Wie viel Karat haben Benkos Klunker?
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RETAIL Redaktion 20.03.2020

Wie viel Karat haben Benkos Klunker?

Handelsprofi Hanspeter Madlberger analysiert exklusiv für medianet das Handelsreich des Tycoons.

••• Von Hanspeter Madlberger

So rasant Immobilienmogul René Benko zusammen mit seinen Investment-Partnern das Handelsimperium Signa Retail aus dem Boden stampfte, so zögerlich verläuft jetzt die angepeilte Sanierung des aus abgewirtschafteten City-Warenhäusern zusammengestoppelten Mix an Ladenformaten. Die Kaufhof-Altlasten schieben die Turnaround-Aussichten um drei Jahre hinaus. Die Sanierung von Karstadt/Kaufhof soll durch den Aufbruch in neue Mixed Use- und Multi-Channel-Einkaufsgalerien gelingen. Signa Retail-CEO Dieter Berninghaus muss jetzt seine Troubleshooter-Qualitäten beweisen.

Europa-Elite der Investoren

Als Immobilien-Entwickler und -Investor schaffte der geniale Innsbrucker Netzwerker Benko im Lauf von 20 Jahren den Aufstieg in die Europa-Elite seiner Zunft. Die Bilanzen von Signa Prime Selection und der weiteren Firmen der Sparte Signa Real Estate weisen 2019 insgesamt ein Immobilienvermögen von 19 bis 20 Mrd. € aus. Laut Medienberichten beträgt das Gesamtvermögen (Bilanzsumme) von Signa aktuell rund 25 Mrd. €, das Eigenkapital liegt bei 10 Mrd. €. Benkos eigener Kapitalbesitz wird aktuell auf knapp 5 Mrd. € geschätzt.

In der Disziplin Einzelhandel, von Benko als „zweites strategisches Standbein” seiner Firmengruppe bezeichnet, rangiert das Bricks & Clicks-Ladennetz von Signa Retail mit einem Jahresumsatz 2019 von rd. 7,2 Mrd. € in Europas Handelsszene unter ferner liefen; für 2020 peilt man eine Steigerung auf 8,5 Mrd. € an. Der Zuwachs geht weitgehend auf das Konto der zur Übernahme anstehenden Globus-Warenhäuser in der Schweiz. Unter den Handelsfirmen in österreichischem Besitz belegt Signa Retail den dritten Umsatz-Rang hinter der Spar Holding und dem Möbelimperium des Leiner-Konkurrenten XXXLutz.

Ein Bündel an Altlasten

Mit der Akquise maroder Warenhaus- und Fachmarktketten hat sich Signa ein umfangreiches Bündel an Altlasten eingehandelt, deren wahres Ausmaß erst gegen Jahresende 2019 deutlich wurde:

Wie der Spiegel am 28.12. 2019 berichtete, fiel 2019 bei Karstadt ein Verlust von 78 Mio. € an. Kaufhof, vor Kurzem mit Karstadt zu Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) fusioniert, brachte im Rumpfjahr 2019 Verluste in Höhe von 194 Mio. € mit. Gegenüber dem Handelsblatt (Ausgabe vom 22.12.2019) sprach GKK-Chef Stephan Fanderl von kumulierten Kaufhof-Verlusten aus den letzten vier Jahren in Höhe von über 600 Mio. €. Für das Jahr 2020 erwartet er für das fusionierte Unternehmen GKK ein Minusergebnis von 111 Mio. €, aber bereits einen positiven Cashflow.
Laut NZZ vom 17.1.2020 schrieben auch die Globus-Warenhäuser, die heuer von Signa und der thailändischen Central Group in einem 50:50-Joint Venture samt Immobilien übernommen werden sollen, zuletzt rote Zahlen. 2019 ging der Globus-Umsatz vor allem infolge von Geschäftsschließungen um 5,6% auf 762,7 Mio. CHF (719,4 Mio. €) zurück, das Online-Geschäft trägt mittlerweile rund zehn Prozent zum Gesamtumsatz bei.

Sanierungsfall kika/Leiner

Auch kika/Leiner, 2018 von der schwer angeschlagenen Steinhoff-Gruppe übernommen, war strukturell defizitär und daher für die Signa Retail-Sparte Home & Lifestyle ein Sanierungsfall. Ebenso wie die Sportscheck Fachmärkte, die zuletzt einen Jahresverlust von 30 bis 40 Mio. € aufwiesen und von Signa dem bisherigen Eigentümer Otto zu einem Negativpreis (!) abgekauft wurden. Für einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag erwarb Signa Ende November 2019 die 106 Reisebüros der Pleite gegangenen Touristikfirma Thomas Cook; wichtigstes Asset dieses Dienstleisters ist dessen Online-Plattform.

