••• Von Paul Christian Jezek
Es geht um Grundsätzliches bzw. Grundwerte – und „Leistbares” Wohnen ist (und bleibt) eine Wort-Ikone in diesem Sommer 2016 in Österreich.
„In unserer Gesamtstrategie im Bereich Wohnungsneubau spielen leistbare Mietwohnungen schon immer eine wichtige Rolle – jüngst etwa bei den Projekten ,Southgate' und ,Otterweg'”, sagt Andreas Holler, für das Development verantwortlicher Geschäftsführer bei der Buwog, einem der wichtigsten Marktteilnehmer.
Vor Kurzem hat die Buwog in der Vorgartenstraße 98 im 2. Wiener Gemeindebezirk am alten Nordbahnhof-Areal ein mehr als 6.000 m² großes Grundstück erworben. Als Teil des neuen Stadtentwicklungsgebiets Nordbahnhof und im Rahmen der Wiener Wohnbauinitiative wird dort ein Projekt für rund 170 Mieteinheiten geplant: In unmittelbarer Nähe zum rund 31.000 m² großen Rudolf-Bednar-Park soll hier – genau! – „Raum für leistbares Wohnen” entstehen. Darauf werde in der Planung des Projekts mit dem Architekturbüro BEHF Corporate Architects besonders geachtet, meint Holler. „Die Grundrisse und Konzepte sollen sowohl Singlehaushalte, junge Menschen, die ihre erste Wohnung beziehen, als auch Familien und ältere Bewohner ansprechen.”
In der Vorgartenstraße hat die Buwog bereits 2013 das klima:aktiv „Gold”-Projekt „Wohnen für Junge und Junggebliebene” realisiert. Die nun geplanten rund 170 Mietwohnungen sollen in den Bestand der Buwog gebaut werden, die Gesamtinvestitionskosten für das Projekt belaufen sich auf fast 30 Mio. €.
Die Landmark am Mühlgrund
Solche Wohnungen gibt's (auch) in Donaustadt. Dort erfolgte erst vor wenigen Tagen – genau am 23.6. – in der Fahngasse 6 die Übergabe des Projekts „Mühlgrund II – offen für mehr” an die künftigen Bewohner. Die ÖSW AG als größter privater gemeinnütziger Bauträger in Österreich (verwaltet ca. 56.000 Einheiten) errichtete hier in Zusammenarbeit mit Nerma Linsberger ZT GmbH eine Anlage mit 142 geförderten Mietwohnungen mit zwei bis vier Zimmern mit 50 bis 112 m² sowie Loggien bzw. Balkone oder Terrassen; hinzu kommen 14 nutzungsflexible Ateliers sowie fünf Wohnungen der Volkshilfe im Erdgeschoß.
Neben der Abstimmung auf unterschiedliche Bedürfnisse der Bewohner wurde hier besonderes Augenmerk auf die Energieeffizienz gelegt. Der Einsatz von Fotovoltaik zur Energieversorgung sowie die Verwendung wartungsarmer wie langlebiger Materialien helfen, Heiz- und Betriebskosten zu sparen. Und noch ein aktueller Trend wurde hier gut bedient: Im Innenhofbereich liegen „community gardens”, deren Gestaltung gemeinsam mit den Bewohnern erfolgt. Die teilweise überdachten Kinder- und Jugendspielplätze sowie ein Gemeinschafts- und Kinderspielraum verfügen über einen Zugang zum Grünbereich und sollen das „Wohnen miteinander” fördern.
Vielfältige Freizeitgestaltung versprechen das Mühlwasser, die Alte Donau und die Donauinsel sowie der Nationalpark Donauauen-Lobau. Sportlich Aktive finden zahlreiche Möglichkeiten der Betätigung im benachbarten Strandbad Stadlau oder auf umliegenden Radwegen.
Ein neuer Marktteilnehmer
In einer ähnlichen „Liga” bzw. Größenordnung wie die Buwog- und ÖSW-Projekte „spielt” auch wohn:park:zwölf zwischen Arndtstraße und Schönbrunner Straße im zwölften Wiener Gemeindebezirk.
Eine Besonderheit an diesem Projekt ist der Betreiber, denn es handelt sich um die Welser Consulting Company. „Mit dem wohn:park:zwölf ist uns ein perfekter Start in Wien gelungen”, sagt Geschäftsführer Florian Kammerstätter. „Wir haben fast 30 Mio. Euro investiert und offenbar genau den Wohngeschmack der Wiener getroffen. Darüber hinaus haben viele unserer oberösterreichischen Stammkunden nun auch bei unserem ersten Projekt in der Bundeshauptstadt investiert.”
Bei Fertigstellung waren 98% der Wohnungen verkauft, und die Bauarbeiten konnten früher als geplant abgeschlossen wurden – da offenbar alles gut funktioniert hat, plant die Consulting Company bereits weitere Wohnbauprojekte in Wien: Vor Kurzem wurde eine Liegenschaft in Breitensee erworben, noch für heuer ist der Baustart für eine Anlage mit 80 Wohnungen in der Leyserstraße in Penzing geplant; dort realisiert die von der Consulting Company gemeinsam mit Investoren gegründete CC Wien Invest auf einer 4,1 ha großen Teilfläche der Körner-Kaserne im 14. Bezirk Wiens größtes privates Wohnbauprojekt, bei dem kürzlich der städtebauliche Wettbewerb gestartet wurde. Allein beim ersten Besichtigungstermin für das Gelände waren 60 Büros vertreten.
