Eine Psyche für den Computer
TECHNOLOGY Christoph fellmer 16.01.2015

Eine Psyche für den Computer

TU Wien Forscher arbeiten an Computerlösungen, die menschliche Psychologie beinhalten und dem Rechner „Triebe” und Vorlieben verleihen sollen

Die Simulation von Konsumentscheidungen ist ein mögliches Einsatzgebiet.

Wien. Computer und „Intelligenz” sind zwei Begriffe, die nicht wirklich zusammenpassen – auch wenn das Science-Fiction-Genre viele gegenteilige Beispiele parat hat. Dann ist normalerweise von Maschinen die Rede, die über sich selbst hinauswachsen und entweder die Weltherrschaft übernehmen wollen oder sich zu „besseren” Menschen entwickeln. Von der Realität sind diese Geschichten allerdings weit entfernt – auch wenn man seit den Fünfzigerjahren an künstlicher Intelligenz forscht. Situationen zu verstehen, intuitiv zu reagieren und vorausschauende Entscheidungen zu treffen, fällt Computern immer noch schwer. An der TU Wien kam man daher zum Schluss: Für echte Intelligenz braucht man Triebe, Emotionen, Gefühle. Viele elektronische Schalt-elemente ergeben zusammen noch keine Intelligenz, man braucht übergeordnete Strukturen, wie man sie aus der menschlichen Psychologie kennt. Solche Strukturen werden nun an der TU Wien untersucht und entwickelt.

Grober Schaltplan

Sigmund Freud suchte nach Strukturen im menschlichen Geist: Er unterschied Bewusstes und Unbewusstes, er führte Kategorien wie das Ich, das Über-Ich und das Es ein. „Genau solche Strukturen haben wir nun auch als Funktionen in die künstliche Intelligenz eingeführt”, sagt der Elektrotechniker Samer Schaat. Am Institut für Computertechnik der TU Wien lässt man daher seit Jahren die Psychologie in die künstliche Intelligenz miteinfließen. Durch die Verbindung von Psychologie und Computertechnik entwickelte man einen groben Schaltplan der künstlichen Entscheidungsfindung, der nun als Basis für intelligente Computerprogramme dient. Dieser grobe Strukturplan legt fest, wie Erinnerungen, neue Wahrnehmungen oder innere Triebe Einfluss auf den aktuellen emotionalen Zustand ausüben, wie dadurch die Bewertung einer Situation beeinflusst wird und wie sich daraus neue Entscheidungen ergeben. „Man kann nicht erwarten, dass solche psychologischen Strukturen bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz ganz einfach von selbst auftauchen, nur weil man immer größere Computer verwendet. Wir verfolgen einen Top-Down-Ansatz: Die grobe Funktionsstruktur muss von vornherein vorgegeben werden”, sagt Schaat. „Man beginnt mit einer Programmarchitektur, die an die Psychologie angelehnt ist, und entwickelt dann den eigentlichen Programmcode.”

Entscheidungsfindung

Zunächst wurden ganz einfache Welten programmiert, in denen eine künstliche Intelligenz mit künstlicher Psyche Entscheidungen treffen muss: Sie kann beispielsweise Hunger haben, sich aber gleichzeitig in einer bedrohlichen Situation befinden. Ist es nun besser, zu essen, zu fliehen, oder die Konfrontation zu suchen? „Erst wenn man psychologische Effekte einbaut, zeigt das Programm ein Verhalten, das wir als menschenähnlich oder intelligent bezeichnen würden”, sagt Schaat. „In den letzten Jahren haben wir viel über die psychologischen Strukturen gelernt, die wir für die Programmierung künstlicher Intelligenz brauchen; nun sind wir so weit, die Erkenntnisse auch anzuwenden.” Dabei geht es nicht darum, einen Menschen zu simulieren. Intelligenz ist beispielsweise auch bei der Steuerung von Haustechnik gefragt. Ein Gebäude könnte den inneren Trieb haben, möglichst wenig Energie zu verbrauchen und gleichzeitig den Bewohnern ein angenehmes Raum-klima zu bieten. Sogar für die Sozialwissenschaft soll diese Art von Forschung nützlich sein: „Wir entwickeln derzeit auch ein System, das Konsumentscheidungen simuliert – ganz konkret die Wahl zwischen Ökostrom und herkömmlichem Strom”, sagt Schaat. Auch hier haben verschiedene psychologische Mechanismen einen Einfluss – etwa der Drang nach sozialer Anerkennung, wenn man eine moralisch als gut empfundene Entscheidung trifft. So könnte durch Computer-Psyche eine neue Forschungsmethode entstehen, die etwa für die Marktforschung interessante Daten liefert. www.tuwien.ac.at

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