Loyalty in Zeiten der Konsumzurückhaltung
© Martina Berger
RETAIL Redaktion 06.06.2025

Loyalty in Zeiten der Konsumzurückhaltung

Damit Kundenbindungsprogramme reüssieren, müssen sie den Shoppern ihre Relevanz beweisen.

••• Von Georg Sohler

Wie gestaltet sich Loyalty in Zeiten von Inflation und Konsumzurückhaltung? Angesichts aktueller Herausforderungen wie steigende Preise und veränderte Konsumgewohnheiten hat medianet-Herausgeber Oliver Jonke diese Frage in einer Expertenrunde diskutiert. Diese bestand aus Torsten Maier, Sales Director Austria bei Payback, Ernst Gittenberger, Wirtschaftsforscher und Geschäftsführer der kger OG und an der JKU Linz in Forschung und Lehre tätig, sowie dem langjährigen Manager bei C&A, Norbert W. Scheele, in seiner Funktion als Vizepräsident des Handelsverbands. Wie volatil die aktuelle Lage ist, zeigt ein Beispiel von Payback-Manager Maier.

So führten die kurzfristig ausgerufenen Zölle durch US-Präsident Donald Trump zu folgendem: „Bereits kleinere Veränderungen können die Kaufbereitschaft spürbar dämpfen – unsere Partner im Reisebereich berichteten umgehend von einer schwachen Woche.“ Die Reaktion kam äußerst schnell, was angesichts der oft höheren Ausgaben in diesem Segment wenig überrascht. In Zeiten von Inflation und Konsumzurückhaltung gewinnt Kundenbindung daher deutlich an Bedeutung.

Widersprüche und Inflation
Hinzu kommen weitere, oft schwer erklärbare Entwicklungen im Konsumverhalten. So wird einerseits bei Konsumgütern gespart, andererseits geben die Menschen für Urlaube so viel aus wie nie zuvor. „Compensatory Consumption“ nennt das Ernst Gittenberger und erklärt diese Kompensation: „Während Corona konnte man das Geld für Gastronomie, Hotels und Reisen kaum ausgeben – jetzt holen die Menschen das nach.“
In der Runde ist man sich einig, dass diese Effekte noch länger nachwirken würden. Das Verhalten sei zudem hinsichtlich anderer Ausgaben für Gittenberger „paradox“. Denn in der Gastronomie scheint es keine Preissensibilität zu geben und Menschen sind hier spendabel. Unter Umständen sind sie ihren Lokalen gegenüber „emotional loyal“; sie gehen hin, weil sie es schlicht gern haben. Dies ist ein hohes Gut und das Ziel von Kundenbindungsprogrammen.

Unsicherheit und Konkurrenz
Diese emotionale Bindung ist selten, aber wertvoll. Studien wie der Bericht „Handel in Zahlen“ zeigen zudem, dass sich Konsumtrends zunehmend schwer vorhersagen lassen.
Scheele ergänzt: „Neben Restaurantbesuchen und Reisen fließt viel Geld in Dienstleistungen – wobei hierbei der Pflegebereich enthalten ist.“ Wer konnte, hat sich während Corona ebenfalls Sportartikel und -kleidung gekauft, Investitionen ins Haus und den Garten wurden ebenso getätigt. Deshalb gibt es hierbei nun weniger Umsätze.

Und vor allem jüngere Generationen setzen auf Ausleihen, Tauschen und Second-Hand. Chinesische Billiganbieter wie Temu und Shein, die den Markt mit aggressiven Preisen fluten, sichern sich wachsende Marktanteile – mit fragwürdigen Methoden. Die dank hoher Kollektivvertragsabschlüsse steigenden Einkommen werden häufig gespart – aus Unsicherheit. Das ist alles nicht konsumfördernd, und die Kaufzurückhaltung wird aktuell nicht weniger. Die unsicheren Zeiten fordern ihren Tribut Scheele analysiert: „Natürlich denkt man, der Handel klagt immer und dass das unsere Leidenschaft ist. Aber am Ende ist es Fakt, dass zu wenig Geld im Handel ankommt.“

Coupons überzeugen Kunden
Einen guten Überblick hat Multipartner-Anbieter Payback. „Im stationären Handel führt Verunsicherung häufig zu verstärkten Promotionsaktivitäten“, erklärt Maier. „So konnten wir im ersten Quartal 2025 einen Anstieg der Coupon-Nutzung um 25 Prozent beobachten.“ Kundinnen und Kunden schätzen Bonusprogramme, sammeln aktiv Punkte durch Coupons und erleben die Einlösung als eine Form der Selbstbelohnung.
Aus Unternehmenssicht leisten Bonuspunkte einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Kundenbindung: Sie werden bei teilnehmenden Partnern gesammelt und bei späteren Einkäufen wieder eingelöst. Im Gegensatz dazu sind klassische Direktrabatte deutlich austauschbarer und fördern kaum langfristige Bindung.

