Der Markt für Tierbedarf verändert sich stetig. Angefangen bei Konkurrenz durch den LEH und Baumärkte bis hin zu Online-Billigstanbietern, muss sich ein Unternehmen wie Fressnapf klug aufstellen. Hierzulande ist Hermann Aigner als Geschäftsführer dafür verantwortlich. Im Interview spricht er über die Dynamik im Markt, ein sich änderndes Kundenverhalten und über loyale Kunden. Darüber hinaus gibt er einen Einblick, was „functional“ im Tierbereich bedeutet.
medianet: Rund 45% aller Haushalte haben mindestens ein Heimtier. Die Ausgaben sind von 2015 bis heute stark angestiegen. Was beobachtet man bei Fressnapf?
Hermann Aigner: Auf Österreich bezogen beobachten wir viel Dynamik. Bis Corona gab es jährlich ein stabiles Wachstum. In den Jahren der Pandemie haben wir einen massiven Zuwachs erlebt. Gegenwärtig herrscht allgemein im Handel Kaufzurückhaltung. Ich denke, dass dieser Gegenwind aber ein wenig abflachen wird, mein Ausblick ist also positiv. Es herrscht hier eine große Dynamik. Das macht es für uns als Händler auch sehr spannend, weil man das Sortiment an die sich ändernden Anforderungen stetig anpassen muss. Gerade wir haben uns in den letzten zehn Jahren von einem Offline-Player zu einem Omnichannel-Unternehmen hin entwickelt und online ist ein großer Wachstumskanal.
medianet: Welche Veränderungen gibt es aktuell sonst zu beobachten?
Aigner: Wir sehen, dass der LEH und mittlerweile seit Kurzem auch Baumärkte viele Tierprodukte anbieten. Das reicht von normalem Futter bis hin zur Premiumware. Für uns bedeutet das, dass wir uns als Fachhändler davon abheben wollen. Das richtige Produkt zur richtigen Zeit zur Verfügung zu haben, macht ein Fachgeschäft aus und das ist unser Differenzierungsmerkmal. Darum sind die verschiedenen Lebensphasen ein wichtiges Thema, und wir kommunizieren das im Store sehr prominent. Ein Welpe oder Kitten hat andere Bedürfnisse als ältere Hunde oder eine Senior Cat und das können wir mit unserem Sortiment und unserer Beratung abbilden.
medianet: Hunde und Katzen werden zehn Jahre alt und älter, Tierhalter werden sie auch in Zeiten der Teuerung gut behandeln. Derzeit gibt es die Kaufzurückhaltung, aber betrifft das auch Tierprodukte? Sprich: Wird mehr aus dem Preiseinstieg gekauft, gehen Non-Food-Produkte zurück?
Aigner: Ich bin mir nicht sicher, ob es an der Haushaltskasse liegt, aber wir bemerken im Non-Food-Bereich die bestehenden und neuen Onlinemarktplätze aus dem asiatischen Raum. Aktuell können wir es jedoch nicht genau mit Zahlen untermauern.
medianet: Was ist der Unterschied zu den US-Tech-Riesen aus Ihrer Sicht?
Aigner: Die aufstrebenden globalen Marktplätze decken ihre Kunden mithilfe von Algorithmen gezielt mit personalisierter Werbung ein. Gekauft habe ich noch nie etwas, aber die dahinter stehende Gamification ist ansteckend. Dieses spielerische Element beherrschen sie exzellent. Wir sind ja auch für die Schweiz zuständig und denen wird höherer Wohlstand nachgesagt, als den EU-Europäern – selbst hier kauft man verstärkt dort ein. Es ist eine große Herausforderung, dem Kunden die Preisunterschiede des europäischen Marktes versus den asiatischen Anbietern zu erklären.
medianet: Andere Branchen attestieren: Premium ist weiterhin stark, die Mitte leidet – was beobachten Sie im Bereich Tierfutter?
Aigner: Unsere Premiummarken sind sehr stabil, darunter kommt vieles unter Druck. Der LEH hat in diesem Segment Marken, die es vor vielen Jahren dort schlichtweg nicht zu kaufen gegeben hat. Das wären klassische Fachhandelsmarken gewesen. Im Preiseinstieg wiederum gibt es sehr viele Aktionen über den gesamten Markt gestreut. Aktuell ist der gesamte Handel sehr preissensibel. Dieses Thema wird durch die diversen Aussagen in den Medien zusätzlich getriggert.
medianet: Tierbedarfskunden gelten generell als loyal, wie verteilt sich dies bei Fressnapf?
Aigner: Wir unterteilen unsere Kunden in verschiedene Kategorien. Generell kann man sagen, dass die Haustierbesitzer loyale Kunden sind, welche uns ein stabiles Fundament liefern. Jedoch gewinnen wir auch durch Aktionen und Marketingkampagnen Neukunden dazu. Diese kommen im Anfangsstadium unregelmäßig und man ‚beschnuppert‘ sich zuerst. Hier liegt es an den Angeboten und dem Service in der Filiale, die Neukunden zu loyalen Kunden zu machen.
medianet: Welche Strategie verfolgt man hinsichtlich App und Loyalty, nachdem man nicht mehr beim Multipartnerprogramm ist?
Aigner: Eigene Loyalty- und Multipartnerprogramme müssen sich nicht generell ausschließen. Sie haben unterschiedliche Aufgaben. Multipartnerprogramme haben die Anforderung, Menschen in die Geschäfte der daran teilnehmenden Partner zu bringen und so Punkte zu sammeln: Man wird zum Kauf animiert und löst beim nächsten Kauf die gesammelten Punkte ein. Insofern muss sehr weit gestreut werden, was grundsätzlich nicht uninteressant ist. Hier ist ein eigenes Programm von Vorteil. Mit einer eigenen App hat man zudem eine direkte Kundenansprache und kann mit dem Verbraucher kommunizieren, ihn kennenlernen und noch bessere Angebote auf ihn zuschneiden beziehungsweise den Content so gestalten, wie es der Haustierbesitzer wirklich benötigt.
