Mehrweg-Kaffeebecher bringen auch mehr Erlös
© Philipp Lipiarski
RETAIL Redaktion 03.11.2023

Mehrweg-Kaffeebecher bringen auch mehr Erlös

Christian Chytil, Gründer von myCoffeeCup, erklärt, warum Mehrweg mehr Umsatz für die Gastronomie generiert.

••• Von Christian Novacek

Bereits seit 20 Jahren kennt der Kaffeebecher seine umweltschonende Variante: Damals erfand Christian Chytil die Cup Solutions, den Mehrwegbecher für den Kaffeekonsum. Mit medianet sprach der Geschäftsführer von Cup Solutions und Gründer von myCoffeeCup auch darüber, warum Mehrweg nicht nur für die Umwelt, sondern auch finanziell meistens der bessere Weg ist. (Event-)Gastronomen, die sich für die Mehrwegbecherlösung entschieden, erzielten bis zu zehn Prozent mehr Umsatz.

 

medianet: Wie war der Start von Cup Solutions und myCoffeeCup? Hat das geholpert oder ging es mehr in Richtung Raketenstart, weil so gut im Zeitgeist gelagert?
Christian Chytil: Als ich vor knapp 20 Jahren Cup Solutions ins Leben gerufen habe, war es ein Überraschungserfolg. Die Idee ist damals aus der Not heraus entstanden. Beim Catering für den Life Ball – der in den 2000er-Jahren das erste Mal auch outdoor stattfand –, sind wir nämlich auf ein Glasverbot am Rathausplatz gestoßen. Klar war, dass Alternativen her mussten. Obwohl Einwegbecher möglich gewesen wären, überzeugte uns die Idee des Mehrwegbechers: edlere Optik, weniger Müll auf den Straßen. Die Gastronomen erzielten sogar rund zehn Prozent mehr Umsatz, da die Leute ihre Becher zurückbringen mussten und beim Besuch der Bar auch mehr konsumierten. Ein echter Raketenstart damals, den ich so nicht erwartet hätte. Der ökologische Aspekt kam ehrlicherweise erst später hinzu – aber das ist das Schöne daran. Jetzt überzeugen die Becher im Sinne der Ressourcenschonung und sind trotzdem wirtschaftlich.

medianet:
Sie geben an, dass eine jährliche Einwegbecher-Produktion in Österreich 160 Mio. Liter Wasser und Holz von mehr als 4.500 Bäumen benötigt – wie schaut denn im Vergleich die Bilanz aus, wenn das alles Mehrweg wäre?
Chytil: Nun, der Unterschied zwischen Einweg- und Mehrwegbechern ist wirklich beeindruckend. Wenn wir 100 Mehrwegbecher anstelle von 100 Einwegbechern verwenden, können wir eine Menge bewirken. Wir sparen so viel Wasser, wie 30 Erwachsene täglich trinken sollten, vermeiden den Energieverbrauch von etwa elf Waschmaschinengängen und reduzieren die Abfallmenge um ganze 630 Kilogramm. Das ist in etwa so viel Müll, wie eine durchschnittliche Person in Österreich in einem Jahr produziert. Mit unseren derzeitigen 200.000 Mehrwegbechern im Umlauf tragen wir also wirklich dazu bei, die Umweltbilanz im Coffee-To-Go-Markt erheblich zu verbessern.

medianet:
Bei Mehrweg vergrößert sich mitunter der CO2-Fußabdruck aufgrund der Transportwege. Wie sieht das bei Ihren Unternehmen aus?
Chytil: Wir haben eine E-Firmenflotte, die mit Energie unserer hauseigenen Photovoltaik-Anlage betrieben wird und auf die wir setzen, wenn wir Becher anliefern und abholen. Bei großen Veranstaltungen müssen wir unweigerlich auf unsere Lkws ausweichen, allerdings sind wir darum bemüht, so CO2-frei wie möglich zu transportieren. Da wir in Österreich und Deutschland produzieren lassen, vermeiden wir lange Lieferwege und unsere Versendungen erfolgen mit der Österreichischen Post ebenfalls CO2-neutral. Was die Reinigung der Becher betrifft: Dank unserer patentierten Spültechnik benötigen wir 30 Prozent weniger Reiniger und Energie. Seit 2013 sind wir kontinuierlicher Träger des Österreichischen Umweltzeichens.

