••• Von Christian Novacek
WIEN. Aus der Wildwestromantik kennt man den Kaffee-Ersatz, zumeist aus geröstetem Getreide oder Mais. Weniger romantisch ist derzeit der Milchersatz, wie er in Russland fabriziert wird: Stärke (naja), Kreide (aha) und Seife (oje) gehören derzeit zu den Hauptingredienzien. Wegen der EU-Sanktionen ist Käse in Russland ein seltenes Gut geworden – und skrupellose Hersteller greifen derzeit auch mal deutlich in den Gatsch neben der Milchkuh, um weißes Gold zu produzieren.
Hüttenkäse brennt gut
Derzeit plastischstes Beispiel ist ein Hüttenkäse, dessen Haupteigenschaft darin besteht, zehn Minuten gut zu brennen. Und die fragwürdigsten Käse-Zutaten lauten wohl auf Kalk und Zement. „Die meisten heimischen Hersteller nutzen den mangelnden Wettbewerb voll aus und strengen sich nicht an, gute Produkte zu machen”, kritisiert Irina Tichmjanowa von der regierungsunabhängigen Verbraucherorganisation Roscontrol.
Diese testete kürzlich 46 Molkereiprodukte – 60% enthielten Ersatzstoffe. Für den österreichischen Export ist der russische Boykott schmerzhaft – gerade bei Milchprodukten. Dass er demnächst fallen wird, ist nicht sehr wahrscheinlich, denn: Die Zustimmung zum Verbot europäischer Lebensmittel ist in Russland gestiegen, nämlich von 21% im März 2015 auf mittlerweile 40%. Faktum ist jedenfalls, dass am Embargo zwei Seiten leiden: einerseits Russland und andererseits die europäischen Milchbauern, die derzeit in einem selbst produzierten Milchsee schwimmen – mit der Folge, dass der Milchpreis noch für einige Zeit im Keller bleibt.
Paddeln im Milchsee
Hinzu kommt in vielen EU-Staaten das Problem, dass in Hochleistungsbetrieben immer mehr Milch aus einer Kuh gepumpt wird – auch in Österreich gibt es seit 1990 um 40% weniger Kühe, während die Produktion um 70% gewachsen ist. Und was generell die österreichischen Milchexporte betrifft: Hier schwankt die Einschätzung zwischen Schrott (Milchpulver) und verarbeiteten, edlen Produkten wie Bergkäse.