„Kein Landwirt wird  dadurch mehr verdienen“
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RETAIL Redaktion 17.10.2025

„Kein Landwirt wird dadurch mehr verdienen“

Die Branche reagiert mit Unverständnis auf das kürzlich vom EU-Parlament beschlossene „Veggie-Burger-Verbot“.

Am Ende waren es 335 Ja-Stimmen, die 247 Nein-Stimmen gegenüberstanden: Der Änderungsantrag der französischen Abgeordneten Céline Imart im Rahmen des EU-Gesetzesentwurfs zur „Stärkung der Position der Landwirte in der Lieferkette“ wurde angenommen. Im Kern sieht der Beschluss vor, dass bestimmte Bezeichnungen, die traditionell mit Fleischprodukten verbunden sind – wie Burger, Steak, Wurst, Schnitzel, Pulled Beef oder Leberkäse – nur noch für Erzeugnisse erlaubt sein sollen, die tatsächlich Fleisch enthalten. Pflanzliche Alternativen sollen diese Bezeichnungen nicht mehr verwenden dürfen.
Keine Premiere: Schon 1994 verabschiedete die EU eine Verordnung, welche die Bezeichnung „Milch“ für pflanzliche Getränke untersagte. Bis Hersteller in Österreich von der „Sojamilch“ zum „Sojadrink“ umschwenken mussten, vergingen allerdings fast zwei Dekaden – erst eine neuerliche Verordnung schaffte 2013 eindeutige, durchsetzbare Verbote.
Weil sich der neue Beschluss auf ebendiese, weit durchsetzungsfähigere Verordnung („Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse“, kurz CMO) stützt, dürften Produkte wie „Seitan-Schnitzel“, „veganer Burger“ und „plant-based Steak“ schon bald aus den Supermarktregalen verschwinden.  In Österreich befürworten das nur die wenigsten: von der Bevölkerung über die Politik bis hin zum Lebensmittelhandel gibt es mehrheitlich Unverständnis und Kritik.

„Maximale Verwirrung“
Konsumenten müssten auf den ersten Blick erkennen, „welche Produkte pflanzlich sind. Ein EU-weites Verbot gebräuchlicher Begriffe wie ‚veganes Würstel‘ würde sie schlechter statt besser informieren“, meint etwa Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will, der „weitere Hürden und Verschlimmbesserungen“ ortet; der Beschluss sorge nur dafür, dass man pflanzliche Fleischalternativen künftig mit „völlig alltagsfremden“ Bezeichnungen vermarkten müsse. Auch die Rewe spricht sich für „alltagstaugliche Bezeichnungen für pflanzliche Fleisch- und Wurstprodukte“ aus; schon jetzt würden Produzenten ihre Artikel mehrfach als rein pflanzlich kennzeichnen, da Kunden ja auch gezielt nach fleischlosen Produkten suchen würden.

„In den ersten 32 Wochen dieses Jahres stieg der Absatz bei pflanzlichen Fleischprodukten im österreichischen LEH laut den aktuellen Zahlen von NielsenIQ um mehr als zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Sie zählen längst zu einem wichtigen Bestandteil des Speiseplans vieler Österreicherinnen und Österreicher. Produktbezeichnungen wie ‚pflanzlicher Burger‘ oder ‚veganes Bratwürstel‘ sind entscheidend, da sie nicht nur Orientierung hinsichtlich des Geschmacks und der Zubereitung des Produkts bieten, sondern auch die Kaufentscheidung wesentlich erleichtern“, sagt Verena Wiederkehr, Billa Head of Plant-Based Business Development. Wenn aus dem „pflanzlichen Schnitzel“ künftig etwa eine „panierte Scheibe“ werden müsse, dann bedeute das „maximale Verwirrung im Supermarkt­regal“, so Wiederkehr.

Rohstoff vs Verarbeitungsform
Während der SPÖ-EU-Abgeordnete Günther Seidl ein „Ablenkungsmanöver“ ortet und an die ausbleibende Umsetzung einer verpflichtenden Kennzeichnung tierischer Produkte nach Haltungsform und Herkunft erinnert, spricht der grüne Delegationsleiter Thomas Waitz von einer Bevormundung der Bevölkerung. „Kein Landwirt wird wegen des Verbots mehr Geld verdienen und seine Zukunft absichern können.“ Neos-EU-Mandatarin Anna Stürgkh wiederum spricht von einem „Lobbyprojekt im Dienste der Wurstindustrie“ – wobei nicht einmal diese geschlossen hinter der Regelung steht: „Vertraute Begriffe wie Würstel oder Schnitzel helfen Konsumenten und Konsumentinnen dabei, sofort zu erkennen, wie ein Produkt eingesetzt werden kann. Ein Verbot dieser Bezeichnungen würde eher Verwirrung stiften als Klarheit schaffen“, verlautbarte etwa eine Unternehmenssprecherin von Berger Schinken.

Geschlossen pro Verbot äußerte sich allein die FPÖ („Wer Fleisch kauft, soll Fleisch bekommen, und wer Gemüse kauft, soll auch wissen, dass es Gemüse ist“, so der blaue EU-Abgeordnete Gerald Hauer), in der ÖVP variierten die Positionen: Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig begrüßte den Beschluss ausdrücklich („Konsumenten haben ein Recht darauf, auf den ersten Blick zu erkennen, ob es sich um ein natürliches Lebensmittel vom Bauernhof oder um ein hochverarbeitetes Industrieprodukt handelt“), dem schwarzen EU-Agrarsprecher Alexander Bernhuber ging die Entscheidung dagegen „ehrlich gesagt zu weit“ – die tierische Herkunft („Chicken Nugget“) gelte es zu schützen, nicht aber die Verarbeitungsform („Burger“).

Wie es weitergeht
Bis der Beschluss zum gültigen Gesetz wird, werden zumindest noch einige Monate vergehen – in einem nächsten Schritt einigen sich die EU-Institutionen Parlament, Rat und Kommission auf einen endgültigen Text; anschließend stimmen Parlament und Rat darüber ab. Die Kommission bringt den Vorschlag ein und überwacht die Umsetzung. Verbindlich werden die Regeln dann mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU.

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