••• Von Paul Hafner
WIEN. Wie geht es Österreichs Shoppingcentern rund zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie? medianet retail führte dazu ein Gespräch mit Roman Schwarzenecker, seit 1996 Gesellschafter und Prokurist bei Standort + Markt.
„Anhand der Berechnungen und Projektionen, die wir auf Basis unserer Daten getroffen haben, gehen wir für 2021 im Vergleich zum Vorkrisenjahr von einem Umsatzminus von rund zehn Prozent aus”, erklärt Schwarzenecker. Bei einem Vorkrisen-Gesamtumsatz der österreichischen Einkaufzentren von rd. 13,6 Mrd. € wären das knapp 1,4 Mrd. € Umsatzentgang.
Wenngleich man bereits im vergangenen Jahr eine gewisse Erholung bemerkt hätte, habe man „natürlich auch gesehen, wie stark die Shoppingcenter von der Gastronomie abhängig” seien – und dass man die Lokale als Frequenzbringer in ihrer Dimension sogar noch unterschätzt habe. „Es vergeht den Kunden natürlich das Shopping, wenn sie sich dazwischen nicht in ein Lokal setzen können, durchgehend ihre Maske tragen und sich im schlimmsten Fall in jedem einzelnen Geschäft ausweisen müssen”, führt Schwarzenecker die unheilvolle Kombination an Gründen für den Frequenzverfall in den Einkaufzentren aus.
Keine Schalterumlegung
Die bevorstehenden Lockerungsschritte, die morgen (Samstag) in Kraft treten werden, dürften natürlich für einen Boost sorgen, doch mit einer nachhaltigen „Schalterumlegung” rechnet Schwarzenecker nicht.
Eine wirkliche Rückkehr zur Normalität sei erst mit einem deutlichen Rückgang des Infektionsgeschehens zu erwarten. Das lege auch der Vergleich mit Kultureinrichtungen nahe: „Wenn Sie ins Theater gehen, bekommen Sie aktuell leicht Karten für Vorstellungen, für die sie vor dem Pandemieausbruch keine bekommen hätten. Die Menschen sind weiterhin verunsichert, sie stecken sich weiterhin an; dass sie den Einkaufszentren jetzt plötzlich die Türen einrennen werden, das glaube ich nicht”, hält Schwarzenecker den Ball flach.
Mit einem deutlichen Frequenzplus sei angesichts der kommenden Öffnungsschritte"D" aber jedenfalls zu rechnen.
Polarisierung der EKZ-Modelle
Der generelle Wandel der Einkaufs- hin zu Erlebniszentren ist durch die Pandemie begreiflicherweise ins Stocken geraten; seine Fortsetzung steht aber außer Zweifel. „Ich gehe davon aus, dass es hier – in den Städten – zu einer gewissen Polarisierung kommen wird, dass sich die Center hier etwas auseinanderentwickeln; auf der einen Seite verstärkt hin zu Fachmarkt- oder ‚Nahversorgungs'-Zentren für den erweiterten täglichen Bedarf und auf der anderen Seite zu großen Erlebnis-Centern mit diversen Shops, Kino, Trampolinpark und breitem Gastronomie-Angebot. Der Mittelteil könnte etwas zerrieben werden.”
Apropos zerreiben: Das große Händlersterben sei (auch) in den Einkaufzentren bislang weitgehend ausgeblieben. „Es kann aber schon sein, dass potenzielle Opfer aktuell noch künstlich durch Förderungen am Leben gehalten werden – diese Förderungen laufen erst aus, daher kann es schon sein, dass hier noch etwas passiert; insofern wird es hier jetzt bald noch einmal spannend”, erläutert Schwarzenecker – und schickt nach: „Aber nicht in dem Maße, wie dies oftmals verlautbart wird – Riesensterben, Dead Malls, etc. Das wird nach meiner Einschätzung in den kommenden Jahren nicht passieren, nicht in dieser Vehemenz.”
Refundierungen ungeklärt
Die größten noch zu bewältigenden Herausforderungen sowohl für Bestandnehmer als auch Bestandgeber sieht Schwarzenecker, der auch Generalsekretär des Austrian Council of Shopping Places (ACSP) ist, weiterhin im Bereich der Miet- bzw. Pachtzahlungen während der Lockdowns und deren Refundierungen.
Schwarzenecker: „Ich würde mir hier Rechtsklarheit und Rechtssicherheit wünschen, andernfalls werden wir jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen erleben. Diese haben bereits begonnen und lenken den Bestandnehmer von dem ab, was er tatsächlich möchte, nämlich Handel treiben; der Bestandgeber wiederum wird daran gehindert, seine Immobilien zeitgemäß zu adaptieren.” Letzteres sei aber „immens wichtig”, um dem E-Commerce die Stirn bieten zu können.
Zu den „Verkomplizierungen” durch die variierenden Förderungsmodelle für Händler von Lockdown zu Lockdown komme, dass umgekehrt die Einkaufszentren „als einer der wenigen Wirtschaftszweige in keiner Art und Weise gefördert wurden”. Die Situation sei angesichts der „unabgesteckten Spielregeln” jedenfalls eine große Belastung – und das Refundierungs-Thema werde die Branche „mit Sicherheit noch weiter beschäftigen”.