••• Von Georg Sohler
Norbert Marcher ist Geschäftsführer von Österreichs größtem Schlacht- und Zerlegeunternehmen. Damit kommt ihm besondere Verantwortung zu – nicht nur hinsichtlich der Versorgung Österreichs mit Lebensmitteln, sondern auch gegenüber den Mitarbeitern, punkto Transparenz oder Nachhaltigkeit. Im Interview mit medianet nimmt er zu Themen aus diesen Bereichen ausführlich Stellung.
medianet: Im Mai dieses Jahres hat Marcher die Kampagne ‚Wertvoll' gestartet. Dabei geht es um die Wertschätzung für die Arbeit der Menschen bei Ihnen im Betrieb. Wie ist dies in der Branche bzw. der Öffentlichkeit aufgenommen worden?
Norbert Marcher: Wir haben mit dieser Kampagne unsere Mitarbeiter aus der Schlachtung vor den Vorhang geholt, um darauf hinzuweisen, dass ohne deren Arbeit die restliche Kette der Wertschöpfung einfach obsolet wird und dass ihre Arbeit ein äußerst wichtiger Beitrag zur Lebensmittelversorgung darstellt. In der Branche – also bei Kollegen, Branchenvertretern, Fachmedien – ist die Kampagne sehr gut angenommen worden. Von Publikumsmedien sind weder Pressemitteilung noch Fotos aufgenommen worden.
medianet: Es ist schade, dass Ihre Initiative für diesen fordernden Beruf außerhalb der Fachwelt so wenig Anklang findet. Wie findet und hält Marcher seiner Mitarbeiter?
Marcher: Fleischverarbeiter ist schon seit jeher ein Mangelberuf, der handwerkliches Geschick, Kraft und eine positive Einstellung zur Tätigkeit erfordert. Wir haben eine eigene HR-Abteilung und nutzen Facebook als Akquise-Tool, viele Kollegen kommen natürlich auch aufgrund von Mundpropaganda, also der Empfehlung eines anderen Kollegen. Viele unserer Mitarbeiter kommen zudem aus dem benachbarten Ausland wie Ungarn, Slowenien, Kroatien oder – in unseren Betrieb im nördlichen Waldviertel – Tschechien. Wir bieten Unterkünfte, kostengünstiges Essen und Mitarbeiterermäßigungen an und unsere Bezahlung ist fair.
medianet: Transparenz in Sachen Fleischproduktion ist ein großes Thema. Beispielsweise sind die Standards bei Gänsen in Österreich höher als im nahen Ausland; es ist nicht verpflichtend, dass die Gastro die Herkunft ausweist, die meisten Martini-Gansln kamen laut Medien aber aus dem Ausland. Wie würden Sie die heimischen Tierstandards gerne präsentieren?
Marcher: Die Begriffe ‚Herkunft' und ‚Tierhaltungsstandards' werden häufig undifferenziert verwendet, und EU-Mindeststandards bei der Tierhaltung sind einheitlich geregelt, machen also nicht vor einer Ländergrenze halt. Teilweise gibt es in Österreich über die EU-Vorgaben hinausgehende Mindeststandards auf gesetzlicher Ebene und darüber hinaus – wie auch in anderen Ländern – private Programme mit noch höheren Standards. Nachdem in der ausgelaufenen Legislaturperiode eine gesetzliche Tierhaltungs-Kennzeichnungspflicht nicht mehr zustandegekommen ist, bemüht sich die Branche – von der Landwirtschaft, über die Verarbeitung bis hin zum Lebensmittelhandel – aktuell um einen privatrechtlichen Konsens, mit dem Ziel, dem Konsumenten diesbezüglich Transparenz zu bieten.
medianet: Spricht man über wertvolle Lebensmittel, geht es auch um deren Lagerung. Einige Wurstprodukte aus Ihrem Hause werden in Standbeuteln angeboten. Was ist deren Vorteil?
Marcher: Wir bieten unsere Roh- und Dauerwurstsnacks im Standbeutel an, weil diese Verpackung äußerst praktisch ist, wiederverschließbar, platzsparend und wesentlich besser im Regal sichtbar. Diese moderne Verpackung wurde momentan vor allem in Deutschland sehr positiv aufgenommen.
medianet: Sie bieten Leo&Ben an, Tierfutter, hergestellt in Österreich. Steht hier auch ‚Nose-to-tail' im Fokus und wie entwickelt sich die Marke und welche Rolle spielt B.A.R.F., also Rohfleischfütterung?
Marcher: Hundefutter-Erzeugung ist die klassische ‚Nose-to-tail'-Verarbeitung – wir haben dafür einen stillgelegten Betrieb in Leoben umgerüstet und erzeugen seit einem Jahr getrocknete Kauartikel. Der Markt ist groß, aber auch kompetitiv. Wir setzen auch bewusst auf die Österreichkarte, weil viele Kauartikel aus sehr fernen Ländern importiert werden. Auch für B.A.R.F. sehen wir einen Markt und bieten dies aber nur in unserem Schlachthof in Graz an.
medianet: Abschließend – was wünschen Sie sich vom Jahr 2025?
Marcher: Erstens Klarheit hinsichtlich der Vorgaben in der Schweinehaltung, damit die Grundlage zur Auflösung des langjährigen Investitionsstaus im Schweinestallbau gegeben ist. Zweitens einen Abbau von Bürokratie und Lohnnebenkosten, um die österreichische Wirtschaft wieder international wettbewerbsfähiger zu machen. Und drittens wünschen wir uns eine Versachlichung der Diskussion bei den Themen Tierhaltung sowie Auswirkungen des Fleischkonsums auf den Klimawandel.