Im Juli wird die Jury unter Vorsitz des renommierten deutschen Architekten Arno Lederer jene Büros auswählen, die ihre Konzepte weiterentwickeln werden; in der dann folgenden zweiten Stufe des Wettbewerbs sollen die Teilnehmer ihr Team um Landschaftsplaner verstärken und ein Freiraumangebot schaffen, das für die künftigen Bewohner und die Bevölkerung der Umgebung vielfältige, attraktive Aufenthaltsmöglichkeiten schafft. Die Bebauung des Areals wird dann durch die Consulting Company und weitere renommierte Wohnbauträger erfolgen.
Trendthema „Kasernen”
Was das Bundesheer nicht mehr braucht, ist den Immobilienentwicklern durchaus recht – das gilt auch für die steirische Hauptstadt.
So entwickelt die ARE Austrian Real Estate Development GmbH gemeinsam mit der Immovate auf der rund 5,7 ha großen Liegenschaft der Kirchner Kaserne in Graz ein Wohnbauprojekt. Diese Kaserne wurde im Mai von einer Immovate-Tochter aus dem Eigentum des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport um 11 Mio. € angekauft. Die ARE wird sich an der Kirchner Projektentwicklungs GmbHzu 49% beteiligen. Das städtebauliche Verfahren läuft, der Baubeginn erfolgt voraussichtlich 2019.
Derzeit besteht die Kaserne aus 31 Objekten, darunter mehrere Mannschafts- und Sanitätsgebäude, Lager, Garagen, Bunker und ein Stabsgebäude. Die genauen Parameter für die zukünftige Wohnbebauung sowie die Grün- und Freiraumgestaltung erarbeiten Immovate und ARE gemeinsam mit der Stadt Graz in einem städtebaulichen Workshopverfahren – damit soll sichergestellt werden, dass die Interessen der Anrainer, der Stadt sowie der zukünftigen Bewohner dieses Stadtentwicklungsgebiets bestmöglich gewahrt sind.
Leistbares Wohnen
Generell sind in Österreich jedoch die Mieten in den vergangenen fünf Jahren deutlich stärker gestiegen als die Inflation. (Das liegt aber nicht „nur” am Anstieg des Mietzinses, sondern ebenso an der gleichzeitig starken Erhöhung der Betriebskosten, wie die Agenda Austria nachgerechnet hat – siehe Grafik unten.)
Deshalb fordert die ARGE Eigenheim – ein Zusammenschluss von rund 100 gemeinnützigen Bauträgern in Österreich – einen „Stopp bei Regelungen, die den Mietwohnbau kontinuierlich verteuern”. „Wohnen muss wieder billiger werden, aber jede Regelung, die kommt, verursacht genau das Gegenteil”, kritisiert Christian Struber, Bundesobmann der ARGE Eigenheim. „Wir brauchen hier dringend eine Schubumkehr!”
Die Durchschnittsmiete liegt derzeit laut Statistik Austria inklusive Betriebskosten bei 7,1 € pro m2, bei Neubauten sogar bei 9,7 €. „Die Preise bei den Gemeinnützigen liegen im Schnitt rund 20% darunter”, sagt Struber. Die schlechte Nachricht: „Es wird immer schwieriger, dieses Niveau zu halten.” So würde die geplante Umsetzung der Kreditvergaberegelung Basel IV den Mietwohnbau extrem verteuern. „Bei einem Fremdfinanzierungsanteil von 60 bis 80% findet bei Mietwohnbau-Finanzierungen derzeit ein Risikogewicht von 35% Anwendung”, warnt Alfred Graf, Obmann-Stv. des Österreichischen Verbandes Gemeinnütziger Bauvereinigungen. „Durch Basel IV erhöht sich das Risikogewicht auf 90% – das würde die Kreditkosten für Neubauten massiv erhöhen.”
Um den Preisanstieg für Wohnraum in den Griff zu bekommen, müsse es vor allem (auch) gelingen, die Raumordnungsvereinbarungen zur Baulandmobilisierung verfassungsrechtlich zu manifestieren; eine entsprechende Änderung in der Bundesverfassung läuft derzeit und soll heuer noch umgesetzt werden. Ebenso sollen verstärkt innovative Wege wie Grundstücksbeschaffung im Baurecht oder der Start von Sonderwohnbauprogrammen in Kooperation mit den Kommunen beschritten werden.
So sind z.B. in Niederösterreich an 100 Standorten insgesamt 800 Wohnungen mit einer Größe von 58 m2 für eine Nettomiete von 250 und einen Eigenmittelanteil von maximal 2.000 € geplant. Die Gemeinden stellen dafür die Grundstücke nahezu kostenlos im Baurecht zur Verfügung. Die erhöhten Anforderungen des Wohnbauförderungsgesetzes müssen dabei nicht erfüllt sein, sondern es genügt der einfache Bauordnungsstatus.
Architektonisch ansprechend
Die Gemeinnützigen sind übrigens auch im Eigentumsbereich aktiv; Beispiele dafür sind u.a. die geförderten Wohnanlagen Freiraum Maxglan (357 Miet-, Mietkauf- u. Eigentumswohnungen) oder Ginzkey Carré (80 Mietwohnungen) in der Stadt Salzburg sowie in der Attemsgasse in Kagran West (101 Mietwohnungen) oder am ehemaligen Mautner-Markhof-Gelände am Wilhelm-Weber-Weg im 11. Wiener Bezirk (65 Mietwohnungen, 26 Heimeinheiten) sowie in der Perfektastraße (115 Wohnungen) im 23. Wiener Bezirk.
„Unser Ziel ist es, in Kooperation mit renommierten Partnern architektonisch ansprechende Projekte zu realisieren, die sich städtebaulich optimal in die Umgebung einfügen, ohne dabei die Leistbarkeit der Wohnungen und den vernünftigen Einsatz von Wohnbaugeldern aus den Augen zu verlieren”, sagt ÖSW-Vorstand Michael Pech.