 

medianet: Mehrwegsysteme sind angesagt, werden aber gern auch in die Nähe des Greenwashing gerückt. Gerade in der Getränkeindustrie wäre eine nahezu 100%ige Umstellung auf Mehrweg ja fast von einem Tag auf den anderen machbar. Stattdessen schiebt man den Konsumenten mit seiner Wahlfreiheit vor. Wie sehen Sie das? Braucht der Konsument die Wahl zwischen Umweltschädigung und Entlastung?
Chytil: Wir betrachten myCoffeeCup als die umweltfreundlichere Alternative zu Einwegbechern. Ideal wäre es natürlich, wenn der Konsum von Einwegprodukten und -verpackungen insgesamt abnehmen würde, oder wenn dieser Markt sogar verschwinden könnte. In einem solchen Szenario müssten sich Verbraucherinnen und Verbraucher erst gar nicht die Frage stellen, ob Einweg oder Mehrweg. Solange das jedoch nicht der Fall ist, ist es wichtig, dass sie die Wahl haben, eine nachhaltigere Alternative zu nutzen – genau das bieten unsere Becher.

medianet: Wenn der Handel bzw. die Gastronomie nicht mitspielt, stehen die Chancen für hohe Mehrwegquoten eher schlecht. Wie ist das aus Ihrer Sicht bei der Gastronomie? Spielt die gerne mit oder ist da viel Überzeugungsarbeit vonnöten?
Chytil: Das ist ein wirklich wichtiger Punkt. Wir sehen, dass viele Gastronomiebetriebe in den letzten Jahren mit den Auswirkungen der Pandemie und dem Fachkräftemangel zu kämpfen hatten. Unzählige Betriebe sorgen sich um das Überleben des Geschäfts, und hier müssen wir tatsächlich Überzeugungsarbeit leisten. Seit der Mehrwegpflicht in Deutschland hat sich das Interesse auch bei uns erhöht. Die häufigsten Fragen, die wir hören, beziehen sich auf den Arbeitsaufwand. Wer reinigt die Becher? Wer holt sie ab? Und wer bringt sie zurück? In jedem Fall ist das einfach zu beantworten, da wir einen Full Service anbieten. Unsere Mehrwegbecher bedeuten keine zusätzlich Arbeit.

medianet: Sie kooperieren mit Großveranstaltungen wie Nova Rock oder Frequency. Das Fliegen von vollen Bierbechern ist dort nahezu unverzichtbarer Usus – fliegen auch Kaffeebecher?
Chytil: Absolut, Festivals haben diese unvergessliche Atmosphäre, in der Fans ihre besten Momente erleben. Da kann es schon mal vorkommen, dass der eine oder andere Mehrwegbecher vor Freude durch die Luft fliegt – vielleicht sogar der Kaffeebecher. Aber im Ernst, die Rückgabequote auf Festivals ist wirklich ermutigend.

medianet:
Einige Konzertbesucher sammeln bepfandete Becher, die herumliegen, um das Pfand zu kassieren. Sind solche ggf. verschmutzte Becher wieder verwendbar? Wie wird zwischen brauchbaren und nicht mehr brauchbaren zurückgegebenen Bechern unterschieden? Wie sind da die Quoten und die Rücklaufquote generell?
Chytil: Unsere Spülstraße kann einen einzelnen Becher bis zu 700-mal reinigen, bis er defekt wird. Ob er noch benutzt werden kann, wird direkt von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Ende des Spülvorganges kontrolliert. Die Rücklaufquote unterscheidet sich von Veranstaltung zu Veranstaltung. Im Durchschnitt sind es etwa 97 Prozent der Becher, die wir zurückerhalten.

medianet:
Sie bezeichnen sich als Pionier für Mehrwegsysteme. Wie schauts denn mit Nachahmern aus? Wie strukturiert sich der Markt, in dem Sie sich bewegen?
Chytil: Der Markt hat sich in der Tat erweitert, und das stellt uns als Unternehmer natürlich vor Herausforderungen. Aber für mich als Verfechter der Kreislaufwirtschaft zeigt sich darin auch, dass die Branche im Wandel ist. Unser Vorteil ist, dass wir ein österreichisches Unternehmen sind, unsere Becher in Österreich hergestellt und auch gespült werden.

medianet:
Wie ist es um die Kostenseite für Gastronomie und Veranstalter bestellt – ab wann rechnet sich ein Mehrweg­system?
Chytil: Ökologisch rechnen sich die Mehrwegbecher schon ab der zehnten Nutzung. Wenn sie 700-mal genutzt werden, sparen sie eine Menge Ressourcen. Die myCoffeeCups sind zudem finanziell attraktiv. Partner zahlen eine monatliche Systemgebühr und bei Bedarf unseren Spülservice. Für die Becher an sich werden keine Kosten aufgebracht, im Gegensatz zu Einwegbechern, die gekauft werden müssen. Außerdem bleiben Konsumenten unter Umständen noch eine Weile oder nehmen sich einen Snack mit, wenn sie den leeren Becher zurückgeben wollen.

medianet:
Wie entwickelt sich das Geschäftsjahr 2023?
Chytil: Unser Hauptziel für myCoffeeCup ist es, noch mehr Partner zu gewinnen. Wenn das Angebot größer ist, wird das System bekannter und mehr genutzt. Wenn die Nachfrage steigt, ist das wiederum für die Betriebe attraktiv – eine positive Aufwärtsspirale, wenn man so will. Wir sind gespannt darauf, wie sich das Abfallwirtschaftsgesetzt und die Verpackungsverordnung entwickeln werden. Änderungen werden kommen und alle Betriebe, die jetzt schon auf Mehrweg setzen, nehmen eine Vorreiterrolle ein.

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