LINZ. Die Bauwirtschaft werde „in Sonntagsreden zwar stets als Lokomotive der Wirtschaft bezeichnet, gleichzeitig aber tut man alles, dass ihr der Dampf ausgeht”, beklagt Oberösterreichs Baulandesinnungsmeister Norbert Hartl die Regulierungswut des Gesetzgebers.
Hartl fordert Flexibilität und das Orientieren an einer modernen Arbeitswelt statt Mauern und Einzementieren, mehr und echtes Entlasten statt immer neuer Reglementierungen durch die Hintertür und vor allem ein Ausmisten des randvollen Bürokratie-Rucksacks. „Es kann nicht sein, dass wir in der Hochsaison bei bestem Wetter unsere Arbeiter um vier Uhr heimschicken müssen”, bringt Hartl ein Thema auf den Punkt, das im gesamten Bausektor nur noch Kopfschütteln hervorruft. Es brauche eine echte Flexibilisierung der Arbeitszeiten und nicht ein bloßes Herumdrehen an kleinsten Schrauben. „Das wollen nicht nur wir Arbeitgeber – auch die Mitarbeiter wünschen sich größere Flexibilität bei den Arbeitszeiten, wie alle Umfragen belegen”, so Hartl.
Völlig weltfremd
Was ihn und die gesamte Baubranche aber besonders ärgert, ist, dass jedes Mal, wenn das Auflösen der starren Regelungen vorgeschlagen wird, von den Arbeitnehmervertretungen reflexartig der Ruf nach der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und als Gipfel auch noch der Überstunden-Euro kommt. „Eine 35-Stunden-Woche ist völlig weltfremd und wettbe-werbsschädigend”, verweist Hartl auf Frankreich, wo aktuell die sozialistische Regierung initiativ geworden ist, um von der 35-Stunden-Woche wegzukommen – zu teuer, zu unflexibel und viel zu nachteilig für Wirtschaftsstandort, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, heißt es dazu.
Aus Sicht des Baugewerbes ist die Formel 12/60/24 — 12 Stunden tägliche, 60 Stunden wöchent-liche Höchstarbeitszeit, 24 Monate Durchrechnung — ideal. „Da wären wir gegen Saisonschwankungen gewappnet und für Auftragsspitzen vorbereitet. Und es ist auch im Sinne unserer Mitarbeiter, die dann zum Ausgleich mehr Freizeit am Stück haben”, so der oberösterreichische Bauinnungsmeister.
Bürokratie nimmt überhand
Was in den Baubranchen den Unmut ständig steigen lässt, ist, dass es keinen Kahlschlag gibt, sondern dass der bürokratische Urwald immer dichter wird. Sollte ausnahmsweise einmal etwas gestrichen werden, kommt nämlich von einer anderen Seite der nächste administrative und kostensteigernde Anschlag daher. „Das meiste hängt man dem Unternehmer um”, nennt Hartl als Beispiel die Generalunternehmerhaftungen, wo zu den bestehenden fünf im Juni noch eine sechste hinzukommen soll.
Der vom Sozialministerium bereits ausgesandte Entwurf der Durchsetzungs-Richtlinie zur Entsende-Richtlinie beinhaltet die Generalunternehmerhaftung für die Lohnauszahlungen an Arbeitnehmer von ausländischen Subunternehmern. Das Problem daran: Der Unternehmer haftet für Lohnauszahlungen im Ausland, ohne sie überprüfen zu können! Damit wälzt der Staat einmal mehr seine Kontrollaufgabe auf den Generalunternehmer ab.
Auch die Regulierungsflut verstimmt die Bauunternehmen, etwa die nach wie vor bestehenden neun unterschiedlichen Länder-Bautechnikgesetze in Österreich. „Das etwas größere Bayern kommt mit einem aus”, so Hartl.
Ein anderes Beispiel sind die rund 4.000 unterschiedlichen Normen allein für Hauptbauleistungen, mit denen sich jeder Baubetrieb herumschlagen muss. Immerhin soll das Normenwesen transparenter und mit mehr Mitwirkung ausgestaltet werden. „Ob es dann zum Streichen und Vereinfachen von Normen kommt, bleibt abzuwarten”, ist Hartl skeptisch.
Eine Herkulesaufgabe
Ein Beispiel, wie ein ursprünglich gutes Gesetz zu einem administrativen Ungetüm wird, sei das Sozial- und Lohndumping-Bekämpfungsgesetz. Durch die Übernahme des Begriffs „Entgelt” im Vorjahr sei die Lohnverrechnung in einem Baubetrieb zu einer Herkulesaufgabe geworden.
Denn es müssen bei ausländischen Beschäftigten nicht nur die Zuschläge anteilsmäßig eingerechnet werden, sondern auch die 41 Zulagen des Baugewerbe-KV. „Da blickt kaum wer durch und da lauern enorme Fallen in Form von Strafen zwischen 2.000 und 20.000 Euro je Einzelfall für kleinste Irrtümer”, moniert Hartl. Dass Mehrfachbestrafungen für banale und korrigierbare Vergehen – wie von Minister Mitterlehner angekündigt – bis Sommer gestrichen werden sollen, sieht Hartl natürlich positiv: „Das ist auch bitter nötig. Denn es gibt Beispielfälle, wo die kleinsten Vergehen von Arbeitnehmern für den Arbeitgeber existenzbedrohende Ausmaße angenommen haben.”
Lohn- und Sozialdumping
Hartl erneuert auch seine Kritik am Sozial- und Lohndumping-Gesetz, vor allem, was die Kontrol-len betrifft. „Es wird nicht dorthin gegangen und kontrolliert, wo das kriminelle Potenzial ist.” Inländische Unternehmen werden ständig kontrolliert, obwohl man kaum was findet. Schwarze Schafe aus dem Ausland kommen hingegen ungeschoren davon und machen mit Lohn- und Sozialdumping den Markt kaputt. So bleibt die eigentliche Intention, ausländischen Lohndumping- und Scheinfirmen gehörig auf die Zehen zu steigen, zahnlos.
Die Möglichkeiten dazu gibt es, meint Hartl. Zum Beispiel, wenn man schon bei der Gewerbeanmeldung die Angaben akribisch prüft – etwa jene zum Standort – und sich nicht nur mit einer Handynummer zufriedengibt. Oder wenn man die Möglichkeit der vorläufigen Sicherheitsleistung entsprechend anwendet. Oder indem man die rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten im Ausland schafft und so Sozial- und Lohnbetrug verfolgbar macht.
„Wenn man hier nichts unternimmt und die Kontrollen weiterhin wie bisher ablaufen, führt es bei den zu 99,9% redlichen inländischen Firmen nur zu Mehraufwänden und zu extremen Wettbewerbsverzerrungen”, beklagt Hartl.