••• Von Paul Hafner
Welche Auswirkungen haben die zahlreichen Krisen der letzten Jahre auf die Lebenssituation und Konsumgewohnheiten der Menschen? Dieser Frage ist eine qualitative Studie der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) im Auftrag der Arbeiterkammer Wien nachgegangen, in deren Rahmen 37 Wiener Haushalte mit niedrigem bzw. mittlerem Einkommen umfangreich zu ihrem Konsumverhalten befragt wurden.
Wiewohl die Befunde „aufgrund des Studiendesigns nicht verallgemeinert werden können”, wie Studienautor und Boku-Dozent Oliver Meixner klarstellt, habe man wertvolle Einsichten gewonnen, die Rückschlüsse zur Einstiegsfrage zulassen würde. „Der Ausgangspunkt war das Ernährungsverhalten, wir haben aber rasch gesehen, dass dieses nicht vom Konsumverhalten generell zu trennen ist”, betont Meixner. „Wenn man sich die Reaktionen der Haushalte ansieht, so fällt vor allem auf, dass die Menschen preisbewusster geworden sind und diejenigen, die die Teuerung am meisten trifft, haben mit einer großen emotionalen Belastung zu kämpfen.”
Wortmeldungen wie „Ich weiß nicht mehr, wie ich nächste Woche die Miete bezahlen soll” oder „Ich weiß nicht, wie ich meine Einkäufe finanzieren soll” würden eine dramatische Entwicklung indizieren, die in eindeutigem Zusammenhang mit der Teuerung stehe; als Folge dessen würden alle Ausgaben, die irgendwie „verzichtbar” sind, vermieden – „da fällt die Urlaubsplanung hinein, Reparaturen, die eigentlich nötig wären, Investitionen werden verschoben oder auch gar nicht getätigt”.
Multiple Krise
Jeder zweite der befragten Haushalte war der Meinung, dass auch ein Einkommensplus die überproportional gestiegenen Ausgaben für Miete, Energie und Lebensmittel nicht auffangen kann. Neben Urlaub und Freizeit gelte das Augenmerk auch dem Energiesparen, einige verzichten auf ihr Auto – „das sind natürlich auch positive Auswirkungen, das muss man schon auch sehen”, hebt Meixner hervor, der diesen Effekt nur zum Teil auf ein der Klimakrise geschuldetes, gestiegenes Umweltbewusstsein und mehr dem Kostendruck zuschreibt, der überhaupt „das große Thema des Jahres 2023” gewesen sei.
In der Tat löst das Bewusstsein um die Klimaerwärmung bei den Befragten eher ein Ohnmachtsgefühl aus, der Ukrainekrieg wiederum Betroffenheit und Angst; auch die Pandemie sei als Thema in vielen Haushalten „überraschenderweise immer noch aktuell”, es spiele auch dabei mit hinein, dass mehr gekocht wird. Meixner: „An sich keine schlechte Sache, doch durch die reduzierten Haushaltsbudgets ernähren sich die Leute teilweise auch ungesünder und das steht in Widerspruch zu den Aussagen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie, die sich sehr wohl gesünder ernähren wollen würden” – es scheitert aber am Geld.
Politik in der Kritik
Die Einmalzahlungen der Regierung werten die Haushalte mehrheitlich als „Tropfen auf den heißen Stein”, die langfristig ihre Situation nicht verbessert hätten; das Corona-Management der Regierung werde indes retrospektiv „zu unserer Überraschung großteils positiv gesehen”, die größte Unzufriedenheit wiederum beim Thema Teuerung wahrgenommen. Meixners Resümee: „Die Menschen wünschen sich Stabilität, sie wünschen sich natürlich entsprechende staatliche Unterstützungen, Programme, die helfen, das zu gewährleisten.”
AK fordert Maßnahmen
„Auch diese Befragung bestätigt, dass die Teuerungen den Menschen zusetzen. Viele müssen ihr Haushaltsbudget genau planen. Nachhaltige Maßnahmen gegen die Teuerungen sind nötig. Denn zwei Drittel der Befragten sagen, dass sie mit den staatlichen Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Teuerung unzufrieden sind”, erläutert Gabriele Zgubic, Leiterin der AK-Konsument:innenpolitik.
Die Befunde der Studie würden abermals zeigen, dass es einer Reparatur der Mietenbremse sowie leistbarer Energiepreise für alle und einen vergünstigten Tarif für einkommensschwache Haushalte sowie eine Entlastung bei den Netzkosten brauche.
Ein weiterer Punkt sei das „sehr, sehr hohe Preisniveau” bei den Lebensmitteln – zusätzlich zur lange versprochenen und dann abgesagten Preistransparenzdatenbank, auf welche die AK weiterhin pocht, schlägt Zgubic die Installation einer Anti-Teuerungskommission vor, welche Erhöhungen in Zukunft genau untersuchen und kontrollieren soll.