Auf Augenhöhe mit dem Lebensmittelhandel
© BMNT/Paul Gruber
EinigkeitBundesministerin Elisabeth Köstinger inmitten (nahezu) aller österreichischen Handelsbosse, die sich zu mehr Fairness für Bauern ­bekennen.
RETAIL christian novacek 30.11.2018

Auf Augenhöhe mit dem Lebensmittelhandel

Heimische Händler geloben geschlossen, kleinstrukturierte Unternehmen und Bauern fair zu behandeln.

••• Von Christian Novacek

Das war ein schönes Stück Arbeit, ist Handelsverbandsgeschäftsführer Rainer Will überzeugt, aber nun ist er gelungen: Der Zusammenschluss (fast) aller Händler in Österreich, die sich für mehr Fairness für Bauern und Kleinproduzenten aussprechen. Konkret handelt es sich dabei um Rewe International AG, Spar AG, Hofer KG, Lidl Österreich GmbH, Metro Österreich GmbH und Unimarkt. Die Genannten haben nicht nur eine Fairness-Deklaration in schöne Worte gegossen; für deren praktische Umsetzung wird letztlich, in 2019, eine (weisungsfreie) Behörde sorgen. Die soll im Umfeld der Bundeswettbewerbsbehörde angesiedelt sein.

Elisabeth Köstinger, Ministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, sieht das so: „Der Kampf gegen unfaire Geschäftspraktiken hat für mich höchste Priorität. Es ist mir ein persönliches Anliegen, die Stellung der Bäuerinnen und Bauern in der Lebensmittelwertschöpfungskette zu stärken. Denn nur mit fairen Preisen können wir die wirtschaftliche Situation unserer bäuerlichen Familienbetriebe in Zukunft stärken.”
Gemeinsam mit der BWB hat das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus bereits einen Fairnesskatalog gegen unfaire Geschäftspraktiken ausgearbeitet. Dabei geht es um Dinge wie die Weigerung, Verträge schriftlich abzuschließen, Zahlungen ohne klar nachvollziehbare Gegenleistungen im Kontext der branchenüblichen „Listungsgespräche”, einseitig rückwirkende Vertragsänderungen, das Zurückschicken nicht verkaufter Waren an den Produzenten (z.B. Bäcker).

Bauern als Whistleblower?

Dezidiert wendet sich der aktuelle, moralische Schritt in die richtige Richtung, an die Bauern. Die sollen über die neue Behörde in die Lage versetzt sein, sich anonym über unfaire Usancen im Handel zu beschweren. Bewährt hätte sich hier das Whistleblower-System der BWB.

Gleichsam verortet die Ministerin die neu geschaffene Gegebenheit, dass der Bauer mit dem Händler auf Augenhöhe redet –das nennt sich „niederschwelliger Zugang”. Das mag aufs erste Hinschauen verwundern, zumal zwischen Bauer und Großhandel meist eine genossenschaftliche Struktur quersteht. Indes: Es soll ebenfalls eine ganz klare, indirekte Wirkung auf die Produzenten geben. Und, so Köstinger: „Grundsätzlich gilt es, die Kleinstruktur zu schützen – ich will jedenfalls nicht, dass bloß drei große Molkereien den Konsum bestimmen.”
In der Praxis läuft allerdings der Dialog zwischen Bauer und Händler bereits heute gar nicht selten auf Augenhöhe. Spar-Vorstand Fritz Poppmeier dreht den Spieß um: „Wir als Händler müssen heute unheimlich laufen, damit wir Partner der Bauern sein dürfen.” Weiters sei die Spar aufgrund ihrer Struktur (sechs Regionalzentralen) de facto prädestiniert, einen regen Dialog mit der Bauernschaft zu führen. „Es gibt keinen besseren Partner für die Landwirtschaft als die Händler und die Konsumenten”, führt Poppmeier aus. Nahezu jeder Spar-Kaufmann hat seinen Bauern, der ihm das Großhandelssortiment individuell aufpeppt.
Letztlich sind es dann die österreichischen Konsumenten, die qualitätsbewusst einkaufen – womit sich eine Divergenz auftun kann. Denn: Manchmal, also bei schwierigen Ernten bzw. schwer in den Griff zu kriegenden Schädlingen, würde der Bauer nicht ungern zum (erlaubten) Giftsprühen neigen – hier ist es, so Poppmeier, Verantwortung des Handels, was er ins Sortiment aufnimmt und was nicht. Die Position von Spar ist in diesem Belang klar und lautet auf ‚kein giftiges Zeug im Sortiment'.

Mit einer Stimme sprechen

Das sagen die Händler zur Selbstverpflichtungerklärung:

Marcel Haraszti, Rewe International AG: „Wir setzen seit Jahren auf enge und langfristige Partnerschaften mit der österreichischen Landwirtschaft. Die Unterzeichnung der freiwilligen Selbstverpflichtung verstehen wir daher als Bestätigung für unsere Partner, dass wir eine weitere Verbesserung unserer Geschäftsbeziehungen und eine Stärkung ihrer Position in der Wertschöpfungskette sehr ernst nehmen.”

Fritz Poppmeier, Spar AG: „Wir begrüßen die Initiative von Frau Bundesministerin Köstinger und Herrn Generaldirektor Thanner, einen klaren Standard für die geschäftlichen Beziehungen zwischen Handel und Landwirtschaft flächendeckend und nachhaltig sicherzustellen. Die Partnerschaft mit den Bauern ist seit 65 Jahren ein Eckpfeiler des Handelns von Spar. Daher unterstützen wir den Fairnesskatalog gern.”

Horst Leitner, Hofer KG: „Wir sehen es als unsere Pflicht, als führender Diskonter im Lebensmittelhandel einen positiven Beitrag zu den Themen Fairness und unternehmerisches Wohlverhalten zu leisten. Die Maßnahmen bilden eine für uns selbstverständliche Basis der erfolgreichen und fairen Zusammenarbeit mit Vertragspartnern und Lieferanten. Das dadurch geschaffene Vertrauen in unseren Handelsbeziehungen stellt einen klaren Vorteil für alle Beteiligten entlang der kompletten Wertschöpfungskette dar – eine Situation, von der alle profitieren. Definierte Rahmenbedingungen und die Etablierung einer Ombudsstelle stehen für noch mehr Transparenz und einen intensiveren Informationsaustausch, der uns als Unternehmen unterstützt, stetig Verbesserungen vorantreiben zu können.”

Christian Schug, Lidl Österreich GmbH: „Wir sehen die Selbstverpflichtung als richtiges Signal, das auch unserem Anspruch entspricht: Wir verhandeln hart, aber fair. Gleichzeitig pflegen wir einen wertschätzenden und vertrauensvollen Umgang mit unseren Geschäftspartnern. Ziel ist ein langfristiges Auskommen von allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette.”

Xavier Plotitza, Metro Österreich: „Es gibt aufseiten der Metro ein großes Wohlwollen, innerhalb der Lebensmittel­lieferkette mehr für die Unterstützung und das bekömmliche Auskommen unserer kleinen und mittleren Landwirte zu tun. ­Metro Österreich ist als Lebensmittelhändler eng verbunden mit diesem kulturell wie wirtschaftlich so wichtigen Sektor. Deshalb ist es für uns von Bedeutung, heute ein nachhaltiges Zeichen zu setzen. Wir sind davon überzeugt, dass der Fairnesskatalog der ­Bundeswettbewerbsbehörde mitsamt seiner Ombudsstelle ein anerkanntes Instrument für faire Vertragsbedingungen und unternehmerisches Wohlverhalten sicherstellt.”

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