen dessen soll das dringend erforderliche Wissen und Know-how für den Einsatz der Lebenszykluskostenrechnung als Kriterium in der Vergabe sowohl für (öffentliche) Auftraggeber als auch für die Bieter erarbeitet werden.”
Neue Qualitätsoffensive ab 2016
Zur verstärkten Bewerbung der bisher erarbeiteten Standards startet der Verein 2016 eine neue Qualitätsoffensive: In Zusammenarbeit mit der TU Wien und zahlreichen weiteren Partnerorganisationen werden erstmals Leuchtturmprojekte für eine lebenszyklusorientierte Prozess-, Kultur-, und Organisationsqualität mit dem „Lebenszyklus-Award” ausgezeichnet.
Eine umfangreiche E-Learning-Plattform (Start: April 2016) vermittelt die vom Verein erarbeiteten Modelle und Leistungsbilder.
„Unser Ziel ist es, durch diese Maßnahmen die Vorgehensweise der IG Lebenszyklus Hochbau bei öffentlichen und privaten Bauherren als Standard für erfolgreiche Bauprojekte zu etablieren”, zeigt sich Christoph Achammer überzeugt von der Initiative, die unter seiner Leitung vorangetrieben wird.