Wie stark würde der Brexit die Wirtschaft ruinieren?
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FINANCENET REAL:ESTATE PAUL CHRISTIAN JEZEK 10.06.2016

Wie stark würde der Brexit die Wirtschaft ruinieren?

Vor allem der britische Immobilienmarkt und speziell börsenotierte Immo-Gesellschaften spüren den möglichen EU-Austritt schon jetzt.

••• Von Paul Christian Jezek

LONDON. Auf dem englischen Immobilienmarkt ist eine deutliche Abkühlung der Anlagetätigkeit zu beobachten.

Für den Büroimmobilienmarkt in Central London werden die möglichen Folgen eines Ausscheidens Großbritanniens aus der EU („Brexit”) besonders negativ eingeschätzt; hier hat sich das Transaktionsvolumen innerhalb eines Jahres von 4,6 auf 2,2 Mrd. £ (ca. 2,8 Mrd. €) mehr als halbiert.
„Das größte Risiko besteht darin, dass das Anlegervertrauen weiter schwindet und folglich Unternehmens- und Anlageentscheidungen auf Eis gelegt werden”, sagt Guy Barnard, Fondsmanager bei Henderson Global Investors. „Der Dominoeffekt wird im restlichen Europa wahrscheinlich ebenfalls deutlich zu spüren sein, vor allem angesichts der in diesem Jahr anstehenden wichtigen Wahlen. Das politische Risiko wird für Anleger eine entscheidende Rolle spielen.”

Niedrige Bewertungen

Britische Immobilienaktien hinken schon seit Jahresanfang britischen Aktien insgesamt ebenso wie globalen Immobilienaktien hinterher. In Großbritannien halten auf London fokussierte Immobilienaktien nicht Schritt. Folglich werden viele Unternehmen zu Bewertungen gehandelt, die so niedrig sind wie seit der Finanzkrise nicht mehr, da etliche Investoren dem Markt den Rücken gekehrt haben.

„Der Londoner Büromarkt dürfte kurzfristig am stärksten unter den Unsicherheiten eines Brexits leiden”, warnt Barnard. „Die Mietnachfrage aus Finanz- und multinationalen Unternehmen wird sich abschwächen, solange diese über die künftigen Auswirkungen auf ­ihre Geschäftstätigkeit im Ungewissen sind – wir rechnen daher mit einem Rückgang der Mieten.”
Henderson Global Investors hat das Engagement in Großbritannien deutlich verringert; das habe jedoch weniger mit dem möglichen Brexit zu tun, meint Barnard. „Hintergrund waren eher höhere Bewertungen und die von uns erwartete Verlangsamung des Wachstums am Markt für britische Gewerbeimmobilien in diesem und den kommenden Jahren nach Jahren mit äußerst starker Wertentwicklung.”

Wie nach der globalen Krise

Innerhalb des britischen Immobilienmarkts konzentriert sich das Unternehmen zunehmend auf strukturelles Wachstum statt auf zyklische Bereiche; dazu zählen Selbstlager, Studentenunterkünfte und Wohnbaugrundstücke außerhalb von London. „Ein schwächeres Pfund Sterling könnte zusätzliches Kapital aus dem Ausland in britische Immobilien fließen lassen – genau wie nach der globalen ­Finanzkrise”, meint Barnard. „Andererseits könnte die Nachfrage in anderen Teilen Europas steigen, z.B. nach Büroflächen in Frankfurt, Paris oder Dublin.” In England habe man unter Berücksichtigung der Brexit-Unsicherheiten Green Reit und Hansteen ins Portfolio aufgenommen.

Abgesehen von den Risiken aufgrund des EU-Referendums ist man bei Henderson Global Investors jedoch davon überzeugt, dass sich europäische Immobilienaktien angesichts verlässlicher Erträge und attraktiver, steigender ­Dividendenrenditen gut entwickeln werden. „Die Bewertungen scheinen zunehmend interessant”, sagt Barnard.

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