Ein Blick hinter die Wurstkulissen
© Marcher Fleischwerke/Günther Linshalm Fotografie
RETAIL Redaktion 30.05.2025

Ein Blick hinter die Wurstkulissen

Geschäftsführer Norbert Marcher lud dazu ein, die Produktion bei Loidl unter die Lupe zu nehmen.

••• Von Georg Sohler

Im Herzen von St. Stefan im Rosental werden Salami, Kantwurst und Snackwürste für Österreich und über die Grenzen hinaus produziert. 1960 in Weiz bei Graz gegründet, ist der ehemalige Filialist Loidl Mitte der 1990er-Jahre hierhergezogen.

Geschäftsführer Norbert Marcher und Betriebsleiter Johannes Vogel luden Fachjournalisten ein, sich ein Bild von der Herstellung zu machen. Mit den 1990er-Jahren hat der Standort heute nicht mehr allzu viel zu tun. Bereits in den Nullerjahren erweiterten die damaligen Eigentümer den ursprünglichen Betrieb. 2018 kaufte das Unternehmen die dort ansässigen GmbHs Loidl und Landhof und investierte 2019 ins Lager und ab 2022 in Erweiterungen. In Summe umfasst der Standort heute 8.000 m². Zuletzt wurden 20 Mio. € in Modernisierung und Erweiterung investiert. Davon profitieren auch die Handelspartner von Lebensmitteleinzelhandel bis Diskont.
„Transparenz ist für uns sehr wichtig”, sagt der Geschäftsführer beim Durchschreiten der Hygieneschleusen. Es gebe nichts, was man unter Einhaltung der Vorschriften nicht herzeigen könne. Der erste Schritt ist nun das Aufbereiten des Rohstoffs Fleisch.

Auf zum „Kuttern”

Um aus dem Schwein oder der Pute eine Salami (oder ähnliche Produkte) zu machen, müssen die Tiere erst einmal geschlachtet werden. Das geschieht nicht im Rosental, sondern in den hauseigenen Schlachtbetrieben. Im Rosental kommen die für die Herstellung benötigten Fleischteile in großen Kisten an.

Ein 200 kg-Wagen voll mit den verschiedensten Fleischbestandteilen wird dann gemeinsam mit einer geheimen Gewürzrezeptur „gekuttert”. Die Maschinen sorgen für eine behutsame Vermischung der Zutaten in der gewünschten Konsistenz und sehen ungefähr aus wie übergroße Küchenmaschinen.

Monate der Reife

Daraus entsteht die Masse, welche in den luftundurchlässigen Wurstdarm abgefüllt wird. Gekocht wird nicht. Salami ist eine Rohwurst, die nach der Abfüllung in Reifekammern aufgehängt wird. Je nach Größe dauert das bis zu drei Monate. Faustregel: Je kleiner, desto schneller geht es.

In aktuell 78 Reifekammern warten die Herstellungen, bis sie weiter verarbeitet und abgepackt werden können. Das können geschnittene Scheiben für die Selbstbedienung sein, es wird aber auch ungeschnitten für die Bedientheke ausgeliefert. Dabei werden sie streng kontrolliert. Die Reifung wird wortwörtlich rund um die Uhr überwacht, dafür gibt es sogar Rufbereitschaften in der Nacht und am Wochenende.
Neben den traditionellen Fleischerzeugnissen spielt am Standort auch die vegane Linie „die Ohne” eine Rolle – wenn auch in kleinerem Ausmaß. Marcher bzw. Loidl produziert vornehmlich mit Fleisch, neben den eigenen Artikeln, Handelsmarken für LEH und Diskont oder auch Industrieware unter anderem für Tiefkühlpizza.

Produktvielfalt ermöglichen

Das ergibt in Summe ca. 300 Produkte, die für Österreich und darüber hinaus gefertigt werden. Deutschland ist dabei der größte Markt, wichtig sind auch die Nachbarstaaten oder Kroatien. Der Export ist wirtschaftlich sinnvoll, im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel werden jährlich 4.400 Tonnen verkauft (RollAMA, 2024).

