Onlinehandel findet auf die Erfolgsspur zurück
© Stefan Zamisch
Vor der Presse HV-Geschäftsführer Rainer Will (l.) mit Harald Gutschi, Geschäftsführer der Otto Austria Group und Vizepräsident HV.
RETAIL Redaktion 28.06.2024

Onlinehandel findet auf die Erfolgsspur zurück

Mobile Commerce als großer Umsatztreiber; die Retourenquote klettert von 38 auf 42 Prozent.

••• Von Paul Hafner

Binnen wenigen Monaten nach Anbruch der ­Covidpandemie stand für viele Handels­experten fest, dass Corona als „Turboboost” oder „Trendbeschleuniger” des E-Commerce fungiert habe – ein nachhaltiger, irreversibler Schub. Auch dem bis dahin recht online-resistenten LEH wurde das Einsetzen eines zumindest allmählichen Strukturwandels prognostiziert – und viele witterten ihre Chancen im Onlinehandel.

Es sollte anders kommen: Der Lebensmittellieferdienst Flink war fast genauso schnell weg wie er da war und dürfte noch weniger ins kollektive Gedächtnis eingehen als der einstige Schlecker-Nachfolger dayli; gurkerl.at prognostizierte erst die Übernahme der Online-Marktführerschaft, wenige Monate später wurden statt der Übernahme der Marktführerschaft Massenkündigungen und ein vorübergehend eingeschränktes Angebot angekündigt; der deutsche Blitz-Lieferdienst Gorillas wurde angekündigt, kam aber nie; Unimarkt stellte seinen Onlineshops ein, und schließlich beendete kürzlich auch noch Foodora das 2022 gestartete, halbgare Online-Pilotprojekt „mjam market”.
Die Pleitewelle, die sich im Online-LEH zugetragen hat, ist beispiellos und hat primär mit falschen Erwartungen bzw. Einschätzungen des mittelfristigen Potenzials zu tun; aber auch die realen Umsatzrückgänge des E-Commerce und insbesondere die rückläufigen Anteile am Gesamtumsatz im Einzelhandel sowohl 2022 als auch 2023 (medianet berichtete vergangene Woche) kamen trotz Teuerungswelle überraschend.
Doch wenn es nach der „eCommerce Studie 2024” des Handelsverbands geht, hat der Onlinehandel in Österreich sein Tief nun hinter sich: Bis Ende April 2024 sind die E-Commerce-Ausgaben der Österreicher im Jahresvergleich um fünf Prozent gewachsen.

Ausgaben: Elf Milliarden Euro

„Der Onlinehandel ist wieder auf der wirtschaftlichen Überholspur, allerdings fließt ein Gutteil der Umsätze ins Ausland”, analysiert HV-Geschäftsführer Rainer Will. „Der Überflieger ist heuer das Smartphone-Shopping mit einem gewaltigen Zuwachs von 36 Prozent. Mobile Kauf­transaktionen nehmen damit rapide zu.”

Im gesamten Distanzhandel (Interneteinzelhandel und Mobile Commerce plus Versandhandel) beläuft sich das Plus heuer ebenfalls auf fünf Prozent, in Summe belaufen sich die Ausgaben der rund sechs Mio. Österreicher, die im Distanzhandel einkaufen, auf elf Mrd. € (nur Onlinehandel: 10,6 Mrd. €).Auch die Zahl der aktiven heimischen Webshops ist am Steigen und wird auf aktuell über 12.000 geschätzt.
„Die Top-Warengruppen sind heuer Bekleidung mit 2,4 Milliarden Euro Umsatz, Elektrogeräte mit 1,3 Milliarden und Möbel mit 0,9 Milliarden Euro Umsatz”, berichtet Wolfgang Ziniel, Senior Researcher bei der KMU Forschung Austria und Autor der nunmehr 15. Ausgabe der bundesweiten Studie zum Distanzhandel in Österreich.
Interessant: Den höchsten prozentuellen Online-Anteil an den gesamten einzelhandelsrelevanten Konsumausgaben kann im Branchenvergleich der Spielwarenhandel (35%) verbuchen. Auf den Plätzen folgt der Handel mit Sportartikeln (34%), Bekleidung (30%) und Elektrogeräten (29%).

Kaufkraftabfluss „dramatisch”

Der tatsächliche Sitz der Handelsunternehmen spielt für die Käufer im Internet und Versandhandel laut Studie keine maßgebliche Rolle: 17% greifen (mehrheitlich bewusst) nur auf Anbieter aus Österreich zurück, knapp ein Fünftel (19%) bestellt die gewünschten Produkte ausschließlich im ausländischen Distanzhandel.

Die Konsequenz: Der Kaufkraftabfluss der heimischen Shopper ins Ausland liegt mit 54% nun bereits deutlich über der Hälfte. „Die Österreicherinnen und Österreicher finanzieren damit rund 150.000 Jobs im Ausland, auch aufgrund unfairer gesetzlicher Rahmenbedingungen und mangelhafter Zollkontrollen”, moniert Will.
Besonders problematisch: Jüngere Zielgruppen kaufen signifikant häufiger bei ausländischen Anbietern ein als ältere. Harald Gutschi, Geschäftsführer der Otto Austria Group und Vizepräsident des Handelsverbands, erläutert: „Der Ausgabenanteil beim ausländischen Distanzhandel liegt bei der jungen Generation zwischen 15 und 29 Jahren bei 58 Prozent und sinkt kontinuierlich mit dem Alter. Von der Generation 50+ kauft nur mehr die Hälfte bei ausländischen Anbietern ein.”
Einen unerfreulichen, „überraschend starken” Anstieg vermeldet die Studie auch bei der Retourenquote, die, „befeuert durch die Inflation und den Boom bei Fernost-Plattformen” (Will), von 38 auf 42% geklettert ist. Treiber ist ausgerechnet die nachhaltigkeitsaffine GenZ: 59% von ihr senden zumindest einen Teil ihrer bestellten Waren zurück.

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