Ganz offensichtlich konnte der Signa Konzern bisher all die Verluste, die sich in der Retail-Sparte ansammelten, locker verkraften. Denn, wie Signa Retail-Boss Dieter Berninghaus gegenüber der LZ kürzlich erklärte, betrug der Nettogewinn von Signa zuletzt rund eine Mrd. €. Als Immobilienhändler ist Benko nach wie vor erfolgreich unterwegs.
Als Quereinsteiger im europäischen Einzelhandel beschafft sich der Tiroler die nötige Retail-Kompetenz auf durchaus originelle Weise. Typisch für den Signa Retail-Subkonzern: Er stützt sich einerseits auf eine extrem schlanke Führungsriege und weist andererseits eine extrem breite Verflechtung mit Kapitalgebern und unterschiedlichsten Partnern bei den Handelsfirmen auf.

Das Netzwerk

Werfen wir einen Blick auf das Netzwerk von Firmen und Personen, mit denen Signa kapitalmäßig verflochten ist. Der als Manager äußerst erfolgreiche Ex-Lindt & Sprüngli-CEO Ernst Tanner hält acht Prozent Anteil an der Signa Holding, Fressnapf-Gründer Torsten Töller ist an dieser Dachgesellschaft mit vier Prozent beteiligt. Investoren bei Signa Prime sind u.a. Hanspeter Haselsteiner und Novomatic-Gründer Johann Graf.

Mit dem reichsten Österreicher Dieter Mateschitz hat René Benko, zuletzt Nummer drei im trend-Reichen-Ranking, eines gemeinsam: Die enge Verflechtung mit thailändischen Unternehmerdynastien. Red Bull gehört zu 51% dem thailändischen Yoovidhya-Clan. 2015 verkaufte Signa Prima Selection 50,1% der KaDeWe Handelsfirma (mit KaDeWe Berlin, Alsterhaus Hamburg und Oberpollinger, München) an die thailändische Central Retail Corporation (kurz: Central Group) und behielt sich den Minderheitsanteil von 49,9%. Die drei Immobilien blieben allerdings zu 100% in Signa-Eigentum.

Thailändische Milliardäre

Die Central Croup gehört der Familie Chirathivat, der zweitreichsten Unternehmerdynastie des Landes mit einem Vermögen von rund 20 Mrd. USD. Ihr Einzelhandelsimperium umfasst Shoppingcenters, Megastores und Warenhäuser in Thailand und Vietnam sowie einen nicht unbeträchtlichen Onlinehandel. Die Central Group hat im Jahr 2015 den damals maroden italienischen Warenhaus-Klassiker La Rinascente zu 100% übernommen, die Sanierung gelang dem von Selfridges geholten Warenhaus-Experten Vittorio Radice, dem ein exzellenter Ruf vorauseilt. Der Gesamtumsatz von Central Group beträgt 7,6 Mrd. €, in Europa setzen die Thailänder mit Rinascente rund eine Mrd. € um.

Im Internethandel sieht sich die Signa-Tochter Sports United als die Nummer eins unter den Online-Sportfachhändlern Kontinentaleuropas. Die Firma kooperiert unter anderem mit Amazon und der Online-Sparte der erwähnten Central Group. Im Dezember 2018 erwarben Aeon, führender japanischer Einzelhandelskonzern, und Central Group im Rahmen einer Kapitalerhöhung 7,5% bzw. vier Prozent an Sports United. Anfang Oktober 2019 beteiligte sich die R+V Versicherungsgruppe im Rahmen einer Kapitalerhöhung (an der auch Signa und Aeon teilnahmen) mit 11,6% an Signas Sport-Onlinefirma. Laut einer LZ-Meldung vom 21.2.2020 erzielt Signa im Onlinehandel mit Sports United und anderen Webshops einen Jahresumsatz von 1,3 Mrd. €.

Aktion Kapitalbeschaffung

Mit Geldbeschaffungs-Aktionen in großem Stil ließ Signa die Branche in den vergangenen Monaten aufhorchen. Die Signa Holding GmbH führte am 11.9.2019 eine Kapitalerhöhung im Ausmaß von 700 Mio. € durch, die Mittel wurden von den bestehenden Gesellschaftern aufgebracht. Weiters gab Signa Prime Selection AG, größte Tochtergesellschaft von Signa, am 17.9. frische Aktien in Höhe von 500 Mio. € aus, die umgehend ihre Käufer fanden. Zu den neuen Aktionären zählen u.a. die deutsche RAG-Stiftung, die beiden deutschen Versicherungsgesellschaften R+V und LVM sowie die FFP Group, börsennotierte Investment­gesellschaft der Peugeot-Familie.

