Gurkerl vor Durchbruch in die Gewinnzone
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RETAIL Redaktion 24.10.2025

Gurkerl vor Durchbruch in die Gewinnzone

Infolge der jüngsten Automatisierungsschritte soll noch heuer die operative Profitabilität erreicht werden.

Der Online-Lebensmittelhändler Gurkerl hat trotz seines zarten Alters von knapp fünf Jahren eine turbulente Geschichte hinter sich. Anfang Dezember 2020, inmitten der Pandemie gestartet, verkündete der damalige Chef Maurice
Beurskens schon im darauf folgenden Herbst, dass man kurz davor stehe, die Marktführerschaft im Online-LEH zu übernehmen. Es kam bekanntlich anders: Man fand keine Mitarbeiter, das Wachstum bremste sich ein, der tschechische Mutterkonzern Rohlik zog die Notbremse: Man wolle „einen Schritt zurück“ machen, um später wieder „zwei nach vorne gehen“ zu können, hieß es im Februar 2023. Um die ambitionierten Wachstumsziele zu erreichen und „schneller in die Gewinnzone zu kommen“, schwenkte man auf die Automatisierung und den Ausbau des Lagers um.

Dafür nahm man in Kauf, eine Weile kleinere Brötchen zu backen: Die tägliche Kapazität wurde von bis zu 4.000 auf maximal 2.000 Bestellungen reduziert, der Mindestbestellwert zeitweise erhöht, die Zustellgeschwindigkeit verringert. Mittlerweile ist die Saure-Gurken-Zeit überstanden, der Online-Supermarkt hat wieder Aufschwung: Der Lagerausbau ist abgeschlossen, die Automatisierung schreitet beständig voran. Aktuell setzt man rund 3.200 Bestellungen pro Tag (bzw. 100.000 pro Monat) im Großraum Wien um – doch schon bald könnten es mehr als doppelt so viele sein. Das Lager in Wien entwickle sich zum „modernsten E-Food-Standort Europas“, wie Tomáš Čupr, Gründer und Geschäftsführer der Rohlik Gruppe, betont.

„Effizienz und Präzision“
Mit der Einführung automatisierter Fördertechnik – für die Prozesse zwischen Kommissionierung und Auslieferung – sowie dem Einsatz eines robotischen Kommissionierarms starte man in Wien aktuell eine „doppelte Automatisierungsoffensive“. Das bringe eine höhere Warenverfügbarkeit, schnellere Auftragsabwicklung und langfristig kürzere Lieferzeiten; gleichzeitig sinke die Fehlerquote auf ein Minimum. Bestellungen würden künftig vollständig, pünktlich und ohne Ersatzprodukte zugestellt – für „ein spürbar verbessertes und noch zuverlässigeres Einkaufserlebnis“. Während der robotische Kommissionierarm „einen der letzten manuellen Arbeitsschritte in der Lagerlogistik weitgehend automatisiert“, ermöglicht die intelligente Fördertechnik eine vollautomatische Sortierung der Bestellungen entsprechend der Lieferroute.

Die Kombination beider Technologien steigere „Effizienz, Präzision und Geschwindigkeit“, so Čupr: Die Bearbeitungszeit sinke auf durchschnittlich 30 Minuten pro Bestellung, 70% der Bestellungen würden bereits vollständig automatisch abgewickelt. 94% der Lieferungen kämen ohne Verspätung, Reklamation oder Ersatzprodukt an.

Es winkt die Profitabilität
Bis Jahresende sollen fünf weitere Kommissionierroboter installiert werden, womit dann bis zu 8.000 Bestellungen pro Tag umgesetzt werden könnten; die Zeichen stehen klar auf Profitabilität, die Gurkerl auch noch im laufenden Jahr erreichen will.
Nachdem Interspar die Hauszustellung mit Ende August eingestellt hat, konzentriert sich der heimische Online-LEH allmählich auf die drei Player Gurkerl, Billa und Alfies. Alle drei verzeichnen Umsätze in zweistelliger Millionenhöhe, alle drei orten nach einem Post-Corona-Setback für die Folgejahre wieder hohes Wachstumspotenzial.  Nachdem Billa Ende 2024 die österreichweite Zustellung eingestellt hat und sich nun ebenfalls vorrangig auf den Großraum Wien beschränkt, scheint ob der neugeschaffenen Kapazitäten von Gurkerl ein vorläufiger Marktführerwechsel diesmal im Bereich des Möglichen. Langfristig könnte sich ein Zweikampf abzeichnen, hat die Rewe doch ihrerseits Anfang Juli einen umfassenden Ausbau des Logistikzentrums in Wiener Neudorf angekündigt.

Börsengang in dieser Dekade
Was die Lagerlogistik von Gurkerl betrifft, ist man seitens des Mutterkonzerns derart überzeugt davon, dass man von einer „Blaupause“ für Logistiklösungen aller Art spricht. „Die technologische Stärke eröffnet neue Möglichkeiten, unsere Automatisierungslösungen künftig auch anderen E-Food-Playern zugänglich zu machen“, sagt Olin Novák, Geschäftsführer von Gurkerl und VP Markets bei der Rohlik-Gruppe. Folgerichtig hat man die KI-gesteuerten Technologien kürzlich in einer eigenständigen Einheit gebündelt – der Ausgründung „Veloq“.

Für die unternehmensstrategische Ausrichtung der Gruppe zeichnen sich laut Čupr zwei Szenarien ab: Entweder ein Börsengang „in den kommenden zwei bis drei Jahren, um das Wachstum gezielt zu beschleunigen“, oder volle Konzentration auf den Ausbau der Marktposition im Online-Lebensmittelhandel und die Profitabilität auf Gruppenebene, um „in einigen Jahren eine stabile, ertragsstarke Basis für den Kapitalmarkt zu schaffen.“

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