Eine weitere Erkenntnis liefert Gittenberger: undenbindungsprogramme im Lebensmitteleinzelhandel wirken selbst dann, wenn, hypothetisch gesprochen, kein unmittelbarer Geldvorteil geboten wird. Acht von zehn Personen würden weiterhin beim präferierten Händler einkaufen. Das nennt man „pragmatische Loyalität“. Aber ohne geldwerte Vorteile sinkt die Einkaufsfrequenz und steigt die Wechselbereitschaft zu anderen Geschäften, Kundenbindungsprogramme sind jedoch gerade in Krisenzeiten für den Handel zentral. Allerdings ist die Wechselbereitschaft insgesamt gestiegen. Der Eindruck entsteht: Bei Gütern des täglichen Bedarfs bleibt man treu – bei anderen vergleicht man stärker. Doch gibt es noch weitere Themen, die man bedenken muss?

Demografische Faktoren?
Ein naheliegender Gedankengang scheint zu sein, dass es Unterschiede zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung gibt. Zwischen Stadt und Land zeigen sich aber laut Gittenberger kaum grundlegende Unterschiede. In der Stadt seien Services wie Gurkerl, die innerhalb von zwei Stunden liefern, gefragter – digital affiner, so Maier. Auch bei der Frage nach Geschlechterunterschieden geben die Daten ein klares Bild: „Aus unseren Studien wissen wir, dass Einkommen und Alter deutlich relevanter sind in Bezug auf das Konsumverhalten als das Geschlecht“, sagt der JKU-Forscher.

Wertewandel bei Jungen
Weitere beobachtbare Trends sind, dass man in der Stadt eher weniger ein Auto braucht oder Einfamilienhäuser eher zum Sparen anregen. Der Unterschied Mann/Frau zählt nicht viel, außer dass Frauen etwas affiner hinsichtlich Loyalty sein dürften. Wirft man einen Blick darauf, dass sie im Rahmen von unbezahlter Care-Arbeit vermehrt für das Einkaufen zuständig sind, unterstreicht dies nur die Aussage von Gittenberger. Trotz dieser Herausforderungen lassen sich in bestimmten Segmenten des Einzelhandels klare Wachstumstrends erkennen.

Deutlich positive Entwicklungen verzeichneten im Einzelhandel unter anderem Computer-/Videospiele (nominell +19,5%) oder alkoholfreie Getränke (+8,4%). Auch der Sportgeräteverleih konnte nach einem Plus von 11,7% im Jahr 2023 im Vorjahr erneut um starke 15,6% zulegen. Hauptverantwortlich dafür sind der boomende Tourismus und der Trend zu „Mieten statt Kaufen – alles Hinweise auf jüngere, urbanere Zielgruppen. „Unsere Generation wollte ein Haus, Auto und so weiter. Diese Werte scheinen nicht mehr so viel auszumachen“, vermutet Scheele. Maier meint pointiert: „‚Schaffe, schaffe, Häusle baue‘ mache ich noch, die Jüngeren leben im Hier und Jetzt.“ Was bedeutet das aber nun für Loyalty-Programme?

So funktioniert Upselling
Scheele etwa berichtet von C&A, dass das Ziel Click&Collect ist, bzw., dass die Menschen tatsächlich in den Store kommen, wo vielleicht Upselling gelingt oder Kunden durch Beratung angeregt werden, noch mehr zu kaufen – oder sie kommen dank Beratung später wieder.

Gerade das ist das Ziel vieler Händler, die ein eigenes Kundenbindungsprogramm haben. Für Maier hat das Multipartner-Programm den naheliegenden Vorteil, dass man in „anderen Teichen fischen“ kann. Das könne man durch ein gezieltes Targeting beim Ausspielen der Coupons steuern. So bekommen Kunden von Partner A möglicherweise Coupons von Partner B. Sich nur in Rabatten zu verlieren, sei aber falsch. Das bestätigt Gittenberger: „Der starke Wettbewerb ist für die Konsumenten super, für den Handel jedoch zweischneidig.“ Und oftmals entscheidet doch der Preis.

Fazit: Loyalty zahlt sich aus
„Man muss Relevanz bieten und dabei unterhaltsam sein. Zielgerichtetes Couponing und relevanter Content – Stichwort Gamification führen dazu, dass man dauerhaft in den Köpfen der Kunden präsent bleibt“, meint Maier. Und Scheele sagt: „C&A ist stationär stark und diesen Mehrwert muss man auf allen Kanälen zeigen.“ Damit kann man auch abfedern, was Gittenberger sagt: „Die Wirtschaft bleibt auch 2025 eingetrübt, manche Branchen werden sich schwertun – gerade im Handel.“ Der Loyalty Report Österreich 2025 zeigt übrigens, dass sich ein Großteil der Österreicher (84,5%) durch Loyaltyprogramme unterstützt fühlt. Es zahlt sich also aus.

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