Zweiter Schritt waren Großverkäufe von Einzelhandelsimmobilien. Im Dezember 2019 bündelte Signa zehn Kaufhof-Gebäude in Berlin, Frankfurt, Köln und anderen Großstädten mit einer Gesamtmietfläche von 371.600 m² in einer Firma und verkauft einen 20%-Anteil an diesem Immobilen-Paket an die Commerz Real, Tochter der deutschen Commerzbank; unbestätigten Medienberichten zufolge kassierte Signa für diesen Verkauf mehr als 100 Mio. €.

Noch größere Ausmaße weist der sich abzeichnende Deal zwischen Galeria Karstadt Kaufhof und dem Immobilien-Investor RFR mit Sitz in New York auf. Laut LZ vom 24. Jänner 2020 will sich RFR an einem Immobilien-Paket, bestehend aus 30 Kaufhof-Standorten, beteiligen. Die New Yorker erwerben bei diesem Deal ausschließlich Anteile an Signa-Immobilienfirmen, engagieren sich jedoch nicht beim Handelsgeschäft.

Der Globus-Deal

Der Globus-Deal bedeutet einen Wachstumsschub für KaDeWe, geführt von Central Group. Diese Übernahme von der Schweizer Migros fügt sich perfekt ins Expansionsszenario. Vorausgesetzt, dass die Wettbewerbsbehörden der Schweiz und der EU zustimmen (wovon auszugehen ist), soll der Deal zur Jahresmitte finalisiert werden. Wie die NZZ vom 6.2.2020 berichtete, wollen Signa Holding und Central Group in einem 50:50 Joint Venture die zwölf Globus-Warenhäuser, sechs Globus-Herrenmode-Geschäfte, zahlreiche kleine Läden sowie ein Hotel der „Magazine zum Globus AG” samt acht dazu gehörenden Immobilien vom Migros-Genossenschaftsbund erwerben. Flaggschiff ist das Globus Haus in der Zürcher Bahnhofstraße.

Tos Chirathivat, Vorsitzender der Central Group, nannte einen Kaufpreis von mehr als einer Mrd. Schweizer CHF (rd. 1 Mrd. €). Auf den ersten Blick ist das durchaus ein Schnäppchen, denn allein das Globus-Stammhaus soll nach Meinung von Immobilien-Kennern einen Wert von knapp einer halben Mrd. € haben. KaDeWe/Globus setzen als Partner in der European Luxury Department Store Group unter der Leitung von Vittorio Radice auf Luxusmode globalen Zuschnitts.
Das Ladennetz dieser Einkaufsparadiese für ein reiches, glamouröses Publikum umfasst künftig neben den drei KaDeWe- Häusern, den neun La Rinascente-Häusern, dem dänischen Warenhaus Illum (im Eigentum der Central Group) auch die acht Globus-Häuser. Die KaDeWe-Linie wächst weiters durch die Hereinnahme des aus der Kaufhof-Gruppe herausgelösten Düsseldorfer Carsch-Hauses im Jahr 2022 und die für 2024 geplante Eröffnung des KaDeWe in Wien Mariahilferstraße/MuseumsQuartier.

Herkules ist gefragt

Mithin steht Dieter Berninghaus, Mastermind in Benkos Handelsimperium, vor einer Herkulesaufgabe – Multitasking ist angesagt:
• Schließung, Weiterverkauf oder Weiterverwendung unrentabler Warenhausstandorte in Deutschland und der Schweiz.
• Damit verbunden: Personalabbau, Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften. Fanderl kann von den langwierigen Verhandlungen mit Verdi ein Lied singen.
• Verwendung der Verkaufserlöse einerseits zur Abdeckung der operativen Verluste, andererseits für Investitionen in die Renaissance der Warenhäuser. Rinascente nach deutscher Machart.

Der Haken an der Sache

Wenn Galeria Karstadt Kaufhof Verkaufsflächen von einem fremden Immobilieneigentümer anmietet und diese an diverse Shoppartner und Dienstleister untervermietet, dann schrumpft der eigene Cashflow, der für die Amortisation der getätigten Investitionen verwendet werden kann, dramatisch. Werden dann noch umsatzabhängige Mieten vereinbart, dann verlagert sich das Verlustrisiko erst recht auf den Shopping-Center-Betreiber Galeria KK, der sich in einer Sandwich-Position zwischen Immobilen-Investor und Mietern befindet.

