••• Von Christian Novacek
WIEN. „Es wird keine Revolution”, setzt Merkur-Vorstand Kerstin Neumayer die Prämisse, „ich weiß nicht, ob das 0,5 oder ein Prozent oder auch mal zehn Prozent vom Umsatz werden. Aber ich weiß, dass wir einer dynamischen Entwicklung entgegensehen.” Der Onlinelebensmittelhandel sei zwar ein relativ neues Thema, aber er ist definitiv angekommen – nach Billa jetzt mit Merkur.
Wahrscheinlich wird er bleiben – in Ergänzung und weniger in direkter Konkurrenz zum stationären Geschäft. Denn der Hauptvorteil des Onlineshoppens sei schon der Convenience-Aspekt, also die Zeit- und Mühe-Ersparnis. Der sensitiv in Lebensmittel verliebte Konsument wird weiterhin das Geschäft aufsuchen. Wiewohl: Das Einkaufserlebnis darf im Virtuellen nicht zu kurz kommen. „Neben dem einfachen und schnellen Einkauf wollten wir im Onlinebereich das Einkaufserlebnis implementieren”, führt Merkur eCommerce-Leiter Philipp Heim aus.
Herausgekommen ist nach einem Jahr plus drei Monaten ein mehr als solider Onlineshop – mit der Option auf die Spitzenklasse. Rund 13.000 Artikel gibt es zum Start, das Potenzial weist in Richtung 20.000. „Wir werden den umfassendsten Onlineshop im österreichischen LEH haben”, stellt Neumayer klar. Das soll ab 2017 regional nachvollziehbar sein: Zu Wien und Umgebung stoßen dann Graz und Linz als Liefergebiete dazu; längerfristig lautet der Ausrollplan auf Flächendeckung in Österreich.
Ein Routine-Job?
Zu den Basics des Onlineshops: Die Bestellungen treffen elektronisch im Merkur Markt Schönbrunner Allee 18 in Vösendorf ein, der vorerst der einzig zuständige Markt für Onlinegeschäft ist. Die georderten Artikel werden auf Frische und Mindesthaltbarkeit geprüft, verpackt und zum Transport vorbereitet. Sieben Arbeitsplätze habe man geschaffen. Bis die bestellten Waren verladen werden, lagern sie in eigenen Kühlräumen.
Angeboten werden sowohl kurze (2 bis 3 Stunden) als auch lange Lieferzeitfenster (6 bis 7 Stunden), wochentags ist die Zustellung bis 21 Uhr möglich. „Wir haben uns bestmöglich auf den Arbeitsalltag der Menschen eingestellt”, sagt Neumayer. Bei Bestellung bis 14 Uhr wird auf Wunsch am gleichen Tag zugestellt. Je nach Lieferzeitfenster und Liefertag fallen Liefergebühren von 3,90 bis 5,90 € an. Der Mindestbestellwert liegt bei 25 €, wurde aber im Testlauf meist stark überboten. „Der Durchschnittseinkaufskorb lag bei 50 Euro”, ist Heim mehr als zufrieden. Zum Vergleich: Im stationären Geschäft liegt der durchschnittliche Warenkorb bei rund 35 Euro.
Zugestellt wird letztlich über den Logistikpartner Veloce Botendienst GmbH. Frische und Kühlung werden durch den protokollierten Einsatz von Kühlbehältern und -mitteln garantiert. Somit sind TK-Produkte im Regelfall besser geschützt als bei der privaten Einkaufstour – die Hitliste in der Bestelliste führen dennoch Frischeprodukte (Obst & Gemüse) sowie Getränke an. Letztere kommen naturgemäß im Einweggebinde an die Haustür. Ein Detail zum Obst: Bananen werden sinnvollerweise nach Stückzahl bestellt – und nach Gewicht abgerechnet.
Maßgeblich für die Zukunft
Alles in allem ist es also ein stimmiges Onlinepaket, das Merkur fabriziert hat. Demgemäß soll es als Blaupause für künftige Online-Aktivitäten des Rewe-Konzerns herhalten – selbst Billa wird irgendwann mit Merkur-Technik neu starten. Nachjustieren da und dort ist ebenfalls wahrscheinlich; beispielsweise ist in der Erstversion keine Kundenrezension möglich, in Zukunft ist sie nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Bei der Deklaration der Inhaltsstoffe folgt die Verbrauchermarktlinie gesetzlichen Vorgaben. Das heißt allerdings, dass man derzeit mit Etikettenlesen am Regal im Geschäft die Nase vorn hat. Mehr als fair ist die Übernahme der Aktionspreise im Markt ins eBusiness – ausgenommen sind lediglich die wöchentlichen „Ich such's mir aus”-25% Rabatte. Mehr als fair deshalb, weil zwischen Selbstabholung und Zustellung ein logistischer Aufwand steht - der monetär mit 3,90 € etwas lumpig abgegolten wird.
Neumayer: „Leider ist das Bewusstsein für die Leistung, die wir im Onlineshop bieten, noch nicht beim Konsumenten angekommen. Es gibt einige, die nicht einsehen, dass das Onlinegeschäft nicht günstiger sein kann als der Einkauf im Geschäft.” Der Internet-Riese Amazon hat hier beim Konsumenten für eine Preiswahrnehmung gesorgt, die im Grunde realitätsfern ist – nachgerade bei Lebensmitteln. Sollte Amazon aber ernsthaft ins (frische) Lebensmittegeschäft einsteigen, dann hat er nach Einschätzung vieler Branchenkenner ganz schnell das Preisdiktat in der Hand – weil er Verluste kompensieren kann. Einschränkung: Wenn sich bis dahin die Lebensmittelhändler gut in Stellung gebracht haben, könnte sogar ein Gigant stolpern.