Harald J. Mayer, GF Tchibo: Ein Präsident und sein Kaffee
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Harald J. Mayer, GF Tchibo: Ein Präsident und sein Kaffee

Die Tchibo-Welt ist nach außen stabil und nach innen dynamisch: Kapselmaschinen haben Filter- und Vollautomaten überholt.

••• Von Natalie Oberhollenzer

Seit 23 Jahren leitet er die Geschäfte der Tchibo-Österreich-Eduscho Austria GmbH. Als sein liebstes Hobby bezeichnet er seine langjährige Präsidentschaft beim heimischen Kaffee- und Teeverband: Harald J. Mayer kennt nicht nur das Geschäft mit den braunen Bohnen so gut wie kaum ein anderer in diesem Land. Auch was die verschiedensten Non Food-Welten betrifft, in denen sich die Tchibo-Geschäfte längst einen Namen gemacht haben, ist er mit einer großen Expertise ausgestattet. Im Überblick erzählt der Unternehmenschef vom Erfolgsrezept von Tchibo, vom Geschäftsverlauf in den letzten Monaten sowie von neuen Trends und Projekten.

In den letzten Monaten, so Mayer, habe Tchibo/Eduscho eine sehr schwere Zeit durchgemacht: „Die Kaffeepreise waren so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr; es war sehr schwer, die Marktführerschaft in dieser Situation zu verteidigen.” Gelungen ist es ihm trotzdem, weil man über ein hohes Verbrauchervertrauen verfüge. Und weil man verschiedene Aktivitäten gesetzt hat. Zum Beispiel hat man ein Segment belebt, das im Gesamtmarkt um sechs bis sieben Prozent im Schrumpen begriffen ist: den guten alten Filterkaffee.

Umweltschonendere Kapseln

Zwar macht der Filterkaffee den Zahlen zum Gesamtmarkt zufolge immer noch gut die Hälfte der Kaffeeumsätze in den heimischen Haushalten aus. Doch sowohl das Espresso-Segment, als auch die Kapseln rücken dem Marktanteilsführer immer mehr zu Leibe. Mayer zufolge teilen sich die beiden den Restmarkt mit je 25%. Beim Abwachsen des Filtersegments vermag auch der im Rahmen der Third Wave-Bewegung wieder vielzele­brierte Brühtrend mit Handfiltern (Pour over) nichts auszurichten; er wird, so wie auch andere „Spezialistenanwendungen” wie die Bialetti, die legendäre Mokkamaschine zum Zusammenschrauben aus Italien, eine Nische bleiben.

Bei Tchibo jedenfalls möchte man alle Segmente beleben, und zwar mit der in diesem Jahr lancierten Linie Black'N White. Die neue, im Langzeitröstverfahren hergestellte Sorte passt nämlich zu allen Vorlieben; sie kann schwarz, mit Milch, aber auch mit Milchschaum genossen werden, ohne dabei ihren vollmundigen Geschmack zu verlieren. Um alle maschinellen Zubereitungsarten zu bedienen, wird die neue Sorte als ganze Bohne, gemahlen und auch als Cafissimo-Kapsel angeboten. Dem entspricht auch der aus der Marktforschung gewonnene Umstand, dass der moderne Kaffeetrinker seine heiße Tasse einmal so und einmal anders genießen ­möchte.
So fand man heraus, dass der Kapselkunde auch nach dem Kauf seiner Portionierungsmaschine noch über anderthalb Jahre sporadisch seine Filterkaffeemaschine benutzt. Und apropos Kapselmarkt: In der hart umkämpften Branche konnte der Riese mit Sitz in Hamburg seine Marktführerschaft hierzulande behaupten. „Es gibt zwei gängige Arten von Marktanteils-Berechnungen”, erklärt Mayer dazu. Im Nielsen-Universum scheint Nespresso gar nicht auf; im eher aussagekräftigeren Haushaltspanel, das „man sich kauft”, gebe es zwei Namen ganz oben auf dem Stockerlplatz. In den Stückzahlen ist es Tchibo/Eduscho, im Wert sind es die etwas kostspieligeren Kapseln der Nestlé-Tochter Nespresso. In der Tchibo-Welt jedenfalls hätten die Kapselmaschinen bei den Anteilen die Filter- und Vollautomaten überholt und stünden bei aktuellen 38%.
Dass es bei den Kapseln ein Problem gibt, was Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange betrifft, das weiß jeder, der selbst so eine Maschine besitzt. Der Müllhaufen, der mit den Miniverpackungen angesammelt wird, ist horrend. Das will auch Mayer nicht bestreiten. „Das ist für alle ein Thema. Ein jeder, der solche Kapsellösungen anbietet, denkt darüber nach. Es wird auch intensiv geforscht, welche umweltschonenderen Alternativen möglich sind”, verrät er und sagt voraus, dass sich im Jahr 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Sektor etwas tun werde.