Das Experiment Galeria KK steht und fällt mit den Synergien, die dieses von Grund auf neu konzipierte Multi Use City Warenhaus-Modell entfaltet, mit der Attraktivität, die sich diese neuen Shoppingwelten bei einem breiten Publikum verschaffen. Und mit der Bereitschaft der Kommunen, über die Stadt- und Verkehrsplanung einen Beitrag zur Revitalisierung der Stadtkerne und ihrer Einkaufsstraßen zu leisten.

Die Werbetour

Die Propaganda-Offensive, die das Signa-Team seit dem Spätherbst vergangenen Jahres abrollen lässt, hat es in sich. Anfang November 2019 sprach René Benko im Berliner KaDeWe vor 200 Unternehmern über die Zukunftspläne seines Warenhaus-Imperiums. Die Häuser sollen digital aufgerüstet werden. Verkaufsflächen sollen an Händler wie Aldi, dm oder die französische Parfümeriekette Sephora vermietet werden.

Noch konkreter fiel das Zukunftsszenario aus, das Dieter Berninghaus vergangenen Herbst im Raum Zürich bei einer Veranstaltung der Universität St. Gallen und der Migros vor Top-Handelsmanagern entwarf. Fünf Maßnahmen sollen das aktuelle Geschäft ankurbeln:

• „Dress for Less” (preisreduzierte Markenware) soll die Schnäppchenjäger in die Häuser locken.
• Das Gastronomie- und Lebensmittel-Angebot soll über mehrere Etagen verteilt und ausgebaut werden, um die Frequenz zu steigern.
• Für die Sport-Kaufhäuser bzw. die Sportabteilungen bietet sich die Multi-Channel-Zusammenarbeit mit Sports United an.
• Ebenfalls Online-getrieben ist das Reisebürogeschäft über die Thomas Cook-Standorte.
• Und generell gesprochen: Mit den KaDeWe-Häusern als Flagship-Stores soll Shopping in der City (wieder) zum Erlebnis werden.

Coworking und Bankfilialen

Diese Zukunfts- und Wachstums­projekte nannte Berninghaus:
• Die Errichtung von City Hubs: In großem Umfang sollen Abholstationen für Amazon und andere Online-Händler eingerichtet werden. Was mit Amazon-Schließfächern begann, soll zu Amazon Corners und Last-Mile-Distributions-Lagern ausgebaut werden.
• Nach dem Vorbild von El Corte Inglés sollen Bankfilialen in den Warenhäusern einziehen, die spezielle Konsumkredite anbieten.
• Schlecht besuchte obere Etagen sollen zu Coworking-Büros umfunktioniert werden.
• Facility-Management steht als weitere Dienstleistung am Programm, beispielsweise in Form der Bewirtschaftung von 30.000 hauseigenen Parkplätzen.

Experten sind skeptisch

Noch geben sich Handelsexperten in Deutschland recht skeptisch, ob Benkos noch reichlich schemenhaft skizzierte Vision der neuen City-Shopping-Galerien zukunftstauglich ist. „Benkos Pläne haben mit Kaufhäusern nicht mehr viel zu tun”, urteilt der Spiegel. Und bezweifelt, dass die Omni-Channel Strategie aufgehen wird. Allein im Jahr 2018 sollen 22% der Karstadt- und Kaufhof-Kunden in den Onlinehandel abgewandert sein.

Erfolgsentscheidend könnte sein, ob die runderneuerte Galeria-Gruppe in der Highstreet als tonangebender Modehändler reüssieren wird. Einer kürzlich publizierten EHI-Studie zufolge hat der deutsche Mode-Onlinehändler Zalando seinen Onlineumsatz in Europa in vier Jahren mehr als verdoppelt – von knapp drei Mrd. € im Jahr 2015 auf 6,5 Mrd. im Jahr 2019. Verticals wie Zara oder H&M verfolgen mit Flagship-Stores ihre eigene Omni-Channel-Strategie. Ähnliches gilt für die Stores der Luxusmode-Designer. Textildiscounter wie Primark bevorzugen aus Mietkostengründen die Grüne Wiese.
Benko und sein Team brauchen jetzt bei der Umsetzung ihrer Komplettumbau-Pläne vor allem viel Optimismus, Begeisterungsfähigkeit und Beharrlichkeit. All das trägt Stephan Fanderl zur Schau: „Bis 2024 werden wir eine Umsatzrendite von zwei bis drei Prozent erreichen”, ließ er das Handelsblatt wissen.

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