„Handel kalkuliert nicht in absoluten Zahlen”
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RETAIL Redaktion 13.06.2025

„Handel kalkuliert nicht in absoluten Zahlen”

Staud’s Wien trotzt den Herausforderungen und legt im Umsatz zu. Geschäftsführer Stefan Schauer im Talk.

••• Von Oliver Jonke und Georg Sohler

Wer Marmelade produziert, wird sich über den Staud’s-Frühstücksreport 2025 freuen, der kürzlich im Rahmen eines Pressegesprächs in Wien vorgestellt wurde. Denn knapp drei Viertel der Bevölkerung frühstücken unter der Woche regelmäßig, am Wochenende sogar 87%. Und Marmelade ist zu mehr als 40% die beliebteste Zutat für ein gelungenes Frühstück – auch wenn am Wochenende gerne etwas herzhafter belegt wird. Die Details: Hohe Fruchtanteile mit 70 bis 80% punkten dabei in allen Altersklassen. 39% bevorzugen Marmelade mit Fruchtstücken. Die klassische Konfitüre mit 50 bis 60% Frucht kommt bei der Generation 65 plus am besten an (49%), während sich die Unter-30-Jährigen eher zu alternativ gesüßten Varianten hingezogen fühlen (41%). Bei der Frage nach der Kombination liegt das klassische Marmeladenbrot mit 76% vorn, gefolgt von Semmel oder anderem Kleingebäck (70%) und Toastbrot (39%).

Gesammelt und angewandt

All diese Erkenntnisse sammelte das Gallup-Institut Österreich, beauftragt von Staud’s Wien. Im April wurden dazu 1.000 Personen ab 18 Jahren befragt. Insgesamt eine valide Grundlage für das Traditionsunternehmen mit dem Standort im 16. Bezirk, hat es doch die entsprechenden Produkte für die heimischen Frühstücksvorlieben im Angebot.

Um diese auch an die frühstückenden Endkonsumenten zu bringen, braucht es aber mehr als nur Daten und Fakten – gerade heutzutage. Wie es dem Unternehmen Staud’s geht und wie Herausforderungen gemeistert werden, besprach medianet-Herausgeber Oliver Jonke im Vorfeld der Studienpräsentation mit Geschäftsführer Stefan Schauer.


medianet:
Wie viele Produkte gibt es im Angebot bei Staud’s Wien?
Stefan Schauer: So genau kann man das nicht sagen, weil sich das Sortiment ständig ändert. Ja, es gibt ein Stammsortiment, aber es gibt nicht die eine Marmelade für alle. Das zeigt auch unser Frühstücksreport: Die einen wollen es süßer, die anderen herber; die einen bevorzugen Fruchtstücke, andere mögen’s lieber fein passiert; manche greifen zu Bio, wieder andere legen größeren Wert auf Regionalität. Es gibt die verschiedensten Ansprüche, und genau diesen wollen wir Rechnung tragen.

medianet:
Machen wir aber noch einen Rückblick auf das Jahr 2024.
Schauer: Unterm Strich war das Jahr 2024 positiv, sogar mit einem leichten Umsatzplus. Das ist beruhigend, weil es in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit ist. Nicht alle Kostensteigerungen können an die Konsumenten weitergegeben werden. Der Handel kalkuliert zudem in Prozent, nicht in absoluten Zahlen. Das führt dazu, dass Qualitätsprodukte teurer werden. Die Lohn- und Kostensteigerungen der letzten Jahre zu kompensieren, ist für Klein- und Mittelbetriebe, die auf Handwerk setzen und viele Mitarbeiter beschäftigen, besonders herausfordernd.

medianet:
Das ist nicht das einzige Thema in Sachen Human Ressources …
Schauer: Es war in den letzten Jahren notwendig, auch im administrativen Bereich zu wachsen, weil die Aufgaben zunehmen. Damit sind wir aber nicht allein.

medianet:
Sie meinen das EU-Berichtswesen?
Schauer: Zum Teil. Denn nicht nur die Politik stellt Forderungen, sondern auch Handelspartner oder neue Kunden. Für die Qualitätssicherung werden von allen Seiten neue Informationen gefordert. Ich frage mich dann manchmal, wie viel man noch investieren muss, bis alle zufrieden sind.

medianet:
Wie viele Personen arbeiten aktuell hier?
Schauer: Hier in Ottakring sind rund 50 Personen beschäftigt. Im Sommer haben wir hier auch Studentinnen und Studenten, die Berufspraxis sammeln möchten. Das ist auch wichtig, weil es immer weniger derartige Stellen gibt bzw. Betriebe, die Praktikantinnen und Praktikanten aufnehmen wollen.