Die drei großen Kaffeetrends

Was die Kaffeetrinkertrends generell betrifft, macht Mayer drei große Themenfelder aus: Erstens interessiert sich die Jugend sehr stark für Kaffee, man denke nur an die vielen hippen Spezialitäten-Coffeeshops, die in den letzten Jahren besonders in den Metropolen der Welt wie Pilze aus dem Boden schießen. Zweitens: Ein- oder Zweipersonenhaushalte haben mit einer Filterkaffeemaschine immer weniger Freude. Diese Zielgruppe steht auf leichter exakt zu portionierenden Kaffee, sprich solchen aus Kapseln. Und drittens haben sich die Österreicher beim Außer-Haus-Kaffeetrinken daran gewöhnt, dass es kein Filterkaffee ist, sondern Espresso. Dadurch sei das Interesse an dem stärkeren italienischen Gebräu stark gewachsen. Summa summarum jedenfalls ist der Alpenrepublikaner ein Kaffee-Liebhaber. Er trinkt durchschnittlich 2,4 bis 2,6 Tasserl am Tag und kommt auf 160 Liter im Jahr. Zum Vergleich: Beim Bier kommt er „nur” auf 114 Liter. Damit steht Kaffee auf Platz 2 des meistgetrunkenen Getränks im Land. Nur Wasser kann ihm das Wasser reichen. Geholfen hat bei dem guten Platz auch das strengere Alkoholgesetz. Denn während die Restaurantbesucher früher nach einem opulenten Abendmahl gern noch ein Digestiv zu sich genommen haben, ist es heute öfter ein Ristretto.

Was jedoch bei Tchibo verkaufstechnisch gesehen noch viel wichtiger ist als der Kaffee, sind die Nonfood-Welten. Die machen mittlerweile in den ersten drei Quartalen 60% des Umsatzes aus, im letzten Quartal sogar schon ein Drittel, wie Mayer bekanntgibt. Sehr zufrieden ist er mit den Lieblings-Stücke-Welten: „Die sind außerordentlich beliebt!” Dabei handelt es sich um ein neben den ständig wechselnden Themenwelten dauerhaft angebotenes Sortiment. Wobei – auf der Tchibo-Seite im Netz könne der Kunde bereits jetzt aus einem riesengroßen Dauersortiment wählen. Daher habe sich im gesamten Verkaufsprozess einiges geändert, wie Mayer erklärt: „Unsere Verkäuferinnen sind seitdem alle mit einem Tablet-PC ausgestattet. Fragt eine Kundin etwa nach einem Satz Hemden, dann fragt die Servicekraft nach, wie genau die denn aussehen sollten und sucht im Onlineshop nach passenden Angeboten.” Ist erstmal ein Produkt ausgesucht, dann kann es entweder in die Filiale oder auch direkt zum Kunden nach Hause bestellt werden (was meist bei sperrigen Gütern der Fall ist). „Diese Vernetzung wird wahnsinnig gut angenommen”, schwärmt Mayer, und das ist nach seinen Worten auch ein Mitgrund, warum die eCommerce-Sparte bei Eduscho Österreich zweistellig wächst. Beim stationären Geschäft gelingt es dem Unternehmen indes, die Umsätze stabil zu halten – einerseits mithilfe einer Expansion, andererseits indem schlecht gehende Filialen entweder umgebaut oder komplett geschlossen werden. Dafür aber wird an einem anderen Standort ein neues Geschäft aufgemacht. Zuletzt beispielsweise ist die Filiale im Stadioncenter in Wr. Neustadt zugemacht, dafür eine neue im Fischapark eröffnet worden.
Was eine Umsatzprognose fürs Gesamtjahr betrifft, so wird Tchibo hierzulande die Erlöse vom Vorjahr (316 Mio. €) übertreffen. „Bis dato haben wir ein leichtes Plus eingefahren. Den Plan für 2015 werden wir erfüllen”, so Mayer.

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