WIEN. Österreichs Wirtschaft steckt weiter in der Rezession. Steigende Lebenshaltungskosten und ein stagnierendes BIP-Wachstum beeinträchtigen die Kaufkraft der Konsumenten massiv. Der Handel steckt in einer tiefen Krise. 39% aller Händler machten 2023 Verluste. Im Vorjahresvergleich stiegen die Insolvenzen im Handel 2024 um 16,7 %. Das Beratungsunternehmen Advicum Consulting sieht den Schlüssel zum Erfolg in einer klaren Fokussierung auf die Kundenreise und empfiehlt, traditionelle Ansätze hinter sich zu lassen.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben herausfordernd: 2023 lag die Inflation bei 8,6 %, während das BIP für 2024 auf -0,6 % prognostiziert wird. Hinzu kommen steigende Personal- und Raumkosten. „Ohne effiziente Strategien zur Kostenoptimierung wird der Druck auf die Händler unerträglich“, warnt Andreas Kornberger, Associate Partner bei Advicum. 39 % der Händler machten 2023 Verluste, und auch 2024 sieht es nicht besser aus. Im Zeitraum von Q1 bis Q3 verzeichnete der Handel 853 Insolvenzfälle. Das entspricht im Vorjahresvergleich
+ 16,7 %, was durch den schwachen Inlandsmarkt und rückläufigen Export verstärkt wird. „Gesunkene Nachfrage, höhere Kosten und geopolitische Unsicherheiten – das perfekte Sturm-Szenario. Der Handel muss die Herausforderung als Chance begreifen und endlich aktiv werden“, ergänzt Kornberger. In einer Zeit, in der sich die Kundenbedürfnisse rasant verändern und Mitarbeiter nach neuen Wegen suchen, bleibt nur eines: sich auf die Zukunft einzustellen.
Der stationäre Handel unter Druck: Effizienz statt großer Flächen
Auch das Kaufverhalten der Konsumenten hat sich stark verändert. 40 % der Haushalte planen ihre Einkäufe gezielter und nutzen verstärkt Sonderangebote. Die Markenloyalität nimmt ab, während 36 % auf günstigere Produkte setzen und der Discounthandel boomt. „Bis 2025 wird der E-Commerce-Anteil am Einzelhandelsumsatz auf über 20 % steigen. Was zählt, ist Effizienz: E-Commerce-Giganten wie Temu und Shein setzen schon jetzt mit günstigen Preisen und schnellen Lieferzeiten den heimischen Markt zusätzlich unter Druck. Ohne klare Differenzierung haben lokale Händler kaum eine Chance“, erklärt Kornberger.
Auf der anderen Seite kämpft der stationäre Handel mit erheblichen Leerständen: Über 550.000 m² Verkaufsfläche standen 2023 zur Disposition - vor allem in Randgebieten und kleineren Städten. Shopping-Malls verzeichnen aktuell bereits 5 % Leerstand, der auf 10 % steigen könnte. Kornberger betont: „Die Zeiten steigender Umsätze durch große Flächen sind vorbei. Jetzt zählt Effizienz.“
Prognose für Q4 2024: Keine Entspannung in Sicht?
Auch im vierten Quartal 2024 bleibt das Konsumklima in Österreich angespannt. Trotz Inflationsrückgang halten wirtschaftliche Unsicherheiten die Konsumausgaben auf niedrigem Niveau, während technologische Innovationen und Omnichanel-Strategien an Bedeutung gewinnen. Advicum Consulting prognostiziert:
Einzelhandel: Die Konsumausgaben stagnieren oder werden nur minimal wachsen. Haushalte setzen auf günstige Alternativen, während wirtschaftliche Unsicherheiten und das schwache BIP-Wachstum die Kauflust weiter dämpfen werden. „Wer jetzt die Bedürfnisse der Kunden nicht erkennt und umsetzt, wird überrollt“, betont Kornberger.
Nachhaltigkeit & Gesundheit: Der Markt für Gesundheits- und Wellnessprodukte wird leicht wachsen. Second-Hand-Produkte gewinnen an Bedeutung, aber die Konsumenten bleiben weiterhin preissensibel.
Technologie & Innovation: Der Einzelhandel muss auf technologische Innovationen setzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Künstliche Intelligenz und Big Data bieten erhebliche Vorteile, während personalisierte Einkaufserlebnisse immer wichtiger werden. „Innovationen sind nicht optional, sie sind entscheidend für den zukünftigen Erfolg des heimischen Handels“, betont Kornberger.
Wandel statt Stillstand: Advicums Strategien für den Handel der Zukunft
Um den Retail-Sektor wieder auf Kurs zu bringen, braucht es mehr als nur kleine Anpassungen. Der stationäre Handel muss seine Rolle neu definieren und den physischen Mehrwert betonen. Advicum Consulting empfiehlt konkrete Schritte, um diesen Wandel einzuleiten:
Differenzierender Mehrwert für Kunden: Ein klares Profil und eine starke Positionierung schaffen Wettbewerbsvorteile (USP & Competitive Edge).
Optimierung der stationären Fläche: Die Rolle des physischen Geschäfts muss maximiert und neu definiert werden.
Maximaler Fokus auf den Kunden: Die nahtlose Customer Journey Map wird zum wichtigsten strategischen Tool. „Der Kunde will ein Erlebnis – das müssen die Unternehmen liefern“, so der Handelsexperte.
Nahtloses Kundenerlebnis: Alle Touchpoints müssen perfekt ineinandergreifen, um ein einheitliches Kundenerlebnis zu schaffen.
Aufbau von Communities: Personalisierte Ansprache, Kundenbindung und Komfort stehen im Fokus.
Nachhaltigkeit trotz Kostendruck: „Das Thema Nachhaltigkeit ist trotz Kostendruck eine Notwendigkeit“, betont Kornberger. Effizientere Wertschöpfungsketten und strategische Investitionen in Künstliche Intelligenz bieten dem Handel die Chance, sich vom Wettbewerb abzuheben und Prozesse zu optimieren.
Plattformen nutzen: Wertschöpfung durch Plattformintegration.
Optimierung der Wertschöpfungskette: Gezielter Einsatz von KI sorgt für höhere Effizienz und bietet einen klaren Wettbewerbsvorteil.
„Cash ist King. Eine solide Liquiditätsplanung ist unverzichtbar. Ohne sie wird es für viele Händler schnell eng“, ergänzt Kornberger. Ebenso wichtig ist es, die Bonität bei Kreditversicherern zu sichern. Auch die Optimierung des Cash Circles durch effiziente Verwaltung von Lieferanten, Marken und Eigenmarken spielt eine zentrale Rolle. Um die Produktivität zu steigern, müssen Kennzahlen wie Traffic, Conversion Rate und GMROI optimal genutzt werden. „Jeder Quadratmeter muss maximale Effizienz bringen“, betont Kornberger. Zudem sollten Technologien wie Künstliche Intelligenz und Big Data eingesetzt werden, um datenbasierte Entscheidungen zu treffen und den Wettbewerbsvorteil zu sichern. Diese Maßnahmen sichern nicht nur Stabilität, sondern auch Zukunftsfähigkeit.