Betriebsleiter Johannes Vogel, der seit 15 Jahren im Betrieb ist, rechnet vor: „Wir produzieren Wurst, zwischen 11.000 und 12.000 Tonnen Frischgewicht im Jahr.” Grob gesagt benötigt man für 100 kg einzelner Rohwurstsorten Wurst bis zu 200 kg Fleisch. In Summe sind an diesem Standort rund 220 Personen beschäftigt, vorwiegend aus der Region. Das ist auch etwas, das hier in jedem Bereich auffällt: viele Menschen.

Handarbeit, viel davon

Es sind zumindest mehr Personen, als die geladene Fachjournalistenrunde erwartet. Der Lebensmittelindustrie unterstellen Medien gerne einen hohen Automatisierungsgrad. Doch da winkt Marcher ab und erwähnt, auch weil man eben daneben steht, das spätere Ummanteln der Salami mit Pfeffer. Einer bereitet vor, der andere wälzt die Wurst im Pfeffer. „Natürlich könnte man mehr maschinell machen”, erklärt er, „wenn ich hierfür eine Maschine kaufe, brauche ich dann aber trotzdem zwei Menschen, die diese bedienen.” Würde man große Maschinen anschaffen, dann ginge das zulasten der Vielfalt. Die Flexibilität kommt Handelspartnern zugute.

Auslieferung, wie gewünscht

Ist die Wurst fertig, beginnt die nächste Herausforderung: die termingerechte, zielgruppenspezifische Auslieferung. In den Reifekammern braucht es dann logischerweise nicht mehr so viel Personal. Den Abschluss der Betriebsbesichtigung bildet die Aufbereitung für die Auslieferung. Durchaus eine Herausforderung, wie Vogel meint. Verschiedene Abnehmer haben unterschiedliche Anforderungen. Eine Palette für die Eigenmarke eines Lebensmitteleinzelhändlers sieht anders aus als eine für den Diskont.

Die Wege von der Südoststeiermark aus sind dann äußerst kurz, die Logistikpartner liefern in den Großraum Wien nach Bestellung am Vortag innerhalb weniger Stunden. Ein wenig länger dauert es in den Westen, nach Deutschland kommen die Waren innerhalb von zwei Werktagen. Effizient – so ist auch der Umgang mit den Tierkörpern.

Ganzheitliche Verwertung

Was Marcher übrigens an Tieren schlachtet, wird zu einem sehr hohen Anteil weiter verarbeitet. Was aus einem der Schlachtbetriebe nicht direkt an den Verarbeitungsstandorten in Graz, Oberwaltersdorf, Bruck an der Mur, Linz oder St. Stefan im Rosental weiterverarbeitet wird, geht in die Tiernahrungsproduktion, in Gerbereien zur Ledergewinnung oder in Marchers eigene Fettschmelze – die einzige ihrer Art in Österreich. Diese liefert an die Biodieselindustrie oder an Hersteller technischer Fette, etwa für die Seifenproduktion.

Nur ein sehr kleiner Teil wird verbrannt und zur Energiegewinnung genutzt. „Das geht übrigens nur, weil wir so groß sind”, sagt Geschäftsführer Marcher. Nachhaltige Lösungen setzt man dort um, wo sie sinnvoll sind.

Sinnvolles Wachsen

Ein praxisnaher Gedankengang, der erfolgversprechend ist. Ein Bestehen seit 1929 und ein Umsatz von 626 Mio. € (2023) kommt nicht von ungefähr. Mit dem Umbau der Marcher Zentrale in Villach und in St. Stefan einer letzten Erweiterung um sechs Reifekammern hat der Familienbetrieb mit rund 1.800 Mitarbeitern an elf Standorten aktuell größere Umbauarbeiten abgeschlossen.

In St. Stefan bzw. bei Loidl jedenfalls gelingt der Spagat zwischen Traditionsprodukten wie der Salami und den trendigen Snackvarianten – ersteres ist im Absatz seit Jahren stabil, zweiteres ein Wachstumsmarkt. Sich auf den Lorbeeren auszuruhen wolle man auch nicht, wie der Geschäftsführer in dritter Generation meint. Die Marschroute gibt Betriebsleiter Vogel vor: „Wir sind ein verlässlicher Partner, denn Qualität bedeutet, verlässlich und kontinuierlich gute Produkte abzuliefern.” – Und die kann man auch herzeigen.

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