Wir machen das hingegen sehr gerne. Neulich hatten wir vier Personen aus Polen im Rahmen eines Erasmus-Projektes. Zuerst waren sie schüchtern, dann sind sie aufgetaut und wir hatten gemeinsam eine richtige Gaudi.


medianet:
Staud’s hatte immer viele Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Ländern.
Schauer: Bei uns arbeiten Menschen aus einem guten Dutzend Nationen, natürlich aus Österreich über unsere europäischen Nachbarländer bis nach Nigeria und sogar Japan. Da kann es schon auch aufgrund unterschiedlicher Herkünfte zu Herausforderungen kommen, das gebe ich zu – aber es ist wunderbar, weil es Völker-verbindend ist.

medianet:
Wie lang bleiben die Menschen durchschnittlich im Betrieb?
Schauer: Die, die von Beginn an dabei waren, sind natürlich schon in Pension. Noch heute bleiben viele bis zum Ruhestand bei uns, sie sind in Summe mehrere Jahrzehnte im Betrieb. Das ist gerade in heutigen Zeiten außergewöhnlich und eine Auszeichnung für uns. Ich denke, es liegt daran, dass auch die Geschäftsführer nicht gerade Job-Hopper sind, das setzt sich fort. Wir sind ein familiär geführtes Unternehmen mit Kontinuität.

medianet:
Welche Früchte kommen gut an, woher kommen diese?

Schauer: Die Marille ist das Um und Auf, sie ist die wichtigste Fruchtart. Die Erdbeere ist mit großem Abstand die Nummer zwei. Die Marillen kommen aus Österreich, Ungarn, Bulgarien und Serbien. Wir kaufen dort nicht ein, weil es billiger ist, sondern weil sie alte Sorten anbauen, die für die Verarbeitung geeignet und auch verfügbar sind. Hierzu zählt die Sortenfamilie ‚Ungarische Beste' oder auch ‚Klosterneuburger Marille', die sich durch ihr einzigartiges Aroma auszeichnen. Hierzulande beziehen wir aus dem Weinviertel, Burgenland und der ­Wachau.


medianet:
Wie findet man die geeigneten Produzenten?
Schauer: Nachdem wir schon einige Zeit am Markt sind, haben wir gute und treue Partner. Es kommen immer wieder neue dazu. Der Lieferantenstamm bleibt aber quasi gleich – wir können uns aufeinander verlassen. Somit werden wir auch in Zeiten mit geringeren Erträgen bevorzugt beliefert. Das schafft Vertrauen und Sicherheit.

medianet:
Gerade letzteres wird immer wichtiger.
Schauer: Die letzten Winter waren alle überdurchschnittlich warm – das führt zu einem verfrühten Austrieb und einem erhöhten Risiko für Frostschäden. Im Sommer gibt es vermehrt heftige Unwetter mit Starkregen und Hagel – oder das andere Extrem: Trockenheit. Mit all dem müssen wir uns seit gut zehn Jahren verstärkt auseinandersetzen. Das wird sich nicht verbessern.

medianet:
Kommen wir noch zum Vertrieb. Sie haben das eigene Geschäft am Yppenplatz, wo ist Staud’s noch zu finden?
Schauer: In Österreich sind wir in Feinkostgeschäften und im gehobenen Lebensmitteleinzelhandel vertreten. 30 Prozent unserer Erzeugnisse gehen in den Export. Deutschland, die Schweiz und Italien sind starke Märkte, aber wir exportieren bis nach Japan. Wir haben zwei Importeure in Südkorea und beliefern sogar ein Hotel in Hongkong, seit Kurzem auch in Thailand. Wir verstehen uns als Botschafter des guten Geschmacks, nicht nur mit dem Inhalt, sondern auch mit einem ästhetischen Design. So transportieren wir Qualität gleich doppelt. Die Marke Staud’s Wien hat ein gutes Standing – und zwar weltweit. Europa generell hat in Asien einen hohen Stellenwert.

medianet:
Wollen Sie hier bleiben oder überlegen Sie, die Stadt zu verlassen?
Schauer: Wir sind hier verwurzelt und nicht nur mit Wien, sondern besonders mit dem Grätzl in Ottakring verbunden. Viele unserer Mitarbeiter wohnen hier und wir fühlen uns wohl. Aber Wachstum bedingt eine andere Logistik und in weiterer Folge mehr Platz. Wir versuchen zu optimieren. Man weiß natürlich nicht, wie die Zukunft aussieht, ob beispielsweise irgendwann noch Lkw in die Stadt fahren dürfen. So lange es geht, wollen wir hier produzieren.

medianet:
Wie blicken Sie auf die Zukunft?
Schauer: Ich bleibe positiv gestimmt. Im Endeffekt sind es die Konsumentinnen und Konsumenten, die entscheiden, welche Produkte der Handel listet. Sie haben die größte Macht. Ich appelliere dazu, Qualitätsproduzenten zu fördern und deren Erzeugnisse zu kaufen. Besonders auch im Lebensmittelbereich. Das schafft Wertschöpfung und -schätzung – und zwar hier in Österreich.

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