Sicht der Expertin
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FINANCENET REAL:ESTATE Redaktion 08.03.2024

Sicht der Expertin

EHL Wohnen-Geschäftsführerin Karina Schunker über das eben präsentierte Wohn- und Baupaket der Bundesregierung.

••• Von Helga Krémer

WIEN. Nicht nur die Baubranche befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation, auch das Finden einer leistbaren Wohnung war hierzulande schon einfacher.

Expertinnen und Experten prognostizieren weitere Rückgänge bei den Investitionen, insbesondere in der Baubranche. Das Wifo geht für das Jahr 2024 von einem realen Rückgang der Bruttoinvestitionen von vier Prozent im Baubereich aus. Branchenkenner fürchten, dass sich Wohnraum durch den Einbruch bei der Zahl der Neubauten in den nächsten Jahren massiv verteuern könnte. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung ein 2,2 Mrd. € schweres „Wohn- und Baupaket” geschnürt.
Eine Mrd. davon ist für die Schaffung von insgesamt 25.000 neuen Wohneinheiten vorgesehen – 10.000 Häuser oder Wohnungen im Eigentum, 10.000 Mietwohnungen sowie 5.000 Wohnungen, die saniert und dann wieder auf den Markt gebracht werden sollen.
So weit so gut. Oder etwa doch nicht? medianet fragte bei der ausgewiesenen Fachfrau für Wohnraum, Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen GmbH, nach.


medianet:
Frau Schunker, was sind Ihre Einschätzungen zum von der Bundesregierung verkündeten ‚Wohn- und Baupaket' zur Belebung der Baukonjunktur und zur Förderung des Wohnbaus?
Karina Schunker: Das Paket ist zweifellos eine sinnvolle und auch notwendige Maßnahme, die der Bauwirtschaft helfen und den Wohnbau ankurbeln wird. Insofern ist es sehr zu begrüßen. Nach aktuellem Wissensstand – allzu viele Details kennen wir ja noch nicht – ist es auch umfangreich gestaltet und praxisnah.

medianet:
Was halten Sie im Paket für gut gelungen? Und was fehlt?
Schunker: Positiv ist, dass Bauträger direkt unterstützt werden – das wird zu zusätzlichen Projektstarts führen. Auch die Entlastung auf der Käuferseite durch den (teilweisen) Wegfall von Grunderwerbssteuer und Pfandrechtseintragungsgebühr ist sehr positiv.

Eine wirkliche Schwäche ist die einseitige Fokussierung auf den geförderten Wohnbau, denn dieser kann erstens nicht alle Bereiche, in denen es akute Probleme gibt, abdecken, und zweitens setzt man damit auch ein umweltpolitisch unerwünschtes Signal – geförderter Wohnbau ist oft nur an der Peripherie möglich, erfordert daher zusätzliche Infrastruktur, führt zu mehr Bodenverbrauch durch notwendige Verkehrswege und zu stärkerer Zersiedelung. Die Nachverdichtung in der Stadt etwa in Baulücken oder durch Ausbau von Bestandsobjekten wird, bis auf Anreize zur thermischen Sanierung, leider vernachlässigt.
Ich hätte mir zudem erwartet, dass die Absetzbarkeit von Finanzierungskosten für private Käufer kommt, schließlich ist ja die Explosion der Zinsen der mit Abstand wichtigste Grund für die aktuelle Krise, daher hätte man genau hier ansetzen müssen.


medianet:
Kann das Paket die drohende Wohnungsnot tatsächlich abwenden? Oder ist es, salopp und ketzerisch formuliert, einfach etwas mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein?
Schunker: Nein, abwenden kann es den drohenden Engpass nicht, aber es kann einen wesentlichen Beitrag zur Linderung liefern.

Schön wäre, wenn es auch ein Signal für andere dringend notwendige Maßnahmen wäre, die übrigens gar kein Steuergeld kosten würden: Viel schnellere Widmungs- und Baugenehmigungsverfahren, Entschlackung überbordender Bauvorschriften. Wenn das nicht erfolgt, wird Wohnbau in Österreich strukturell teuer bleiben und wir werden immer wieder die Situation haben, dass Wohnraum für viele österreichischen Haushalte nur schwer leistbar ist.
Aber man muss sich natürlich auch bewusst sein, dass das Paket die Fertigstellungszahlen erst in frühestens zwei Jahren nennenswert positiv beeinflussen wird. Das hilft uns 2026, heuer gar nicht und wohl auch 2025 noch recht wenig.


medianet:
Da Ostern nicht mehr weit ist – was würden Sie sich vom Osterhasen für den heimischen Wohnbau wünschen?
Schunker: Ich würde begrüßen, wenn trotz anlaufenden Wahlkampfs nicht ständig völlig kontraproduktive Schlagworte wie ‚Mietpreisbremse' und ‚Indexierungsverbote' zu hören sind. Die sind das wirksamste Mittel, um Investitionen in die Wohnungswirtschaft zu stoppen und das ist wirklich das Letzte, was wir jetzt brauchen können.

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