Der Strukturwandel der Städte setzt sich fort
© leadersnet/Günther Langegger
Trio v.l.: Rainer Will (Handelsverband), Roman ­Schwarzenecker und Hannes Lindner (beide Standort + Markt) bei der Präse­ntation des „S+M City Retail Health Check 2023”.
RETAIL Redaktion 24.03.2023

Der Strukturwandel der Städte setzt sich fort

Der Shopflächenrückgang verlangsamt sich, nimmt aber trotz sinkender Leerstandsraten kein Ende.

••• Von Paul Hafner

Zunächst die frohe, eher unerwartete Kunde des jüngst vorgestellten „City Retail Health Checks 2023” von Standort + Markt: Die Leerstandsquote in den erhobenen Primär- und Sekundärstädten weist gegenüber dem letzten Jahr einen durchschnittlichen Rückgang von 7,4% auf 6,8% auf. In den 24 betrachteten Innenstadtbereichen ging die Leerstandsrate von 6,1% auf 5,3% zurück, in den Top-Lagen liegt sie mit starken 4,3% sogar knapp unter den 4,4% der EKZ.

Eine „definitiv erstaunliche” Momentaufnahme sieht darin S+M-Gesellschafter Roman Schwarzenecker, wiewohl man seit einigen Jahren ein „maßgebliches Wachstum bei Flächen im Umbau, die oftmals ehemalige Shopflächen beinhalten”, verzeichne – ob diese zukünftig „tatsächlich einen Nutzer finden, bleibt offen, die Leerstandsquote könnte damit in den kommenden Jahren weiter steigen”.

Strukturwandel im Gange

Die weniger frohe Kunde der Studie: Der Shopflächenrückgang hat sich nicht ins Gegenteil verkehrt, statt Händlern ziehen immer häufiger Büros, Arztpraxen, Lagerflächen, Gastronomen oder Hotels ein.

Mit 1.600 m² Verkaufsflächenverlust fällt dieser gegenüber dem Vorjahr, als ein Minus von 54.000 m² zu Buche stand, zwar wesentlich geringer aus; doch ist die Lage immer noch besorgniserregend. Zumal bei der Zahl 90% der Ortskerne und Peripherien in den ländlichen Regionen noch gar nicht berücksichtigt sind, „wo sich das wahre Ausmaß aufgrund langer Laufzeiten bei Miet- und Pachtverträgen erst noch zeigen wird”, wie Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will hervorstreicht.

Ruf nach Reformen

Allein im Mode- und Schuhhandel ist die Verkaufsfläche im letzten Jahrzehnt um rund 16% eingebrochen. „Der Bekleidungssektor nimmt zwar in Innenstädten noch immer fast die Hälfte der gesamten Einzelhandelsflächen ein, er hat aber 2020 und 2021 stark an den Onlinehandel verloren”, betont Will. Schuld daran seien „in erster Linie ausbleibende Reformen, die den stationären Handel in Österreich stärker belasten als die Retailer in den meisten anderen EU-Ländern. Durch die Teuerung hat sich nochmals ein Multiplikator der Aufwände gebildet. Manche Nahversorger und Kleinhändler sind zwar am Papier in Betrieb, allerdings drückt die Kostenbelastung die geöffnete Türe zu.”

Geordneter Rückzug?

„Der Einzelhandel implodiert weiterhin im Zeitlupentempo”, sieht auch Hannes Lindner, Geschäftsführer von Standort + Markt, keine nachhaltige Entspannung im Shopflächengeschehen. Die Shopbetreiber würden momentan „nicht gerührt, sondern richtig durchgeschüttelt”; so würden nicht zuletzt die kürzlich rapportierten Cofag-Rückforderungen „jetzt einige Händler in die Insolvenz befördern”. Die Turbulenzen im Shopflächenmarkt könnten sich daher „umfassender gestalten, als wir sie heute vermuten”, legt Lindner einen sorgsamen Umgang mit den schlichten Zahlen der Studie nahe.

„Möglicherweise sind Shops nicht immer der Weisheit letzter Schluss, und wir müssen zu einem geordneten Shopflächenrückgang übergehen”, so Lindner – wichtig sei jedenfalls, dass der Einzelhandel auf gesunden Beinen stehe.

Positive Ausreißer

Während die österreichweite Entwicklung laut Lindner generell als „heikel” einzustufen sei, gibt es einige klar positive Ausreißer. So sieht Schwarzenecker eine „sehr stabile Situation in Mödling”, die mit einer Leerstandsrate von 1,8% abermals den Top-Wert beansprucht – vor der Meidlinger Hauptstraße in Wien (2,2%) und Wels (2,3%).

Auch am anderen Ende des Rankings, beim langjährigen Sorgenkind Wiener Neustadt, gibt es gute Neuigkeiten – deren Leerstandsrate fällt mit 20,1% zwar immer noch kritisch aus, ist aber gegenüber dem 2021-Tief um mittlerweile stattliche 9,4% zurückgegangen.

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