••• Von Daniela Prugger
WIEN. Die vielen Zuschriften von Konsumenten waren es, die den VKI dazu bewegt haben, den Anteil von Plastikverpackungen im Handel zu erheben. Denn gefühlsmäßig, sagt Projektleiterin und VKI-Ernährungswissenschaftlerin Birgit Beck, sei es für die Konsumenten so, dass gerade beim Obst und Gemüse alles nur noch in Plastik verpackt ist. Immer im Sommer und über drei Jahre hinweg hat sich der VKI deshalb dieselben Produktgruppen näher angesehen: Äpfel, Gurken, Karotten, Paprika und Tomaten, die Lieblingsobst- und Gemüsesorten der Österreicher. Das Ergebnis ist ernüchternd: Der Anteil an plastikverpacktem Obst und Gemüse noch immer hoch. Zwar versprachen die Unternehmen Besserung, doch getan hat sich wenig.
medianet: Im Schnitt fallen bei 60 Prozent der Ware Plastikmüll an. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?
Birgit Beck: Ich bin Naturwissenschaftlerin, von Überraschungen versuche ich mich fernzuhalten. Aber was wir gesehen haben: Im ersten Jahr waren 61 Prozent in Plastik verpackt, ein Jahr später 59 Prozent. Daraufhin haben wir die Anbieter dazu befragt, die meinten, dass sie dies reduzieren wollten. Im dritten Jahr sind wir bei 57 Prozent. Es hat sich bei der Menge an Produkten so gut wie nichts verändert, man sieht leichte Tendenzen in Richtung Öko-Plastik oder Papier. Aber das Grundproblem, dass noch immer sehr viele Produkte verpackt sind, besteht nach wie vor.
medianet: Welche Probleme entstehen dadurch?
Beck: Die Geschäfte mögen einen Vorteil daraus ziehen, dass die Produkte länger haltbar sind. Aber die Müllproblematik wird dadurch vom Handel auf den Konsumenten verlagert. Die Entsorgung raubt Zeit, ist aufwendig und kostet Geld, weil für die Entsorgung muss der Konsument zahlen. Zudem können Großpackungen vom Konsumenten oft nicht vollständig aufgebraucht werden. Wenn also so viel in Verpackungen angeboten wird, hängt man letztendlich auch die Lebensmittelverschwendungsthematik dem Konsumenten um. Weil wenn er die Lebensmittel nicht aufessen kann, dann muss er das, was er nicht verbrauchen kann, entsorgen.
medianet: Warum ist Plastik als Verpackungsmaterial im Lebensmittelhandel anscheinend auch heute noch unverzichtbar?
Beck: Das muss man die Anbieter fragen. Ich stehe am anderen Ende der Kette. Meine Vermutung ist, dass eine größere Menge an offener Obst- und Gemüseware betreuungsintensiver ist. Man benötigt dann auch mehr Personal, das aussortiert, während die in Plastik verpackte Ware schneller transportiert und eingeräumt werden kann. Bei kleinstückiger Ware, also Beeren etwa, würde eine Verpackungsfreie Variante sowieso nicht funktionieren. Wir aber haben uns in der Erhebung nur solche Obst- und Gemüsesorten angeschaut, die aufgrund ihrer natürlichen Schale auch ohne Plastik funktionieren würden.
medianet: Wie groß ist denn das Bewusstsein beim LEH und den Produzenten, wenn wir über die Plastikproblematik sprechen?
Beck: Insgesamt ändert sich wenig, aber es gibt einzelne Anbieter, bei denen sich viel geändert hat. Die Plastikquote reicht von 14 Prozent beim Bio-Anbieter denn’s bis zu 76 Prozent beim Schlusslicht Penny. Die deutlichsten Verbesserungen gab es im selben Zeitraum bei Interspar (minus 26 Prozent) sowie bei Nah&Frisch (minus 25 Prozent). Wer sich insgesamt auch bemüht, sind Hofer und Lidl.
medianet: Welches Produkt wird besonders oft und stark verpackt?
Beck: Bei den Karotten gab es wie schon im Vorjahr wenig Bewegung, knapp 85 Prozent werden verpackt angeboten. Unverpackte Karotten bekommt man am ehesten bei denn’s. Ausschließlich in Plastik verpackte Karotten gab es im Erhebungszeitraum bei Hofer, Billa, Etsan, Lidl und Penny.
medianet: Welchen Einfluss auf die Akzeptanz von Plastikverpackungen hatte die Coronakrise und der damit einhergehende Fokus auf Hygiene, Viren, Keime? Haben sich die Konsumenten wieder an Plastik gewöhnt?
Beck: Mit Sicherheit spielt Corona eine große Rolle. Es gibt eine kleine Gruppe an Konsumenten, die sich davor ekeln, wenn jemand vorher schon ein Produkt in den Händen hatte. Deshalb wäre eine gute Betreuung in den Obst- und Gemüseabteilungen wichtig. Weil dieses Ich-quetsch-alles-mit-den-Fingern ist in Österreich stark verbreitet. Ich glaube aber, dass der Trend insgesamt weg von Plastikverpackungen geht – trotz Corona.
medianet: Kompostierbares Verpackungsmaterial aus Kunststoff zählt in Ihrer Erhebung zum Plastik. Wie nachhaltig ist kompostierbares Material?
Beck: Zum einen ist die Unterscheidung zwischen kompostierbarem und nicht kompostierbarem Kunststoff nicht immer einfach. Zum anderen haben wir das Problem, dass kompostierbares Material in den großen Kommunen oder in Wien noch immer verbrannt wird – es wird nicht kompostiert. Solange das nicht gegeben ist, macht es für den Konsumenten ja keinen Sinn. Das Problem für den Konsumenten bleibt: die Müllentsorgung und die Großverpackungen.